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Meinung

Analyse zu Schweizer Tourismus
Dichtestress in den Bergen – na und?

Hier ist schon jemand: Touristen auf dem «Peak Walk» in Les Diablerets.
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«Ah, nehmt ihr die Autobahn?», meinte ein Einheimischer bei der Bergstation der Luftseilbahn auf dem Männlichen, als ich mich am Wochenende mit meinen Freunden über unsere Wanderung unterhielt. Geplante Route: Bequem mit der Bahn auf über 2300 Meter hoch, dann vom Männlichen aus den leicht abfallenden Panoramaweg zur Kleinen Scheidegg – mit permanentem Close-up-Blick auf Eiger, Mönch und Jungfrau – und runter nach Wengen. Das ist so spektakulär, wie es klingt. Und was der Ortskundige mit der Autobahn meinte, wird ebenfalls rasch klar: Die Strecke ist schnell, bequem – und stark frequentiert. Es ist die A1 der Bergwege im Berner Oberland.

Der Dichtestress bei Ausflügen in Toplagen beginnt gewöhnlich schon vor dem Frühstück: Wann ist die beste Zeit, auf die Bahn zu gehen? Möglichst früh? Mitten am Tag, wenn alle unterwegs sind? Denn, klar: Die beste Zeit ist die, in der man Gondel und Wanderweg mit möglichst wenigen Menschen teilen muss.

Im Ausland nehmen wir den Touri-Trubel gern in Kauf.

Das ist bei bekannten Ausflugszielen natürlich Wunschdenken, an einem sonnigen Sommertag sowieso. Beim Anstehen an der Talstation ist die Gewissheit dann auch da: Wir sind nicht allein unterwegs. Schon geht der Stress im Kopf des Ausflüglers weiter: Wie schön wäre es, wenn es weniger Leute hätte. Mist, der Platz an der Scheibe in der Gondel ist schon besetzt. Und wie wird das erst, wenn wir unterwegs sind, mit all diesen Leuten?

Touristen unterwegs am Seealpsee im Alpstein-Gebirge im Mai: Kein Mensch kann diese Aussicht verstellen.

Doch wozu dieser Stress? Woher kommt der Anspruch, Bergpanoramen, Badeplätze oder Unterkünfte im eigenen Land möglichst für sich zu haben? Das Absurde daran ist ja: Wenn wir nach Paris, Amsterdam oder nach Sardinien reisen, würden wir niemals erwarten, dass wir dort allein sind. Wir nehmen den Touri-Trubel gern in Kauf, stellen uns an, suchen unsere Wege und Plätzchen zwischen und neben all den anderen, die sich dazu entschieden haben, diese wunderbaren Flecken Welt zu besuchen. Sobald wir aber in der Schweiz unterwegs sind, werden Reisende in grosser Anzahl zum Störfaktor.

Wir sollten lernen, die Schweiz zu teilen. In Japan etwa gehört es zum guten Reiseton, dass man als Tourist hauptsächlich jene Orte besucht, die besonders beliebt und entsprechend bevölkert sind. In asiatischen Gemeinschaften nimmt sich das Individuum zurück, zum Wohl des Ganzen. Das gilt auch im Tourismus. Denn: Es hat ja auch wirklich genug Berg und See für alle.

Was schön ist, soll man teilen: Ausflügler auf der Terrasse des Berggasthauses Aescher. Das Bild stammt aus Vor-Corona-Zeiten.

An diesem Wochenende habe ich gemerkt: Die Tatsache, dass neben meinen Freunden und mir zahlreiche andere Menschen auf demselben Wanderweg unterwegs sind, schmälerte für mich das Erlebnis nicht. Man muss (nicht nur wegen Corona) einander hin und wieder Platz machen oder einfach den Zmittagspot mit der tollen Aussicht teilen – was wirklich nicht zu viel verlangt ist. Der grösste Stressfaktor ist tatsächlich, dass man sich den Stress macht, möglichst allein sein zu wollen.

Und überhaupt: Die Berge sind so wuchtig, dass kein Mensch die Sicht auf sie verstellen kann.