Ein Schauspieler gegen die MächtigenDer missbrauchte Therapeut
Gabriel Byrne spielte die Hauptrolle in der sorgfältigen Serie «In Treatment». In seiner Autobiografie erzählt der irische Schauspieler von Misshandlungen, die er selber als Bub erleiden musste.
Er hatte es schon vor einem Monat kommen sehen. «Der Wahlausgang wird knapp werden», sagte er voraus. Bidens Vorsprung sei weit enger als angenommen. Von ihm hält Gabriel Byrne genauso wenig wie von den Demokraten. Diese hätten aus den letzten Wahlen immer noch nichts gelernt: «Sie haben schon wieder die Wut der Arbeiter unterschätzt.»
Dass sich im Land mit dem neuen Präsidenten etwas ändern wird, glaubt er nicht. Joe Biden wolle Amerika zu dem machen, was es war. «Aber was Amerika war, hat es zu Donald Trump geführt.» Da Byrne auch von Barack Obama, Ronald Reagan und Bill und Hillary Clinton nichts hält und Martin Luther King als den letzten glaubwürdigen amerikanischen Anführer nennt, wird Biden die Kritik verkraften können.
So heftig wie im Gespräch mit dem «Guardian» erlebt man den 70-Jährigen in seinen Filmen selten. Der irische Katholik, der jahrelang als Geschichtslehrer unterrichtete, wirkt oft wie das Adjektiv, das ihn beschreiben soll und er am meisten hasst: Er sei ein «brooding character», heisst es jeweils, ein grüblerischer Mensch. Man könnte auch sagen: schwer zu deuten und deshalb auch bedrohlich.
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Das kann man erleben bei Byrnes Auftritt als Gangster in «Usual Suspects», dem brillanten Film noir von 1995. Am meisten Lob und Beachtung bekam er aber in der Rolle einer Figur, bei der sich das Grüblerische ins Unergründliche verstärkte: als Psychoanalytiker Paul Weston in der amerikanischen Serie «In Treatment».
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Gabriel Byrne spielt den Therapeuten als äusserlich gelassenen, aber von Ängsten, Sehnsüchten und Verletzungen traumatisierten Mann, der immer mehr die Kontrolle verliert, je näher er mit seinen Patientinnen und Patienten in Kontakt kommt, weil er sich zu sehr mit ihrem Leiden identifiziert.
Dass der Schauspieler die Fragilität seiner Figur nicht nur spielt, zeigt sich in seiner Autobiografie, die eben erschienen ist. Darin erzählt Byrne, wie er von irischen Priestern zusammengeschlagen und jahrelang sexuell missbraucht wurde. Das Trauma verfolge ihn bis heute, sagt er und glaubt, das Schreiben habe ihm geholfen.
«Franziskus hat absolut nichts zu den wichtigen Problemen seiner Kirche getan.»
Auch darum hält er vom jetzigen Papst so wenig wie damals von der Verklärung Obamas. «Franziskus hat absolut nichts zu den wichtigen Problemen seiner Kirche getan», sagt er: Kindesmissbrauch, die Rolle der Frau, die Frage von Scheidung oder Verhütung. Dass die irische Kirche Kindern immer noch mit der Hölle drohe, findet er geradezu obszön.
Umso mehr kümmert er sich um seine 3-jährige Tochter, die mit ihm und seiner Frau auf einer Farm im amerikanischen Maine lebt. Byrne hat aus seiner ersten Ehe mit der Schauspielerin Ellen Barkin zwei erwachsene Söhne.
Was er noch mehr hasst als die Kirche und die Politik, falls das möglich sein sollte, ist sein Arbeitsort: Hollywood. Er sieht die Filmindustrie als verlogene, aufs Geld fixierte, amerikanische Propaganda schleudernde Maschine: «Als ich erfuhr, dass das Pentagon eine eigene Filmabteilung unterhält, ergab vieles für mich einen Sinn.» Der Wahnsinn des Normalen. Wie bei der katholischen Kirche.
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