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Der neue Nahostkrieg und die Schweiz
Der Bund soll alle Kontakte zur Hamas abbrechen

Palestinians hold the Palestinian national flag and the flag of the Hamas militant group during a protest by the Dome of Rock at the Al-Aqsa Mosque compound in the Old City of Jerusalem during the Muslim holy month of Ramadan, Friday, April 7, 2023. The Israeli military has struck targets in the Gaza Strip, pushing the region toward a wider conflagration after a day of rocket fire along the country's northern border with Lebanon and southern borders with the Gaza Strip. The fighting follows two days of unrest at Jerusalem's most sensitive holy site. (AP Photo/Mahmoud Illean)

Die Reaktion aus Bern auf den Terrorangriff der Hamas kam rasch. «Die Schweiz verurteilt den Abschuss von Raketen und die Angriffe auf Israel aus dem Gazastreifen», schrieben Bundespräsident Alain Berset und das Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) am Samstagmorgen auf X, vormals Twitter.

Doch mit der Verurteilung des Angriffs ist das Thema für die Schweiz nicht erledigt. Die Schweizer Juden und Israel-Freundinnen fordern, dass der Bund seine Gangart gegenüber der Hamas massiv verschärft.

Die Gesellschaft Schweiz – Israel verlangt konkret, dass die Schweiz die Hamas offiziell zur Terrororganisation erklärt. «So, wie es die EU, die USA und andere Staaten schon lange tun», erklärt die Organisation, die von der Alt-FDP-Nationalrätin Corina Eichenberger präsidiert wird.

Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) sieht es gleich. «Die Schweiz muss die Hamas endlich als das behandeln, was sie ist: eine Terrororganisation», sagt Generalsekretär Jonathan Kreutner.

Alte Forderung, mehrfach abgelehnt

Die Forderung ist nicht neu; mehrfach wurden im Bundesparlament entsprechende Vorstösse debattiert, meist aus den Reihen der SVP. Doch bisher wurden sie immer abgelehnt – zuletzt im Juni 2022 eine parlamentarische Initiative von Lukas Reimann. Für die Forderung votierte jeweils primär die SVP. Dagegen sprachen sich der Bundesrat sowie das Gros aller anderen Fraktionen aus.

«Die Schweiz muss die Hamas endlich als das behandeln, was sie ist: eine Terrororganisation.»

Jonathan Kreutner, Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund

Die Gegner eines Hamas-Verbots bringen vor allem zwei Argumente vor.

Erstens: Die Schweiz kennt keine nationale Terrorliste. Auch andere Terrororganisationen sind formell nicht verboten, etwa die kurdische PKK, die kolumbianische Farc oder die Tamil Tigers. Nur al-Qaida und der IS sind gestützt auf das Nachrichtendienstgesetz verboten, weil sie – wie vom Gesetz verlangt – auch von der UNO verboten wurden. Das ist bei der Hamas nicht der Fall.

Zweitens: Der Bundesrat argumentiert, dass man mit allen Akteuren reden müsse, wenn man vermitteln wolle. Bei den Kontakten mit der Hamas gehe es unter anderem um die Verbesserung «der katastrophalen sozioökonomischen und humanitären Situation» in Gaza, hielt der Bundesrat 2017 fest. «Das Schweizer Engagement zielt damit auch auf die Prävention von gewalttätigem Extremismus.» Und im Parlament erklärte Aussenminister Ignazio Cassis, die Schweiz könne ihre Guten Dienste nicht erbringen, wenn sie nicht den «kritischen Dialog» mit allen Akteuren halte.

Dr. Jonathan Kreutner, Generalsekretär Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund SIG, in seinem Büro in Zürich, 19.4.2023, Foto Dominique Meienberg

Jonathan Kreutner vom SIG sagt, er könne dieses Argument zwar nachvollziehen. Die Hamas vertrete aber eine «zutiefst demokratie-, menschenfeindliche und antisemitische Ideologie». In ihrer Gründungscharta werde zur Tötung von Juden aufgerufen. Zu was diese Organisation fähig sei, habe sie nun mit diesem schrecklichen Terrorangriff bewiesen. Darum sei es falsch, dass sich die Hamas in der Schweiz – anders als in anderen westlichen Ländern – «frei bewegen, Spenden sammeln und ihre Finanzen abwickeln» könne. Spätestens jetzt sei es an der Zeit, dass die Schweiz «endlich klare Zeichen gegen die extremistischen und antisemitischen Haltungen der Hamas sowie gegen terroristische Handlungen setzt».

Was würde sich konkret ändern, wenn die Schweiz die Hamas zur Terrororganisation erklären würde? «Es wäre ein politisches Bekenntnis, dass die Schweiz eine solche Gruppierung in keiner Art und Weise legitimiert», sagt Walter Blum, Zentralsekretär der Gesellschaft Schweiz - Israel. Die bisher vom EDA und vom Bundesrat vorgebrachten Gegenargumente nennt er «legalistisch». Jeden Dialog mit einer solchen Organisation müsse man gut begründen können, und darum sei es richtig, nur im äussersten Notfall mit ihr Kontakt zu haben und nicht als Normalzustand.

Nationalrat Lukas Reimann, SVP-SG, am Mittwoch, 20. September 2023 im Bundeshaus in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)

SVP-Nationalrat Reimann kündigt an, dass seine Partei ihre Forderungen erneut einbringen werde. Aus seiner Sicht könnte die Einstufung der Hamas als Terrororganisation auch praktische Folgen haben. «Die Finanzmarktaufsicht und die Strafverfolgungsbehörden könnten dann auch schärfer gegen finanzielle Aktivitäten der Hamas auf dem Schweizer Finanzplatz vorgehen.» Ob die Hamas Finanzflüsse über die Schweiz abwickelt, ist heute nicht bekannt.

«Gewalt geht nie. Aber Israel ist ein Apartheidstaat.»

Geri Müller, Präsident der Gesellschaft Schweiz - Palästina

Doch es gibt auch Widerstand gegen die Forderung – etwa von der Gesellschaft Schweiz – Palästina, die vom grünen Alt-Nationalrat Geri Müller präsidiert wird. Mit einem Verbot der Hamas könnte die Schweiz ihre gute Verhandlungsarbeit nicht weiter fortführen, sagt Müller. Klar sei: «Gewalt geht nie, auch nicht für Israel.» Allein im letzten halben Jahr seien rund 70 palästinensische Dörfer von jüdischen Siedlern angegriffen worden. Israels rechtsradikaler Finanzminister Bezalel Smotrich erklärte im März öffentlich, die palästinensische Kleinstadt Huwara müsse «ausgelöscht» werden. Zudem, sagt M¨üller, seien im Gazastreifen rund zwei Millionen Menschen eingesperrt auf einer Fläche, die nur wenig grösser als der Kanton Schaffhausen sei. Da müsse man sich nicht wundern, wenn es zu extremen Reaktionen komme. «Israel ist ein Apartheidstaat. Punkt», sagt Müller. Falls die Schweiz die Hamas zur Terrororganisation erklären wolle, müsse sie «auch Israels Staatsterrorismus beim Namen nennen».