Nach dem Tod des RockstarsVor Tina Turners Villa spielen sich rührende Szenen ab
Dutzende Fans und Medienschaffende haben sich vor Tina Turners Anwesen in Küsnacht eingefunden. Mehrere ihrer Bewunderinnen und Bewunderer verdrücken vor Ort einige Tränen.
Am Tag nach Tina Turners Tod rollt der Verkehr vor dem Anwesen in Küsnacht, wo die Sängerin 26 Jahre lang gelebt hat, zäh. Denn viele Autofahrerinnen und -fahrer wollen nicht nur einen Blick in die Einfahrt erhaschen. Sie versuchen auch, das Geschehen vor dem Tor des Château Algonquin mit ihrer Handykamera einzufangen.
Alle paar Minuten erscheinen Fans und Bewunderer vor dem riesigen, schmiedeeisernen Tor der Villa, um sich von der Sängerin zu verabschieden und ihre Wertschätzung für sie auszudrücken. Sie legen Blumen in die Einfahrt, zünden Kerzen oder Räucherstäbchen an, deponieren Karten und Zettel mit Abschiedsworten. Viele wirken nachdenklich und bedrückt, einige weinen. Bereits um 10 Uhr morgens liegt ein kleines Meer aus Blumen entlang der Mauer.
Besucher aus Israel
Manche Besucher kommen aus Küsnacht selbst, andere sind extra von Meilen, Oetwil, Zollikon oder Zürich hergekommen – zu Fuss, mit dem Auto, dem Zug oder per Fahrrad. Unter den Anwesenden befinden sich auch Personen aus dem Ausland. Eduard Lobez etwa lebt in Israel und ist gerade auf Besuch bei einem Schweizer Freund. «Her story was amazing», sagt er über Tina Turners Leben.

Empfangen werden die trauernden Fans von ungefähr zwei Dutzend Medienschaffenden. Sie sind aus der ganzen Schweiz und dem nahen Ausland angereist und stürzen sich teilweise geradezu auf die Fans, in der Hoffnung, ihnen das eine oder andere Statement zu entlocken.
Guia Greaves aus Meilen erzählt, wie schön sie es immer fand, «zu wissen, dass Tina Turner hier wohnt». «Sie war ein Teil unserer Gegend.» Die Sängerin habe eine enorme Kompetenz und Power ausgestrahlt und sei gleichzeitig sehr bescheiden gewesen. So habe man den Weltstar in früheren Jahren etwa ganz normal beim Einkaufen treffen können. Besonders beeindruckt zeigt sich Greaves davon, dass Turner trotz schlimmen Erfahrungen in ihrer ersten Ehe nie Hass oder Groll gezeigt habe. «Es gibt Personen, die sind inspirierend. Tina Turner war so eine.»
Lieder geben Kraft
Inspiration ist ein Wort, das an diesem Morgen immer wieder fällt. Viele Frauen und Männer betonen, dass sowohl die Musik als auch die Lebensgeschichte der Sängerin sie motiviert und inspiriert habe.
So auch Lydia Unholz aus Erlenbach. Vor Tina Turners Anwesen wird sie von ihren Gefühlen übermannt. «Ihre Musik begleitete mich mein Leben lang», erzählt sie unter Tränen. In Zeiten, in denen es ihr nicht so gut gehe, würden die Lieder ihr Kraft geben. «Ich halte die Sängerin sehr in Ehren als eine starke Frau, die durch ihre Geschichte vielen Menschen helfen konnte.»
Der Physiotherapeut Zelimir Djordjevic hat sich zwischen zwei Therapien von Zürich nach Küsnacht aufgemacht, um sich von der Sängerin zu verabschieden. «Es beeindruckt mich, dass sie trotz ihrer Bekanntheit normal geblieben ist.» Lächelnd erzählt er, dass er Turner früher immer mal wieder beim Bratwurstessen am Zürcher Sternen-Grill gesehen habe. «Sie hatte keine Allüren.»
Etliche der Besucher wollen wissen, wann die Beerdigung des Weltstars stattfinde. So auch eine junge Ukrainerin, die mit ihrer kleinen Tochter gekommen ist, «um ihren Respekt auszudrücken», wie sie via Übersetzungs-App mitteilt. Stumm und mit Tränen in den Augen legt sie einen Strauss roter Rosen vor das Château Algonquin.
Grosser Verlust
Viele Fans loben die Küsnachterin als grossartige Künstlerin, mit deren Musik sie aufgewachsen seien. Das findet auch Manuela Heyne aus Oetwil. «Ihr Tod ist ein grosser Verlust», sagt sie. «Immer wenn im Radio ein Lied von Tina Turner läuft, drehe ich die Lautstärke rauf.»
Inzwischen lässt jemand die Lieder der Rocklegende auch vor der Villa in Küsnacht laufen. Vorbeifahrende Automobilisten drosseln das Tempo vor der Einfahrt und lassen die Klänge des Megahits «Simply the Best» aus dem Autoradio ertönen.
Ein Gesprächsthema ist am Tag nach dem Tod des Superstars auch die Weihnachtsbeleuchtung, die Turner der Gemeinde Küsnacht 2014 schenkte. Und siehe da: Am frühen Nachmittag hängen im Abschnitt der Seestrasse 180 plötzlich die gespendeten Weihnachtskränze an den Strassenlaternen – eine sichtbare Hommage an die Rock-Queen, die in Küsnacht ihr Glück fand.
«Offen und zugänglich»
Einer, der Tina Turner mehrfach persönlich getroffen hat, ist Küsnachts Gemeindepräsident Markus Ernst (FDP). Er äussert sich ähnlich zur vielleicht bekanntesten Küsnachterin. «Ich habe sie als positive, natürliche Persönlichkeit erlebt. Obwohl sie mit ihrer Musik Millionen von Menschen begeistert hat, blieb sie offen und zugänglich.»
Auf die Frage, wie die Gemeinde Küsnacht damit umgehe, dass in den nächsten Tagen und Wochen wahrscheinlich viele Menschen nach Küsnacht pilgern werden, reagiert Markus Ernst gelassen. «Wir beobachten die Situation natürlich. Wir wollen den Menschen den nötigen Raum geben, ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen. Dabei sollen sie in Sicherheit sein, und der Verkehr soll fliessen können.»
Derzeit präsentiere sich die Situation aber ganz ähnlich wie anlässlich der Hochzeit von Tina Turner mit ihrem langjährigen Partner Erwin Bach, die im Sommer 2013 auf dem Küsnachter Anwesen direkt am See stattgefunden hat. «Es sind mehr Medienschaffende als Fans vor Ort.»
Dazu, ob die Gemeinde längerfristig einen Ort des Gedenkens für die weltberühmte Sängerin plane – sei es eine Strassenbenennung, eine Gedenktafel oder auch ein Museum –, hält er sich bedeckt. «Es ist nicht an der Gemeinde, das zu entscheiden.»
Museum in Stäfa?
Christian Haltner (FDP), Gemeindepräsident von Stäfa, war in den letzten Monaten mehrfach in Kontakt mit Erwin Bach, nachdem dieser im Stäfner Ortsteil Ürikon das Gut Steinfels gekauft hatte. Damals kursierte im Dorf das Gerücht, auf dem exklusiven Landgut direkt am See könnte dereinst ein Tina-Turner-Museum entstehen. Haltner will sich zur Museumsfrage im Moment nicht äussern: «Das ist Sache von Erwin Bach und jetzt ist sicherlich nicht der richtige Zeitpunkt für diese Frage.»
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