Leoparden für die UkraineDeutschland führt, aber niemand folgt
Erst hiess es über Monate, Kanzler Olaf Scholz blockiere die Lieferung von Kampfpanzern. Jetzt wollen manche Verbündete von ihren Zusagen plötzlich nichts mehr wissen.
Den ersten Leoparden brachte Boris Pistorius eigenhändig nach Kiew: Der deutsche Verteidigungsminister überreichte seinem ukrainischen Amtskollegen Olexi Resnikow bei seinem Antrittsbesuch diese Woche das Modell eines Leopard 2. Und er machte eine neue Zusage: Deutschland wird in den kommenden Monaten zusätzlich 100 Kampfpanzer des Typs Leopard 1 liefern. Beide Gesten galten als Signale dafür, dass die Aufrüstung mit westlichen Kampfpanzern nach Monaten qualvollen Wartens endlich in Gang kommt.
Der Leopard 1 ist ein älterer Panzer, der bei der Bundeswehr schon vor 20 Jahren ausser Betrieb genommen und durch den Leopard 2 ersetzt wurde. Er ist weniger gut geschützt und weniger durchschlagskräftig als das modernere Modell, zudem verwendet er eine andere Munition. Anders als der Leopard 2 ist er auf dem Schlachtfeld den modernsten russischen Panzern wahrscheinlich unter-, nicht überlegen.
Die Lieferung der Leopard 2 stockt
Zwei deutsche Unternehmen – Rheinmetall und die Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft – lagern je noch rund 90 Stück Leopard 1 und sind daran, diese wieder kriegstauglich zu machen. Allerdings fehlt es an Ersatzteilen und Munition. Finanziert wird der Kauf der insgesamt 178 Stück von Deutschland, den Niederlanden, Dänemark und Belgien. Pistorius sagte in Kiew, die ersten 20 oder 25 Exemplare würden bis Sommer geliefert, bis Ende Jahr könnten es rund 80 sein.
Erheblich mehr Mühe bekundet Deutschland derzeit damit, die versprochenen Leopard 2 bereitzustellen. In den letzten Monaten hatten viele europäische Verbündete zugesagt, eigene Kampfpanzer dieses Typs an die Ukraine zu liefern, sobald Deutschland dies genehmige.
Nun ist Berlin verärgert
Doch seit der deutsche Kanzler Olaf Scholz Ende Januar die Leoparden frei gegeben und versprochen hat, selbst 14 Panzer der Bundeswehr zu liefern, möchten sich manche Verbündete auf einmal nicht mehr an ihre Zusagen erinnern. Finnland, Norwegen, Dänemark und die Niederlande, die öffentlich Panzer versprochen hatten, zögern nun auf einmal und schweigen sich über konkrete Zahlen, Versionen oder Modalitäten aus. Auch Portugal und Spanien klingen auf einmal ziemlich kleinlaut.
«Man hatte in den letzten Wochen den Eindruck, alle Welt wolle liefern, nur Deutschland nicht», kommentierte am Wochenende Kevin Kühnert, Generalsekretär von Scholz’ SPD. «Jetzt machen wir eine konkrete Zusage, und plötzlich ist es sehr leise geworden.»
Auch Washington und Warschau blieben passiv
Pistorius sprach in den letzten zwei Wochen fast täglich mit Amtskollegen, um sie zu mehr Tempo anzutreiben. Scholz rief laut «Spiegel» sogar mehrere europäische Regierungschefs persönlich an. Im Moment gibt es konkrete Zusagen nur von Deutschland, Polen und Kanada. Statt der gewünschten und geplanten etwa 100 Leopard 2 vom Typ A6 oder A4 dürften vorerst vermutlich höchstens 60 zusammenkommen. Statt von zwei Leopard-Bataillonen sprach Pistorius in Kiew nur noch von «eins bis zwei». In der ukrainischen Armee verfügt ein Bataillon über 31 Panzer. Neben den Leoparden sind der Ukraine 31 amerikanische M1 Abrams zugesagt, zudem 14 britische Challenger II.
Scholz hatte mit seinem Zaudern zuletzt viele Verbündete verärgert, nun wächst im Gegenzug der Unmut in Berlin. Kritische Stimmen im In- und Ausland geben aber zu bedenken, dass Deutschland sich die Suppe weitgehend selbst eingebrockt hat, die es nun auslöffelt: Hätte Scholz, wie er behauptet, die Panzerlieferungen wirklich von langer Hand mit den Verbündeten abgesprochen und geplant, müsste er nun nicht um konkrete Beiträge betteln.
Skandinavische Länder oder die Niederlande hingegen müssen sich vorwerfen lassen, es mit ihren Zusagen gar nicht ernst gemeint oder diese nur genutzt zu haben, um politischen Druck auf das zögerliche Deutschland auszuüben. Sicher ist: Berlin blieb bei der Bildung einer Kampfpanzer-Allianz für Kiew nicht allein untätig. Weder in Washington noch in Warschau wurde diese in einer Weise geplant, die es nun erlauben würde, die benötigten Panzer schnell und in hoher Stückzahl zu liefern.
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