AfD-ParteispendenDeutsche Ermittler bekommen Kontodaten vom Zürichberg
Das Rätsel um eine 145’000-Franken-Spende an die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel rückt der Lösung näher. Die Staatsanwaltschaft Konstanz darf Transaktionen einer Schweizer Pharmafirma einsehen.
In die deutschen Ermittlungen rund um eine undurchsichtige Geldspende aus der Schweiz an die AfD-Politikerin Alice Weidel kommt nach langem Streit neuer Schwung. In einem Urteil, das heute Mittwoch veröffentlicht wird, lehnt das Bundesstrafgericht in Bellinzona alle Beschwerden gegen ein Rechtshilfeersuchen aus Deutschland ab. Damit bekommt die Staatsanwaltschaft Konstanz nun von ihren Kollegen in Zürich wichtige Dokumente, die darüber Auskunft geben sollen, wer wirklich hinter einem grosszügigen, aber allenfalls illegalen Geldgeschenk an Weidel steckt.
Die damalige Spitzenkandidatin der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) hatte zwischen Juli und September 2017 insgesamt 145’000 Franken erhalten, in 18 Tranchen, grösstenteils zu jeweils 9000 Franken. Das Geld war als «Wahlkampfspende für Alice Weidel» deklariert und stammte von den Konten der Schweizer Firmen PWS Pharma Wholesale International AG und PWS Pharma Wholesale GmbH, die beide einem Apothekenbesitzer vom Zürichberg gehören. Da Wahlkampfspenden aus dem EU-Ausland in Deutschland verboten sind, zahlte die AfD das Geld später fast vollständig zurück.
Die Liste der angeblichen Spender war falsch
Dennoch ermitteln seither die Verwaltung des deutschen Bundestags und die Staatsanwaltschaft in Konstanz – jenem Wahlkreis, in dem Weidel kandidierte. Der Verdacht: Verstoss gegen das deutsche Parteiengesetz. Als diese Zeitung über die Spende berichtete, erklärte der Verwaltungsrat der PWS zuerst, das Geld stamme von einem deutschen Geschäftsfreund, der in Zürich lebe.
Später legte der Zürcher Apothekenbesitzer jedoch nach Aufforderung der AfD eine Liste mit den Namen von 14 angeblichen Spendern aus Deutschland oder EU-Staaten vor. Doch diese Liste sollte offenbar nur als Ablenkungsmanöver dienen. Sie war falsch.
Recherchen von NDR, WDR und der «Süddeutschen Zeitung», die bei den Recherchen mit dieser Zeitung kooperieren, ergaben, dass die Personen auf der Liste lediglich ihre Namen hergaben, aber niemals selbst für Weidel gespendet hatten. Vielmehr scheint das Geld aus dem Umfeld des in Zürich lebenden deutschen Milliardärs Henning Conle zu stammen.
Zürcher Apothekenbesitzer wird zu den Vorwürfen befragt
Die Staatsanwaltschaft Konstanz hat nun die Ermittlungen ausgeweitet: Neu wird auch Begünstigung und versuchte Vertuschung einer Straftat untersucht. Damit hatten die Deutschen auch deutlich bessere Karten beim Rechtshilfeersuchen an die Schweiz. Denn Bedingung für die positive Erledigung eines solchen Ersuchens ist, dass ein vermutetes Delikt in beiden betroffenen Ländern strafbar ist. Eine Wahlkampfspende aus dem Ausland ist in der Schweiz nicht illegal. Begünstigung und Vertuschung sind es hingegen schon.
Damit ergibt sich nun eine knifflige Konstellation: Zur Untermauerung der Vorwürfe der illegalen Politikfinanzierung dürfen die Schweizer Unterlagen nicht verwendet werden, zur Untersuchung der mutmasslichen Vertuschung aber schon.
Zur Befragung des PWS-Pharma-Besitzers waren bei der Zürcher Staatsanwaltschaft III im September 2019 auch zwei Polizisten aus Konstanz angereist. Was sie in der Schweiz zu hören bekamen, durften sie aber vorerst nicht für ihre Ermittlungen gegen Weidel und ihre Partei verwenden. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.
Schweizer Anwalt wirft «Rechtsmissbrauch» vor
Der Zürcher Anwalt des Apothekenbesitzers, Valentin Landmann, wollte mit einer Beschwerde die Auslieferung der Kontounterlagen der beiden PWS-Firmen sowie das Vernehmungsprotokoll verhindern. Landmann warf den deutschen Ermittlern vor, sie hätten den Vorwurf der Begünstigung und Vertuschung nur konstruiert und damit das Recht missbraucht. Ausserdem habe das ganze Verfahren einen «politischen Charakter», weshalb die Schweiz die Rechtshilfe verweigern könne.
Die Bundesstrafrichter konnten diesen Argumenten nichts abgewinnen: Handlungen in Zusammenhang mit unzulässiger Parteienfinanzierung seien keine politischen, sondern «einfache gemeinrechtliche Straftaten». Auch vor dem Bundesgericht scheiterte die Beschwerde: Die Bundesrichter stützten die Argumentation des Bundesstrafgerichts.
Die Staatsanwaltschaft Konstanz teilt mit, dass bis jetzt noch keine auf dem Rechtshilfeweg angeforderten Ermittlungsergebnisse eingegangen seien. Alice Weidel will sich aufgrund des laufenden Ermittlungsverfahrens nicht äussern.
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