Konfrontation mit ChinaDie Amerikaner brauchen eine Aufholjagd im Pazifik
US-Aussenminister Antony Blinken reist durch Südostasien, in einer Grundsatzrede in Jakarta warnt er vor einem aggressiven China. Aber was hat Washington eigentlich zu bieten?
Jakarta also. Das ist kein Zufall. US-Aussenminister Antony Blinken wählte das Land Indonesien, um am Dienstagmorgen seine Grundsatzrede zur Strategie im Indopazifik vorzutragen. Es ist das bevölkerungsreichste Land in Südostasien und eines, das eine merkliche Distanz zu Peking pflegt. Schon das macht den Staat für Washington zunehmend interessant.
Blinken verpackte seine Rede als ein grosses Versprechen, den indopazifischen Raum «frei und offen» zu halten, doch er weiss natürlich, dass er dafür verlässliche Partner in der Region braucht. Eigentlich sind die Philippinen seit langer Zeit die engsten Verbündeten in der Region. Doch die erratische Politik von Präsident Rodrigo Duterte, der in den vergangenen Jahren immer wieder heftig zwischen Peking und Washington hin und her schaukelte, hat Washington zunehmend irritiert. Verlässlichkeit sieht anders aus.
Die US-Regierung bemüht sich um ein engeres Verhältnis zu Indonesien, um eigene Interessen verfolgen zu können.
Indonesien wiederum ist ein Land, das auf eine sehr eigenständige Aussenpolitik pocht. Und so wäre es übertrieben, zu behaupten, das Land sei bereits ein enger Verbündeter der USA. Sicher ist nur, dass Washington eifrig um ein engeres Verhältnis wirbt. Weshalb Blinken bei seiner Reise durch Südostasien hier auch seinen ersten Stopp einlegte, bevor er weiter nach Malaysia und Thailand reist.
Auf der gesamten Reise wird es immer wieder um den Kern des amerikanischen Interesses gehen: Washington sucht nach einem Weg, den expansiven Tendenzen der grössten asiatischen Macht China zu begegnen. In seiner Rede in Jakarta benannte Blinken die Sorgen sehr offen: «Es gibt viel Beunruhigung über Chinas aggressive Aktionen: von Nordostasien bis nach Südostasien, am Fluss Mekong und in den pazifischen Inseln.»
China beanspruche «offenes Meer», womit Blinken die maritimen Streitigkeiten in Südostasien meinte. China verzerre die offenen Märkte, indem es seine Staatsbetriebe subventioniere. Der US-Aussenminister zeichnete ein Bild von China, das eine Bedrohung darstellt für den Verkehr im Südchinesischen Meer, einem Gebiet, durch das Jahr für Jahr Güter im Wert von drei Billionen Dollar transportiert werden.
USA versprechen «einen freien und offenen Indopazifik»
«Wir sind entschlossen, freie Navigation im Südchinesischen Meer sicherzustellen», versprach Blinken. Die USA würden ihre Allianzen in der Region vertiefen und «Lücken in der Infrastruktur» schliessen. Ein Hinweis darauf, dass die USA nicht nur militärisch präsent sein wollen, sondern dass sie sich auch wirtschaftlich stärker engagieren möchten, um ihre traditionelle Rolle als pazifische Ordnungsmacht aufrechtzuerhalten.
Blinken versprach einen Status quo, «ohne Zwang und Einschüchterung» und auf der «Basis von Regeln», kurzum: «einen freien und offenen Indopazifik», wobei die Zuhörer in der Region solche Versprechen doch mit einiger Skepsis aufnehmen dürften.
Denn die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeichneten bereits ein anderes Bild: China hat konsequent und ohne Rücksicht auf seine Nachbarn künstliche Inseln im Südchinesischen Meer aufgeschüttet. Es droht Taiwan, und es militarisiert maritime Zonen, ohne Rücksicht auf rivalisierende Gebietsansprüche, die kleinere Nachbarstaaten erheben. (Lesen Sie auch den Kommentar «Machtspiel im Hinterhof».)
Selbst Indonesien, das im Südchinesischen Meer keine eigenen Ansprüche hat, reizte China mit forschen Fischereiflotten-Manövern vor den Natuna-Inseln, was Jakartas Interesse an guten Verbindungen zu den USA steigern könnte. Gleichzeitig aber hat der sehr rüde eingefädelte Sicherheitsdeal von USA, Grossbritannien und Australien über atomgetriebene U-Boote für Australien in Jakarta für Verstimmung gesorgt. (Lesen Sie dazu den Artikel «U-Boot-Deal spaltet Südostasien».)
Die USA müssen sich also vorsichtig an den indonesischen Partner herantasten. Vor allem aber müssen sie auch ökonomisch etwas bieten, was im Übrigen für alle Nachbarstaaten Chinas gilt. Sie wollen wissen: Wo ist der Nutzen der US-Allianz? Und sie wollen besseren Zugang zum US-Markt.
Trotz der politischen Distanz, die Jakarta zu Peking pflegt, ist den Eliten des Landes sehr bewusst, wie stark sie von chinesischen Investitionen abhängen, um ihr Land voranzubringen. Das hat auch die Pandemie gezeigt, in der Jakarta nahezu ausschliesslich von chinesischen Impfstofflieferungen abhängig war.
Die USA liefern bislang nicht genügend wirtschaftliche Anreize, um die Verbindungen mit Südostasiens Staaten zu vertiefen.
Seit September haben die Amerikaner fast acht Millionen Dosen Biontech-Pfizer-Vakzin an Indonesien verschenkt und zeigen auch ansonsten, wie Indonesiens Aussenministerin Retno Marsudi es formulierte, «starkes Engagement». Allerdings legte sie auch Wert darauf, dass es «konkrete Kooperationen» geben müsse.
Wie viel die Amerikaner aufzuholen haben, dürfte die Biden-Regierung sehr gut wissen. Sie liefern bislang nicht genügend wirtschaftliche Anreize, um die Verbindungen zu vertiefen. Ganz anders als China, das viel macht, um die Nachbarn gewogen zu halten oder zu besänftigen. (Lesen Sie dazu auch den Artikel «China ändert die Regeln der Weltwirtschaft».)
Washington muss reparieren, was Donald Trump als Präsident an Vertrauen zerschlagen hat. Er zog sich trotzig aus dem transpazifischen Wirtschaftspakt (TPP) zurück, den Barack Obama angebahnt hatte. Eine schönere Steilvorlage hätten die USA Peking nicht liefern können. China nutzte das Vakuum, um eigene Netzwerke zu erweitern.
Dass Biden wieder umsteuert, mag strategisch überfällig sein. Doch ist es unwahrscheinlich, dass er die USA schon wieder für den TPP erwärmen kann. Die innenpolitischen Widerstände gegen den Handelspakt sind gross. So versuchen Amerikas Strategen, spezielle ökonomische Partnerschaften mit einzelnen Staaten zu schliessen, wie sie es mit Malaysia in der Halbleiterbranche aushandeln.
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