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Meinung

Kopf des Tages
Der Schnitzelkönig wird zum meistgehassten Mann Deutschlands

Metzger im Grossformat: Der Unternehmer Clemens Tönnies wurde mit Billigfleisch zum Milliardär.
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Schon der Vater war Metzger, sein Bruder war Metzger, und er selbst ist sein Leben lang Metzger geblieben. Aber was für einer: Die Tönnies-Holding schlachtet jedes Jahr 20 Millionen Schweine, 16’000 Angestellte verarbeiten in 29 Tönnies-Fabriken 850 Tonnen Fleisch pro Tag. Davon wird das meiste fertig verpackt für den Verkauf bei Aldi, Lidl und anderen Discountern, auch in der Schweiz.

Billigfleisch hat Clemens Tönnies reich gemacht: Der Mitbesitzer und Geschäftsführer des Konzerns ist mit 64 Jahren Milliardär. Aber jetzt ist er in Corona-Quarantäne, wie alle 6500 Beschäftigten am Hauptsitz in Rheda-Wiedenbrück, Nordrhein-Westfalen. Mehr als 1300 Metzger, Fleischer und Verpacker sind infiziert, mindestens fünf liegen in der Intensivstation.

Einsatz gegen Corona  in der Fleischfabrik: Soldaten der Bundeswehr auf dem Tönnies-Betriebsgelände.

Der Ausbruch, der grösste in Deutschland nach dem Lockdown, wirft auch politisch hohe Wellen. Armin Laschet, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, bekannt als Befürworter einer schnellen Öffnung, schliesst eine Quarantäne für das ganze Gebiet nicht aus. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte, sein Vertrauen in die Firma sei «gleich null».

Dasselbe gilt für die Discounter, die Tönnies-Fleisch nun aus ihren Regalen nehmen. Nicht zuletzt weil deren Kunden befürchten, mit dem Fleisch das Virus nach Hause zu bringen. Ein Boulevardblatt beeilte sich, den «Schnitzelkönig» gleich zum «meistgehassten Mann» Deutschlands zu erklären.

Was genau für den Ausbruch in der Fleischfabrik gesorgt hat, ist noch unklar. War es mangelnde Hygiene? Waren es die tiefen Temperaturen im Schlachthof, die dem Virus behagen? Oder waren es die Wohnbedingungen der von Sub-Unternehmern zu Tiefstlöhnen angestellten Fleischer aus Rumänien und Bulgarien?

Genau diese in Wohnblöcken virenfreundlich zusammengepferchten Arbeiter sind aber auch die Ursache für Tönnies’ Geschäftserfolg: Ohne sie gäbe es kein Billigstfleisch im Supermarkt. Mit gerissenen Unter- und Unter-Unter-Unternehmern konnte Tönnies, heisst es, die gewerkschaftlichen Lohnuntergrenzen umgehen.

Fürs Erste gab sich Tönnies zerknirscht. Der Konzern stehe in «voller Verantwortung», sagt er. Aber aus seiner Haut kann er nicht: «Wir werden diese Branche verändern», verkündete er gleich darauf. Tönnies betrachtet sich nicht als Problem, sondern als dessen Lösung. Von Rücktritt keine Rede.

Neffe und Onkel im Streit:  Robert (Mitte)  und Clemens Tönnies (rechts).

Das passt. Seit Jahren liegt er mit Robert Tönnies im Streit, dem Sohn seines jung verstorbenen Bruders. Der Grund sind genau die verschachtelten Anstellungsbedingungen der Schlachter. Für Robert sind die problematisch. Seinen Onkel hat er schon mehrfach zum Einlenken und zum Rücktritt aufgefordert. Ohne Erfolg.

Ein anderer Streitpunkt ist das Hobby des Onkels, der FC Schalke 04. Der dümpelt momentan auf dem elften Platz der Bundesliga. Und nach der Corona-Spielpause kann er sich nur dank Finanzspritzen aus dem Tönnies-Imperium über Wasser halten. Seit über 20 Jahren präsidiert Clemens Tönnies den Verein, jetzt werden auch unter den Fans Rücktrittsforderungen laut.

Fussball im Lockdown: Schalke-Präsident Clemens Tönnies als einsamer Zuschauer im Stadion.

Klar, dass gerade jetzt auch noch andere Skandale aus Clemens Tönnies’ Leben an die Oberfläche gespült werden. Etwa eine Rede von 2019, in der er sich abschätzig über Afrikaner geäussert hatte und wofür er sich entschuldigen musste.

Der Titel der Rede, übrigens, lautete: «Unternehmertum mit Verantwortung – Wege in die Zukunft der Lebensmittelerzeugung».