Analyse zum OlympiaboykottBiden fasst China härter an – ein klein wenig
Die USA senden keine Diplomaten an die Olympischen Spiele in Peking. Für die Menschenrechte bewirkt der Boykott kurzfristig nichts. Aber er ist ein Signal an China.
Fürs Erste ist die Aktion für Washington aufgegangen: Die chinesische Führung hat verärgert darauf reagiert, dass Joe Biden keine diplomatische Vertretung an die Olympischen Spiele 2022 in Peking senden wird. Aussenamtssprecher Zhao Lijian drohte mit Gegenmassnahmen und schnaubte, die Winterspiele seien keine Bühne für politische Machtspiele und Manipulation.
Das ist eine Illusion. Olympische Spiele stellen für die Regierung des Austragungslandes stets eine Gelegenheit dar, sich internationalen Gästen zu präsentieren. Sie muss darum aushalten, dass die Gäste ihr nicht einfach nur untertänigst huldigen, sondern Fragen stellen. Auch kritische. Es liegt auf der Hand, dass dabei soziale Aspekte zum Thema werden müssen – und mit ihnen die Menschenrechtslage.
Kaum konkrete Folgen
Auf die unhaltbare Menschenrechtslage wollte die Regierung Biden hinweisen. Mit Erfolg: Ihre Boykottentscheidung hat international riesige Aufmerksamkeit geweckt. Reagiert Peking mit Gegenmassnahmen, kocht es das Thema nur noch mehr hoch. Dabei würde die kommunistische Führung doch lieber den Mantel des Schweigens über die Gewalt breiten, mit der sie etwa gegen die Uiguren in Xinjiang vorgeht.
Joe Biden hat mit dem diplomatischen Boykott ein relativ sanftes Mittel gewählt, um auf die prekäre Menschenrechtslage in China aufmerksam zu machen. Wohl pflegt die US-Regierung, hochrangige Vertreter an Olympische Spiele zu entsenden. Die jüngsten Sommerspiele in Japan etwa hat eine Delegation unter First Lady Jill Biden mit viel Tamtam besucht, was bei den Gastgebern Gefallen fand. Doch tendieren die konkreten Auswirkungen eines Verzichts auf solche Besuche gegen null. Als etwa Joachim Gauck 2014 als Bundespräsident demonstrativ nicht an den Spielen im russischen Sotschi teilnahm, war das in Deutschland ein grosses Thema, international wurde es hingegen nicht einmal zur Kenntnis genommen.
Anders wäre das bei einem kompletten Boykott, bei dem die USA auch ihren Athleten die Teilnahme untersagte. Das ist mehrmals vorgekommen seit 1956, als die Schweiz, die Niederlande und Spanien aus Protest gegen den Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts in Ungarn die Spiele aussetzten. Die letzte grössere Aktion fand 1984 statt, als die Ostblockländer den Sommerspielen in Los Angeles fernblieben als Rache für den westlichen Boykott von Moskau 1980.
Das Signal an China: Die Geduld des Westens hat Grenzen, für wirtschaftliche Zusammenarbeit ist ein Minimum an gemeinsamen Werten nötig.
Den Amerikanern ging es in erster Linie darum, ein geopolitisches Signal an China zu schicken. Der diplomatische Boykott reiht sich nahtlos ein in eine ganze Serie von Entscheidungen Bidens, mit denen er die China-Politik der USA justiert und China etwas härter anfasst. Peking hatte seine Regierung von Beginn weg getestet: Beim ersten Treffen in Alaska etwa las der chinesische Botschafter der amerikanischen Delegation die Leviten. Biden hat sich seither darum bemüht, das Gesprächsklima zu verbessern, zum Beispiel in Videokonferenzen mit Chinas Präsident Xi Jinping. China sei sowohl ein Partner, wie beim Kampf gegen den Klimawandel, als auch ein Mitbewerber, wirtschaftlich und politisch, proklamiert Biden.
Hatte Donald Trump noch in erster Linie mit Strafzöllen operiert, setzt Biden vermehrt auf die militärische Karte. Mitte September hat er eine neue Sicherheitsallianz mit Grossbritannien und Australien angekündigt, Australien erhält nuklear betriebene U-Boote, um China im Pazifik besser standhalten zu können. Das Signal an China war stärker, aber ähnlich wie jetzt: Die Geduld des Westens hat Grenzen, für wirtschaftliche Zusammenarbeit ist ein Minimum an gemeinsamen Werten nötig.
Auch als China im Oktober gegen 150 Flugzeuge in die Luftverteidigungszone Taiwans eindringen liess, um seinen Anspruch auf die Insel vor der chinesischen Küste auch militärisch zu markieren, reagierte Washington dosiert: Biden versicherte Taiwan mehrmals öffentlich der amerikanischen Unterstützung.
Keine Reaktion wäre auch ein Zeichen gewesen
Zu all diesen Spannungen kam die Sorge um die Tennisspielerin Peng Shuai, die vorübergehend verschwand, nachdem sie Vergewaltigungsvorwürfe gegen den früheren Vizepremier Zhang Gaoli erhoben hatte. Vor diesem getrübten Hintergrund hätte es Peking als Zeichen der Schwäche interpretieren können, wenn die USA ohne Reaktion an den Olympischen Spielen teilgenommen hätten.
An anderen Ländern ist es nun zu entscheiden, wie stark das Signal an China wird. Das EU-Parlament hat die EU bereits im Sommer aufgefordert, auf diplomatische Besuche an den Spielen in Peking zu verzichten. Sollte eine ganze Reihe von Ländern nachziehen, wird China das Thema Menschenrechte noch weniger tabuisieren können.
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