ZoomDie Ästhetik des Flüchtigen
Die Aufnahmen des Luzerner Künstlers Stephan Wittmer spielen raffiniert mit dem Zeitbezug der Fotografie.
Ein Phänomen, das alle kennen: Plötzlich erscheint ein Raum bedeutungsvoll – ganz ohne Grund. So, als ob die zufällige Anordnung der Gegenstände, die Stimmung des Augenblicks eine tiefere Wahrheit verbergen würden.
Man greift zum Smartphone und will diesen Moment der Erleuchtung festhalten. Wochen später staunt man beim Sichten des Archivs. Was war da bloss?
Die Aufnahmen des Luzerner Künstlers, Kurators und Dozenten Stephan Wittmer, 65, haben oft diese Qualität. Sie zeigen flüchtige Momente am Rande irgendeines nicht identifizierbaren Geschehens. Dass die Bilder, welche Wittmers neues Buch «Tin Can» versammelt, von den Reisen des Autors in die USA stammen, erfährt man nur aus den Begleittexten. Die Aufnahmen zeigen eigentliche Unorte: Hotelzimmer, Wegränder, Ecken mit Foodautomaten oder verschwommene Spiegelungen.
In diesem Nichts entdeckt man nach und nach Wundersames. Etwa barocke Schönheit – ornamental gewölbtes Rosa – in einem Eierschachtelnstapel. Oder den theatralischen Auftritt einer türkisfarbenen Glace, die schmelzend die Treppe hinuntertropft. Zwei Pappbecher auf einem Plastiktablett äffen karge japanische Ornamente nach, und ein zum Putzen aufs Bett gelegter Bürostuhl oder ein Glasauge im Dreckwasser bringen slapstickhafte Komik ins Spiel.
Hier wird ein raffiniertes Spiel mit der Ästhetik des Flüchtigen betrieben, von einem, der sich mit Bildern besser auskennt als wir – und es auch noch faustdick hinter den Ohren hat. Da werden Momentaufnahmen im Bild konserviert und damit zugleich die Flüchtigkeit und auch ihr Gegenteil, die Ewigkeit, gefeiert.
Der Titel des Buchs, «Tin Can» («Blechbüchse») bringt es auf den Punkt. Denn gibt es etwas besseres, worin sich ein perlendes Getränk besser konservieren lässt, als so eine Büchse? Die aber schon bald leer getrunken ist und verdrückt am Wegrand für die Sinnlosigkeit eines jeden Begehrens steht.
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