Schweizer Munitions-WeiterexportDeutscher Botschafter in Bern erhält Druck auf die Schweiz aufrecht
Berlin hofft auf eine schnelle Freigabe von Fliegerabwehrmunition. Diese soll der Ukraine zur Überbrückung dienen, bis Deutschland selbst 35-Millimeter-Munition produzieren kann.
Der Westen erwartet im Frühjahr eine Panzeroffensive Russlands in der Ukraine. Nach längerem Zögern kündigte der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz die Lieferung deutscher Panzer vom Typ Leopard 2 an. Zusammen mit französischen Panzern des Typs Leclerc und amerikanischen Abrams-Panzern sollen die Leoparden die Ukraine in die Lage versetzen, den erwarteten russischen Angriff abzuwehren.
Von der neutralen Schweiz erwartet Deutschland bislang keine Panzerlieferung – weder direkt in die Ukraine noch nach Deutschland zugunsten der Bundeswehr, um dort Panzer zu ersetzen, die in die Ukraine geschickt werden. Die zuständigen Amtsstellen des Bundes haben bisher jedenfalls keine entsprechenden Anfragen erhalten.
Bei einem anderen Punkt erhält Deutschland den Druck auf die Schweiz indessen aufrecht. Nach wie vor möchte Berlin der ukrainischen Armee 12’000 35-Millimeter-Geschosse für den deutschen Flugabwehrpanzer Gepard liefern. Weil diese Geschosse vor Jahrzehnten in der Schweiz gefertigt wurden, benötigt Berlin für den Weiterexport eine Genehmigung aus Bern.
Aufgrund des geltenden Kriegsmaterialgesetzes lehnte die Schweiz im vergangenen Jahr zwei Gesuche Deutschlands ab, die Weitergabe der Fliegerabwehrmunition in die Ukraine zu genehmigen. Die beidseitig unterschriebene Vereinbarung, die Munition ausschliesslich innerhalb der deutschen Bundeswehr zu verwenden, ist nach wie vor rechtskräftig. Die Reaktionen in Deutschland fielen darauf teils geharnischt aus.
Flügger hofft auf Zugeständnis
In der Westschweizer «Tagesschau» bekräftigte der deutsche Botschafter in Bern, Michael Flügger, die Erwartungshaltung Deutschlands. «Wir finden, dass die Schweiz, die so sehr darauf bedacht ist, das Völkerrecht und das humanitäre Recht zu schützen, einen Schritt nach vorne machen sollte, um jenen Ländern die Unterstützung der Ukraine zu ermöglichen, die dazu willens und in der Lage sind.»
Auf die Frage, ob Deutschland in Zukunft kein Kriegsmaterial mehr in der Schweiz einkaufen werde, antwortete der Diplomat, jeder Einkauf erfolge in Deutschland im Rahmen eines Beschaffungsprozesses. Gebe es mehrere gleichwertige Angebote, wähle man jenes, das nicht auch noch an zusätzliche Bedingungen geknüpft sei.
Damit könnte sich Deutschland künftig gegen den Kauf von Schweizer Rüstungsgütern entscheiden, wenn andere Staaten gleich teure und gleich gute Produkte anbieten, die aber keinem Wiederausfuhrverbot unterliegen, wie es die Schweiz kennt.
Warten auf die «Lex Ukraine»
Nach wie vor hofft Deutschland auf eine rasche Freigabe der gut 12’000 Schuss Gepard-Fliegerabwehrmunition. Offenbar dauert der Aufbau einer eigenen Produktionsstätte für die alte Oerlikon-Bührle-Munition länger als geplant. Zu vernehmen ist, dass dafür «altes Ingenieurwissen» gefragt sei, um auch bei neuer Herstellung die Zuverlässigkeit der oft in hoher Kadenz verschossenen Munition zu gewährleisten.
Dem Vernehmen nach wird Deutschland noch mehrere Monate brauchen, um die Munition zugunsten der Ukraine in hohen Stückzahlen produzieren zu können.
Sehr genau verfolgt Deutschland deshalb die politischen Vorstösse der Sicherheitspolitischen Kommission. Im Fokus steht dabei eine sogenannte Lex Ukraine. Dabei soll die Schweiz auf die Nichtwiederausfuhr-Erklärung verzichten, wenn «die Wiederausfuhr des Kriegsmaterials an die Ukraine im Zusammenhang mit dem russisch-ukrainischen Krieg erfolgt». Geht es nach der Kommissionsmehrheit, soll die entsprechende Gesetzesänderung bereits am 1. Mai in Kraft treten und bis Ende 2025 befristet sein.
Ob der Kommissionsvorstoss bereits in der Frühjahrssession im Eilverfahren durch beide Räte gepaukt wird, ist bislang ungewiss.
Rüstungsindustrie fürchtet um ihren Ruf
Die Schweizer Rüstungsindustrie macht sich wegen des Streits um die Munitionsexporte Sorgen um ihren Ruf. An einem runden Tisch mit Wirtschaftsminister Guy Parmelin sagten Branchenvertreter laut einer Mitteilung, die Verlässlichkeit der Schweiz sei infrage gestellt. Die Schweizer Rüstungsfirmen sehen sich gegenüber ihrer Konkurrenz im Ausland bezüglich Lieferfähigkeit benachteiligt.
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