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Für den gescheiterten Sonderermittler
Der Rentner für alle Fälle übernimmt

Ulrich Weder bei seiner Pensionierung vor fünf Jahren. 
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Gibt es irgendwo in der Schweiz eine Spur eines möglichen Justizskandals, dann ist meist Ulrich Weder nicht weit. Der langjährige Staatsanwalt ist zwar seit fünf Jahren pensioniert. Doch Bund und Kantone rufen ihn immer wieder in brenzligen Situationen zu Hilfe. Nun soll der 70-Jährige auch für Recht und Ordnung sorgen, nachdem Stefan Keller als ausserordentlicher Bundesanwalt bei der Untersuchung der Geheimtreffen von Ex-Bundesanwalt Michael Lauber mit Fifa-Chef Gianni Infantino spektakulär gescheitert ist.

Die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) hat Weder übergangsmässig als ausserordentlichen Staatsanwalt in der Sache eingesetzt. Damit bleibt sein Ruhestand unruhig.

Der Zürcher Jurist bearbeitet als Sonderermittler mehr Fälle als mancher ordentliche Staatsanwalt. Meist geht es – wie nun bei Lauber – um heikle Verfahren mit hohen Staatsvertretern als Verdächtigen. Ulrich Weder hat unter anderem eine Zentralschweizer Oberstaatsanwältin per Strafbefehl verurteilt, die im Dienst Unterschriften gefälscht hatte. Er hat das Spitzentrio des Bundesgerichts, das sich abfällig über eine Kollegin vom Bundesstrafgericht geäussert hatte, von strafrechtlichen Diffamierungsvorwürfen entlastet.

Carlos wurde erniedrigt

Und er hat in einer Administrativuntersuchung den Umgang der Zürcher Justizvollzugs mit dem inhaftierten jungen Straftäter Carlos als erniedrigend bezeichnet –aber eine Verletzung von Menschenrechten verneint. Unfehlbar ist Weder dabei nicht: Sowohl beim Spitzentrio des Bundesgerichts als auch bei Carlos sahen Gerichte die Sache anders als er.

Eines kann man Weder – anders als dem wegen Befangenheit abgesetzten Keller – trotzdem nicht vorwerfen: mangelnde Erfahrung als Staatsanwalt. Seit 40 Jahren macht er kaum etwas anderes als Strafverfahren führen. Im Fall Lauber/Infantino bleibt sein Aufgabenbereich vorerst beschränkt, wie die AB-BA schreibt: «Herr Weder wird die Verfahrensakten sichten, entgegennehmen, für die Verfahrensparteien als Ansprechstelle dienen und während der Übergangsphase allenfalls als notwendig erachtete Untersuchungshandlungen vornehmen.»

Ob er die Nachfolge des gescheiterten Keller ganz antritt, muss letztlich die Vereinigte Bundesversammlung entscheiden.

«Absolute Korrektheit»

Nach den Turbulenzen, die der ausserordentliche Bundesanwalt verursacht hat, wäre mit Weder mehr Ruhe garantiert. Der Rentner für alle Fälle gilt als hartnäckiger Staatsanwalt, der Spektakel verabscheut. In einem Porträt anlässlich seiner Pensionierung hatte ihn Strafverteidiger Valentin Landmann als «absolute und unverrückbare Korrektheit» bezeichnet.

Und der damalige Zürcher Justizvollzugschef Thomas Mannhart sagte: «Will man einem Justizkritiker den Glauben an die Gerechtigkeit zurückgeben, so muss man ihm Staatsanwalt Weder vorstellen.»

Gab es während Jahrzehnten im Kanton Zürich eine schwere Bluttat, war er meist nicht weit. Der langjährige Leiter der auf schlimmste Gewalttaten spezialisierten Einheit der Staatsanwaltschaft brachte den «Ökoterroristen» Marco Camenisch wegen des Mords an einem Grenzwächter lange hinter Gitter, und er vertrat die Anklage nach der gemäss seinen Worten von «blankem Hass getragenen Abschlachtung» eines Fluglotsen durch den Angehörigen eines Opfers des Flugzeugabsturzes von Überlingen.

Bei den Geheimtreffen zwischen Bundesanwaltschaft und Fifa muss Weder nicht bei null anfangen. Er hat bereits Vorwürfe gegen den ehemaligen Fussball-Chefermittler Olivier Thormann wegen dessen Treffen mit einem Verbandsjuristen abgeklärt. Er stellte das Verfahren ein, obwohl Thormann in seinen Augen bei gemeinsamen Nachtessen mit dem Fifa-Kadermann die erforderliche Distanz und Unparteilichkeit vermissen liess.

Etwas, was der absoluten und unverrückbaren Korrektheit Weder nicht passieren könnte.