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Die AfD steht seit Herbst in Kontakt mit Zürcher Drogisten

Beantwortet zurzeit keine Fragen zum schwebenden Verfahren: AfD-Spitzenpolitikerin Alice Weidel. Foto: Keystone
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Wer ist der wahre Spender jener 132'000 Euro, die 2017 aus der Schweiz an die deutsche AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel gingen? Nicht nur ein Kontrollgremium in Berlin, deutsche Staatsanwälte und Medien in beiden Ländern versuchen das seit Monaten herauszufinden. Auch die AfD selbst steht seit vergangenem Herbst in ständigem Kontakt mit jenem Zürcher Drogisten, dessen Firma PWS Pharmawholesale das Geld in mehreren Tranchen überwiesen hatte. Das beweist ein interner Schriftverkehr, welcher der Recherchen-Kooperation von WDR, NDR, «Süddeutscher Zeitung» (SZ) und Tamedia jetzt zugespielt wurde.

Die Dokumente zeigen, wie sehr die AfD in der Spendenaffäre mittlerweile unter Druck steht, einerseits durch die Nachfragen der zuständigen Verwaltung des deutschen Bundestags, anderseits durch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Konstanz, die dabei Rechtshilfe von ihren Kollegen in Zürich bekommt. Das Problem: Parteispenden von mehr als 1000 Euro sind in Deutschland illegal, wenn sie von Nicht-EU-Bürgern kommen. Die PWS Pharmawholesale ist eine Zürcher Firma. Die Dokumente zeigen, wie ihr Chef, ein Drogist vom Zürichberg, Informationen zurückhält, sich in Widersprüche verwickelt und auch eine nachweisbar falsche Angabe macht.

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Video: AfD wegen Spende unter Druck

Wegen Parteispende wächst Druck auf AfD-Fraktionschefin Weidel. Video: AFP

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Am 27. November 2018 schickte der PWS-Verwaltungsrat einen Brief an den Geschäftsführer der AfD mit 14 Namen angeblicher Spender für Alice Weidel. Die AfD hatte diese Liste angefordert, um zu klären, ob alle Spender Staatsbürger Deutschlands oder eines EU-Landes sind. Das sind sie tatsächlich, 13 Personen auf der Liste aus Deutschland, ein Mann stammt aus Belgien. Nur: Gespendet haben sie vermutlich nicht.

«Eine nicht ganz lupenreine Spendenangelegenheit»

Reporter von WDR, NDR und SZ fanden den Belgier in der Region Antwerpen, wo er erklärte, er sei schon vor einiger Zeit von «einem Mann aus der Schweiz» gebeten worden, seinen Namen zur Verfügung zu stellen, da es von Vorteil sei, dass er nicht Deutscher, sondern Belgier sei. Er selbst habe nie gespendet und auch kein Geld dafür bekommen. Er habe jedoch gewusst, dass Geld an die AfD gehen sollte, und habe «aus persönlichen Gründen» gehandelt. Der Belgier dürfte also ein Strohmann sein – einer von mehreren.

Kurz zuvor hatte bereits ein deutscher Rentner, der an der Costa Brava lebt, Reportern vom «Spiegel» und der ARD-Sendung «Report Mainz» erklärt, dass er seinen Namen für «eine nicht ganz lupenreine Spendenangelegenheit» hergegeben und dafür 1000 Euro erhalten habe. In diesem Fall ging es um Spenden an den heutigen Co-AfD-Chef Jörg Meuthen. Diese Spenden liefen über die Schweizer Werbeagentur Goal von Alexander Segert, der auch Kampagnen für die SVP entwarf. Die Namen der angeblichen Spender an Meuthen sind teilweise identisch mit den Namen der angeblichen Spender an Alice Weidel über die Firma des Zürcher Drogisten. Steht also in Wahrheit Segert hinter beiden Spenden? Der Werber beantwortet die Fragen von Tamedia nicht.

In den schriftlichen Auskünften des Drogisten an die AfD gibt es noch mehr Widersprüche. So registrierte der AfD-Kreisverband «Bodenseekreis», wo Weidel Spitzenkandidatin war, auf seinem Konto im Sommer 2017 insgesamt 17 Spendeneingänge von der Schweizer PWS mit Beträgen zwischen 7800 und 8300 Euro, insgesamt 132'005,52 Euro. Zum damaligen Wechselkurs wären das 150'000 Franken gewesen, und so schreibt es auch der Drogist in seiner Antwort an die AfD. Allerdings meldet er gleichzeitig 14 Spender, 13 mit Spenden zu je 9500 Franken und einen Spender, nämlich den Belgier, mit 10'500 Franken. Das macht in der Summe nicht 150'000 Franken, sondern nur 134'000 Franken. Nun stellt sich die Frage: Woher kamen die restlichen 16'000 Franken, die auf dem Konto der AfD eingingen?

Das Loch in der Parteikasse wurde nach der Rückzahlung gleich wieder gestopft, wenigstens teilweise.

Als der einzige Verwaltungsrat der PWS im vergangenen Herbst noch mit Tamedia sprach, behauptete er, die Spende sei für die Schweizer Firma nur Durchlaufposten gewesen und gleich weitergeleitet worden. Auch diese Behauptung lässt sich anhand der Spenderlisten nicht nachvollziehen. Hätte die PWS die 9500 Franken jeweils sofort und vollständig weitergegeben, hätte der AfD-Kreisverband zum damaligen hohen Frankenkurs deutlich mehr Euro erhalten müssen, nämlich bis zu 8600 Euro.

Tatsächlich sind die Spendeneingänge bei der AfD jeweils um 200 bis 300 Franken niedriger als die Ausgänge bei der PWS. Sind die Angaben der PWS falsch? Oder hat die Schweizer Firma bei jeder Spende eine Vermittlungsgebühr einbehalten? Der Drogist liess über seinen Verwaltungsrat ausrichten, dass er zu keiner Information und Stellungnahme zu solchen Fragen bereit sei und im Übrigen die bisher publizierte Berichterstattung als Rufmord betrachte.

Die AfD teilt mit, dass sie kooperativ mit der Bundestagsverwaltung zusammenarbeite und alle Fragen der Finanzierung der Partei vollständig, fristgerecht und «auf Basis des uns verfügbaren Kenntnisstands» beantworte. Es liege im ureigensten Interesse der Partei, «dass alle derzeit offenen Fragen vollständig geklärt werden».

Die AfD zahlte die Spenden aus der Schweiz im Frühjahr 2018 fast vollständig zurück. Das Loch in der Parteikasse am Bodensee wurde aber gleich wieder gestopft, wenigstens teilweise. WDR, NRD und SZ fanden jetzt aber heraus, welche fünf Personen postwendend 38'000 Euro auf das Konto im Wahlkreis von Alice Weidel einzahlten.

Einer der angeblichen Spender ist jener Belgier, der mit 10'500 Euro auf der Liste der Schweizer PWS auftaucht. Hat er abermals als Strohmann seinen Namen für die Spende eines anderen hergegeben? Darauf wollte der Belgier keine Antwort mehr geben. Auch Alice Weidel lässt über ihren Anwalt ausrichten, dass sie wegen des hängigen Verfahrens zurzeit keine Fragen beantworte.