Die AfD packt ihre Selbstkritik wieder ein
Der rassistische Anschlag von Hanau lässt die Partei ratlos zurück.
Chaos, Aufruhr und Streit sind Alltag bei der Alternative für Deutschland (AfD). Verunsicherung weniger. Doch seit ein deutscher Rassist in Hanau neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen hat, weiss die Parteiführung nicht so recht, wie sie darauf reagieren soll.
Am Anfang schien es noch simpel: Co-Parteichef Jörg Meuthen und Ehrenpräsident Alexander Gauland bestritten vehement, dass der Täter überhaupt ein politisches Motiv gehabt habe. Er sei weder links noch rechts gewesen, sondern ein Verrückter. Entsprechend könne die Bluttat mit der AfD gar nichts zu tun haben (hier lesen Sie, warum die AfD für das Attentat in Hanau mitverantwortlich gemacht wird).
«Wer sich rassistisch über Ausländer und fremde Kulturen äussert, handelt gegen Deutschland und die AfD.»
Die anderen Parteien sprachen von Realitätsverleugnung: Wer gegen Eingewanderte hetze, trage eine Mitverantwortung, wenn Rechtsextremisten sich daranmachten, den Worten Taten folgen zu lassen. So argumentierten nicht nur Linke, sondern auch die Chefs der beiden christdemokratischen Parteien CDU und CSU.
Auch in konservativen Medienhäusern wie der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (FAZ) und dem Springer-Verlag schrieben die Chefs scharf wie nie: Die AfD habe aus der rassistischen Aufwiegelung ein politisches Geschäftsmodell gemacht und könne sich jetzt nicht wie die Unschuld vom Lande gerieren. In Umfragen meinte nur ein Viertel der Deutschen, die AfD habe für rechtsextreme Gewalt keinerlei Mitverantwortung.
In Umfragen abgesackt
Erst als die AfD kurz vor der Bürgerschaftswahl in Hamburg in den Umfragen absackte, änderte sie plötzlich ihre Strategie. Das mediale Echo – das heisst die Schuldzuweisung – habe ihn fast mehr erschreckt als die Bluttat selber, sagte Tino Chrupalla, der zweite Parteichef. Am Sonntag setzte er im Namen der Parteispitze einen Brief an alle Mitglieder auf, in dem er die Tat von Hanau als das benannte, was sie war: «ein rassistisches Verbrechen».
Auch der Mord an Walter Lübcke und die Morde von Halle seien «eine Schande für Deutschland». Die AfD habe sich von Rechtsextremismus stets klar abgegrenzt, schrieb Chrupalla. Dennoch müsse man sich selbstkritisch fragen, «warum es unserem politischen Gegner gelingt, uns überhaupt mit einem solchen Verbrechen in Verbindung zu bringen». Der Brief gipfelte in einem Bekenntnis: «Wer sich rassistisch und verächtlich über Ausländer und fremde Kulturen äussert, handelt ehrlos und unanständig und damit gegen Deutschland und gegen die AfD.»
Höckes «Flügel» schäumt
Selbst in konservativen Medien wurde der Brief mit Skepsis, ja Hohn aufgenommen: Wer es über Jahre nicht schaffe, den rechtsradikalen thüringischen Landeschef Björn Höcke aus der Partei auszuschliessen, sondern wie Gauland diesen sogar in der «Mitte» der Partei verorte, wolle mit solchen Heucheleien nur die bürgerliche Fassade pflegen.
In der AfD wiederum löste Chrupallas Mahnung Enttäuschung und Wut aus. Vor allem Höcke und sein rechtsradikaler «Flügel» protestierten heftig gegen die «Kapitulation vor dem Gegner». Auch auf der Geschäftsstelle der Partei sollen viele wütende Reaktionen eingegangen sein. Pikanterweise wäre Chrupalla ohne «Flügel»-Unterstützung im vergangenen November gar nicht in sein Amt gewählt worden.
Die Parteispitze packte deswegen ihre angedeutete Selbstkritik flugs wieder ein und startete den üblichen Gegenangriff: Nicht die AfD sei verantwortlich für Hetze, nein, «Lügenmedien» und «Altparteien» vergifteten mit ihrer «Hetze» gegen die AfD Gesellschaft und Demokratie.
Unpraktischerweise musste sich Chrupalla gleichzeitig von neuem für flagranten Rassenhass aus der Mitte der Partei rechtfertigen: Die nordrhein-westfälische Landtagsfraktion hatte ein Malbuch herausgegeben, dessen Rassismus so offensichtlich war, dass jetzt der Staatsschutz ermittelt.
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