Krise in der UkraineDeutscher Marine-Chef zollt Putin Respekt – und ist nun seinen Job los
Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach hat öffentlich gesagt, die Krim sei verloren. In Kiew ist man entsetzt, Berlin versucht, die Wogen zu glätten. Und Schönbach ist nun im Ruhestand.
Es sieht nach einer kleinen, vertraulichen Runde aus: ein holzverkleideter Raum, ein langer Tisch. Offiziere, Militärexperten und Diplomaten sitzen am Freitag in Delhi zusammen. Eine indische Denkfabrik, die sich auf Sicherheitspolitik spezialisiert hat, will hören, wie der Chef der deutschen Marine, Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach, über Chinas wachsenden Einfluss denkt, über die neuen Kräfteverhältnisse in der Welt, über die grosse Politik also.
Anlass ist die Indopazifik-Fahrt der deutschen Fregatte Bayern. Das erste Mal seit fast zwanzig Jahren ist ein deutsches Kriegsschiff in dieser Weltgegend unterwegs. Die Fahrt beschert Schönbach derzeit kleine und grosse Bühnen. Er sagt, er teile seine Gedanken, teils in seiner offiziellen Funktion, teils als Privatmann. Sein Auftritt wurde für die Teilnehmer des Treffens ins Internet übertragen. Auch Journalisten hören zu, werden Zeuge, wie Schönbach ins Reden kommt – und am Ende einen Eklat auslöst, der ihn seine Karriere kosten wird.
Seinen Vortrag hat er schon beendet, als er in einer Fragerunde auf Russland zu sprechen kommt und auf den Konflikt in der Ukraine. 2014 hatte Russland die Halbinsel Krim annektiert. Die Ukraine und der Westen verurteilen diese Annexion bis heute, erkennen ein Referendum über den «Beitritt» der Krim zu Russland nicht an. Doch Schönbach sagte in der Runde: «Die Halbinsel Krim ist weg, sie wird nicht zurückkommen. Das ist Fakt.»
Zu Putins Motivation, der den Ukraine-Konflikt aktuell wieder mit einem Truppenaufmarsch eskalieren lässt, führt er aus, dass der russische Präsident lediglich Respekt verlange und diesen wahrscheinlich verdiene. Dass sich Russland ukrainisches Territorium aneignen wolle, hält er für «Nonsens». Für Schönbach geht die grössere Bedrohung von China aus, da versteht er Russland sogar als Partner. Er als «radikaler» Katholik sehe auch aus religiösen Gründen eine Verbindung zu Russland, einem christlichen Land.
«Befremdlich» nannte am Wochenende eine Person aus der Führungsspitze des deutschen Verteidigungsministeriums den Auftritt. Da war der Ärger schon gross. Das ukrainische Aussenministerium bestellte die deutsche Botschafterin in der Ukraine ein. Es gehe um die «Unannehmbarkeit der Äusserungen» Schönbachs.
Dabei ist Deutschlands Verhältnis zur Ukraine im Moment ohnehin angespannt. Die Ukraine hatte Deutschland wiederholt um Waffenlieferungen gebeten – vergebens. Die neue deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht will aber nicht komplett mit leeren Händen dastehen. In der Zeitung «Welt am Sonntag» kündigte sie – bevor es zum Schönbach-Eklat kam – an, im Februar «ein komplettes Feldlazarett» zu übergeben, inklusive der nötigen Ausbildung, «alles von Deutschland mit 5,3 Millionen Euro kofinanziert». Aber jetzt ist das Thema nur noch Schönbach.
Er gilt als selbstbewusster Marineoffizier, «zackig», sagen manche. Vor knapp einem Jahr ist er als Inspektor der Marine in die Spitze der deutschen Bundeswehr aufgerückt. Der 56-Jährige war zuvor stellvertretender Abteilungsleiter Strategie und Einsatz im Verteidigungsministerium. Im internationalen Geschäft kennt er sich aus.
Doch als im Lauf des Samstags die Reaktionen auf seinen Auftritt immer heftiger ausfielen, war im Ministerium klar, dass er nicht im Amt zu halten sein würde. Seinem Rauswurf kam Schönbach am Samstagabend zuvor. «Meine in Indien gemachten unbedachten Äusserungen zur Sicherheits- und Militärpolitik lasten zunehmend auf meinem Amt», liess er am Abend über die Marine mitteilen. Er habe die Ministerin gebeten, ihn mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben und Pflichten zu entbinden, um «weiteren Schaden von der deutschen Marine, der Bundeswehr, vor allem aber der Bundesrepublik Deutschland zu nehmen». Konteradmiral Jan Christian Kaack, Schönbachs Stellvertreter, führt nun vorerst die Marine.
Im Bundestag, dem deutschen Parlament, wurde der Rücktritt begrüsst. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, sagte: «Vizeadmiral Schönbach stellt offen die europäische Sicherheitsstruktur und das Völkerrecht infrage. Sein Rücktritt ist folgerichtig.» Henning Otte, Verteidigungspolitiker der oppositionellen CDU, sagte: «Wer bei dieser dramatischen Lage Respekt für Putin einfordert, unterliegt offensichtlich einer falschen Lagebeurteilung.» Die Entbindung von den Führungsaufgaben bezeichnete Otte als «unausweichlich». So endet Schönbachs Ausflug in die Weltpolitik.
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