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Umstrittener Investoren-Einstieg
Ein Milliarden-Deal spaltet den deutschen Fussball

epa11164290 Munich fans hold a banner reading ?No to investor!? during the German Bundesliga soccer match between VfL Bochum and FC Bayern Munich in Bochum, Germany, 18 February 2024.  EPA/CHRISTOPHER NEUNDORF CONDITIONS - ATTENTION: The DFL regulations prohibit any use of photographs as image sequences and/or quasi-video.
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Tennisbälle, ferngesteuerte Autos und wütende Fans zwingen ein Spiel in der Bundesliga erneut fast zum Abbruch. Seit dem Ende der Winterpause gibt es in den zwei höchsten deutschen Fussball-Ligen kaum eine Partie, die nicht von Protesten begleitet wird. Im Mittelpunkt: der mittlerweile geplatzte Investoren-Deal der Deutschen Fussball Liga (DFL). So kam es zum Zerwürfnis.

Der Investoren-Deal

Im Mai 2023 versucht sich die DFL ein erstes Mal mit einer Abstimmung über einen Investoren-Einstieg. 12,5 Prozent der Medienvermarktungsrechte sollen für 20 Jahre an einen Finanzinvestor verkauft werden. Man verspricht sich dadurch Direktzahlungen von rund 2 Milliarden Euro. Die Clubverantwortlichen lehnen ab, und die DFL-Führung bringt im Dezember einen zweiten Vorschlag zur Abstimmung.

Diesmal soll ein tieferer prozentualer Anteil (maximal 8 Prozent) an mögliche Investoren abgetreten werden, ebenfalls für 20 Jahre, dafür schrumpfen die möglichen Einnahmen um eine Milliarde. Ein Grossteil des Geldes soll bei diesem Vorschlag nicht via Verteilschlüssel bei den Clubs landen, sondern bei der DFL-Zentralverwaltung, die damit langfristige Projekte wie etwa den Aufbau einer Streaming-Plattform finanzieren will.

Geheime Abstimmung und die Causa Martin Kind

Am 11. Dezember wird die Abstimmung unter allen 36 Proficlubs der 1. und 2. Bundesliga im Geheimen abgehalten. Für eine Annahme der Vorlage braucht es eine Zweidrittelmehrheit – es reicht denkbar knapp. 24 Clubs stimmen dafür, zwei enthalten sich, zehn stimmen dagegen. Einzelne Vereine geben bekannt, wie sie abgestimmt haben, andere schweigen.

Dass die Abstimmung im Geheimen abgehalten wird, beklagen viele Fans. Umso mehr, weil ein Bruch gegen die 50+1-Regel befürchtet wird. Diese Regel besagt, dass es Kapitalanlegern nicht möglich ist, die Aktien- und damit die Stimmenmehrheit eines Clubs zu erlangen. 50 Prozent aller Aktien plus eine zusätzliche müssen immer im Eigentum des Muttervereins sein, oder anders: Niemand ist grösser als der Verein.

Die 50+1-Regel gilt auch für Hannover 96 mit seinem Grossaktionär und Geschäftsführer Martin Kind. Kritiker gehen davon aus, dass der 79-Jährige gegen den Willen des Muttervereins und für den Investoren-Deal gestimmt hat – Kind schweigt bis heute zu seinem Votum.

Diese Umstände machen den Geschäftsführer nicht nur bei der Anhängerschaft von Hannover 96 zur Persona non grata und Zielscheibe vieler Proteste. Es ist nicht der erste Zwist zwischen den Niedersachsen und Kind; im Herbst 2022 scheiterte der Club vor Gericht mit dem Bestreben, den Geschäftsführer loszuwerden.

HAMBURG, GERMANY - FEBRUARY 09: Supportes of Hannover hold a banner during the Second Bundesliga match between Hamburger SV and Hannover 96 at Volksparkstadion on February 09, 2024 in Hamburg, Germany. (Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Die Proteste und ihre Wirkung

Einige Tage nach dem Beschluss der DFL im Dezember meldet sich das Fanbündnis «Unsere Kurve» auf seiner Website mit folgenden Worten: «Im Ringen um einen Investoreneinstieg bricht die DFL ihre erste und wichtigste rote Linie, noch bevor der Investor an Bord ist.»

Mit der roten Linie sind die Missachtung der 50+1-Regel und der zu geringe Schutz der DFL gegenüber den Interessen der Muttervereine gemeint. Es folgt ein Aufruf zur «Wiederholung der Abstimmung unter Überwachung der konsequenten Einhaltung von 50+1 durch alle Clubs», die Fans sind besorgt über eine mögliche weitere Kommerzialisierung des Fussballs, und später folgen die ersten Proteste der Fankurven während der Spieltage.

Diese beginnen mit dem zynischen Werfen von Goldmünzen, Schokoladentafeln oder auch Süssigkeiten. Es soll ein erster Vorgeschmack sein auf das, was noch kommt.

An den nächsten Spieltagen intensivieren sich die Proteste massiv. Tennisbälle werden geworfen, Fahrradschlösser an Toren befestigt, ferngesteuerte Autos flitzen über den Rasen. Das Spielgeschehen wird gezielt und wiederholt gestört, die Partien müssen teils über 30 Minuten lang unterbrochen werden.

Fast wie in Wimbledon: Tennisbälle auf dem Rasen in Hannover, Nürnberg-Goalie Carl Klaus ist mässig begeistert.

Die Fans verbuchen mit ihrer Protestreihe in den letzten Wochen einige Erfolge. Die Sympathien von Spielern, Trainern etc. gegenüber den Protesten nehmen zwar vermehrt ab, als zu einschneidend empfinden sie mittlerweile die Massnahmen der eigenen Fans. Dennoch äussern sich zunehmend Clubverantwortliche, die sich eine neue Abstimmung vorstellen können.

Weiter ist einer der beiden potenziellen Investoren ausgestiegen. Die US-amerikanische Investmentgesellschaft Blackstone gab vor rund einer Woche ihren Rückzug bekannt, allerdings ohne Beweggründe zu nennen. Die Finanz-Nachrichtenagentur Bloomberg, die als eine der Ersten über den Ausstieg berichtet hat, führt die Fanproteste und die daraus resultierende zögerliche Haltung der Clubs als Gründe an.

Die DFL lenkt ein

Ein Investor bleibt noch bis zum Abbruch der Verhandlungen als möglicher Partner: die CVC Capital Partners, wie Blackstone eines der weltweit grössten Private-Equity-Unternehmen. Dass auch der saudische Staatsfonds ein grosser Anleger innerhalb der CVC ist, kritisieren viele Fans. Das Unternehmen mit Sitz in Luxemburg kennt sich mit der Investition in Sportligen aus. Es besitzt Medienrechte an der französischen Ligue 1 und der spanischen La Liga – beide Käufe waren von Nebengeräuschen geprägt. Vor einigen Jahren verkaufte die Gruppe ihre Mehrheitsanteile an der Formel 1 für ein Vielfaches der Kaufsumme weiter.

Doch auch dieser Investor wird nicht bei der DFL einsteigen. Wie die Liga am späten Mittwochnachmittag mitteilt, werden die Verhandlungen nicht fortgeführt. «Eine erfolgreiche Fortführung des Prozesses scheint in Anbetracht der aktuellen Entwicklungen nicht mehr möglich. Auch wenn es eine grosse Mehrheit für die unternehmerische Notwendigkeit der strategischen Partnerschaft gibt», sagt der DFL-Aufsichtsratsvorsitzende Hans-Joachim Watzke und führt fort: «Der deutsche Profifussball steht inmitten einer Zerreissprobe.»