Miniatur des AlltagsDer neidische Hund
Nicht nur das Gras beim Nachbarn scheint grüner zu sein, auch das Futter anderer schmeckt besser. Das denkt zumindest mein Hund.
Mein Hund ist Teilzeit-Veganer. Nein, nicht etwa weil ich ihm Fleisch vorenthalte. Er erhält täglich seine zwei Portionen Hundefutter für Karnivoren. Der Hase liegt anderswo im Pfeffer: Der Hund ist neidisch. Auf unsere Hühner. Beziehungsweise auf deren Futter. Und deshalb frisst er es ihnen weg, wann immer sich die Gelegenheit dazu bietet.
Während andere Vierbeiner wertvolle Trüffel erschnüffeln, hat sich unser Hund auf das Aufspüren von gewöhnlichem Hühnerfutter spezialisiert. Dafür wendet er viel Zeit und Energie auf: Er springt über Zäune und verschiebt Gitterkäfige, um an den Napf mit den getrockneten Maiskörnern zu kommen. Er leckt staubtrockenes Legemehl aus den Ritzen der Gartenplatten. Er stürzt sich mit Verve mitten in die Hühnerschar, um dem Federvieh die grünen Erbsen streitig zu machen, als handle es sich dabei um ein zartes Filet.
Ob derlei Kapriolen könnte man fast meinen, der Hund halte sich selber für ein Huhn. Jedenfalls ist er jeweils als Erster zur Stelle, wenn der Lockruf für die Fütterung des Federviehs erschallt. Akribisch durchkämmt er anschliessend die Wiese Zentimeter für Zentimeter, um ja kein Körnchen zu übersehen.
Grundsätzlich wäre das alles kein Problem. Aber eigentlich sollte der Vierbeiner kein Getreide essen. Es bekommt ihm nicht so gut. Deshalb haben wir nun einen Masterplan ausgeheckt: Die Hühnerfütterung findet nur noch unter Begleitschutz statt. Die Körnervorräte liegen verschlossen in einem Safe. Das Hühnerhaus wird mit Alarmanlage und Webcam ausgestattet. Und falls sich der Hund trotz allem wieder an der Körnermischung gütlich tun sollte, stellen wir uns einfach vor, das mache ihn wenigstens zur eierlegenden Wollmilchsau.
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