Der «Terrorherrscher» in No. 10
Dominic Cummings ist der engste Brexit-Berater von Boris Johnson und gilt als rücksichtsloser Intrigant.
Als Dominic Cummings jüngst an der Seite von Boris Johnson in die Regierungszentrale einrückte, sprachen konservative Politiker in Westminster von ihm halb respektvoll, halb argwöhnisch als die «graue Eminenz» hinter Johnsons Thron. Zwei Wochen später fürchten dieselben Beobachter, dass Cummings in No. 10 eine «Terrorherrschaft» installiert hat. Dass er totale Kontrolle – auch über den Premierminister – ausübt.
In der Tat hatte Johnson den Chefstrategen der Anti-EU-Kampagne von 2016 in diesem Sommer nicht nur als seinen wichtigsten Brexit-Berater, sondern auch als De-facto-Stabschef angeheuert. Cummings, der nicht einmal der Konservativen Partei angehört, soll den Ausstieg Grossbritanniens aus der EU bewerkstelligen sowie parlamentarische Neuwahlen, die offenbar fest einkalkuliert sind.
Alle tanzen nach seiner Pfeife
Bezeichnend war schon die von BBC-Kameras festgehaltene Szene der Ankunft Johnsons in Downing Street: die formelle Begrüssung des neuen Premiers durch artige Topbeamte, während Cummings das Ganze aus dem Hintergrund in Jeans und T-Shirt verfolgte. Seither hat der 47-Jährige, der als einziger krawatten- und überhaupt formlos in No. 10 ein und aus geht, Ministern, Beamten und dem Heer der Ratgeber klargemacht, dass alles nach seiner Pfeife zu tanzen hat.
Seine starke Position hat er dazu genutzt, jedermann wissen zu lassen, die Regierung werde buchstäblich alles tun, um die Nation am 31. Oktober aus der EU zu hebeln. Zu seinem Plan gehört eine für November vorgesehene Unterhaus-Neuwahl, die als populistische Aktion «Volk versus Politiker» inszeniert werden soll, falls sich das Parlament widersetzt.
«Theresa Mays Brexit-Politik war, als stecke man sich einen Gewehrlauf in den Mund und drücke ab.»
Als Aussenseiter galt der in Nordostengland aufgewachsene Cummings schon früh in seinem Leben. Als scharfsinnig, unkonventionell und rücksichtslos ist er seinen Mitstreitern bekannt. Erstmals politisch aktiv war er in der frühen britischen Kampagne gegen eine Übernahme des Euro. 2016 war er das «Gehirn» der Brexit-Kampagne, der Boris Johnson und Michael Gove mit ihrem legendären roten Battle Bus das Gesicht verliehen.
Im Handumdrehen habe Cummings die Fäden in No. 10 an sich gezogen, stöhnen inzwischen alle, die sich von ihm ausbootet fühlen. Ein Tory-Abgeordneter sagte dem Londoner «Guardian»: «Wir sorgen uns, dass der Premier für die ideologischen Pläne von Cummings nur noch eine Fassade darstellt.» Auch Brexiteers, vor allem Veteranen der Anti-EU-Bewegung, trauen Cummings nicht über den Weg. Sie fühlen sich von einem «obsessiven Umstürzler» aufs Abstellgleis geschoben. Cummings hatte den ersten Brexit-Minister David Davis «dumm wie dicke Minze und faul wie eine Kröte» genannt.
Statt an diplomatische Regeln hält sich Cummings lieber ans forsche eigene Urteil. Theresa Mays Brexit-Politik war für ihn immer eine Katastrophe ersten Ranges. Die EU-Mitgliedschaft aufzukündigen, ohne jede Vorbereitung, das sei gewesen, «als stecke man sich einen Gewehrlauf in den Mund und drücke ab». Damit habe May Brüssel alle Macht über die Verhandlungen überlassen. Diesmal soll die Initiative bei London bleiben: «Egal um welchen Preis.»
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