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Familienzwist im Hause Erdogan
Der Schwiegersohn schmeisst hin

In der Versenkung verschwunden: Der bisherige türkische Finanzminister Berat Albayrak.
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Nach dem spektakulären Rücktritt seines eigenen Schwiegersohnes als Superminister für Finanzen und den Haushalt wirkt der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan politisch angeschlagen. Die Opposition spricht schon von einer «Staatskrise». Mitten in der sich seit Monaten dramatisch zuspitzenden Währungs- und Wirtschaftskrise hatte Berat Albayrak als der offiziell für das ökonomische Desaster verantwortliche Minister sein Amt niedergelegt. Und das offenbar ohne Vorwarnung an den Präsidenten und nur mit einer Kurzmeldung über den Social-Media-Dienst Instagram.

Und während Albayrak anschliessend sein Instagram-Konto löschte und zumindest fürs Erste politisch in der Versenkung verschwunden ist, rätseln die mehr als 80 Millionen Menschen in der Türkei nun darüber, ob die Berufung eines neuen Wirtschafts- und Finanzministers sowie eines neuen Zentralbankchefs bedeutet, dass sich das Land endlich von der Niedrigzinspolitik abwenden wird, die türkische und internationale Fachleute für den Auslöser des Währungsverfalls halten. Der wichtigste Befürworter dieser Politik aber ist der als «Zinshasser» bekannte Staatschef Erdogan selbst.

Ein linientreuer Zentralbankchef

Peinlich für Albayrak: Nach seinem Rücktritt und der Ernennung von Lütfi Elvan zum neuen Finanz- und Wirtschaftsminister hatte die türkische Lira, die im Verlauf eines Jahres etwa 45 Prozent ihres Wertes verloren hatte, sofort deutlich zugelegt. Unmittelbarer Auslöser der Krise um die Wirtschaftspolitik, die nun zur politischen Krise werden könnte, war die Berufung eines neuen Zentralbankchefs durch Erdogan.

Albayrak soll von seinem Schwiegervater über die Entlassung von Amtsinhaber Murat Uysal ebenso wenig informiert gewesen sein wie über die Ernennung des Nachfolgers Naci Agbal, einem Linientreuen der Regierungspartei AKP. Offenbar aus Zorn darüber, übergangen worden zu sein – und möglicherweise selbst vor der Entlassung zu stehen –, kam es zum Familienstreit. Erdogan bezeichnete den Rücktritt via Instagram laut der Zeitung «Cumhuriyet» als «frivol und inakzeptabel».

«Türkisch auf Grundschulniveau»

Die äusseren Umstände des Rücktritts waren jedenfalls operettenhaft: Albayrak, der zeitweise als möglicher Nachfolger Erdogans gehandelt worden war, hatte der Öffentlichkeit in seiner Instagram-Message erklärt, dass er sein Amt «aus gesundheitlichen Gründen» abgebe. Der Oppositionspolitiker Ahmet Davutoglu, ein früherer AKP-Ministerpräsident, machte sich über den Instagram-Text Albayraks lustig – es handele sich um «Türkisch auf Grundschulniveau».

Auch die offizielle Reaktion war mehr als peinlich. Die staatstreuen Medien – in der Türkei sind das inzwischen fast alle – schwiegen den Rücktritt fast 24 Stunden lang tot, der Staatschef nahm die Demission erst einen Tag nach dem öffentlichen Rücktrittsgesuch via Social Media offiziell an.

Recep Tayyip Erdogan bezeichnete den Rücktritt seines Schwiegersohns als «frivol und inakzeptabel».

Dies lässt ahnen, welches Durcheinander Albayrak im Präsidentenpalast angerichtet haben muss. Türkische Medien berichten von grösstmöglicher Verärgerung des Präsidenten. Angeblich hatte er eine grössere Kabinettsumbildung geplant. Grund dafür seien neben der Wirtschaftslage und dem Verfall der Währung die derzeit unter dreissig Prozent gesunkenen Umfragewerte der Regierungspartei AKP. Erdogan gerate zunehmend unter Druck durch seine eigenen Partei.

Die Wirtschaft liegt am Boden

Die Oppositionspartei CHP sprach von «einer Staatskrise», und Erdogans früherer Wirtschafts- und Finanzminister Ali Babacan, der die Oppositionspartei Deva führt, sagte der Website «Diken» zufolge, der Staat sei «ausgeschaltet worden». Unter dem Präsidialsystem, das Erdogan errichtet hatte, sei der erste Mann im Staat nur noch Vertreter der Machtinteressen seiner Partei. Die Wirtschaft liege am Boden, das zwinge das Volk in die Armut. Die pro-kurdische Oppositionspartei HDP wurde deutlicher: «Der einzige Dienst, den Erdogan und sein Kabinett dem Land noch tun können, ist, zurückzutreten.» Albayrak hatte auf Instagram erklärt, er wolle nun «mehr Zeit mit der Familie und den Eltern» verbringen. Die Schwiegereltern dürfte er kaum gemeint haben.