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Ukraine-Konflikt 
Der Kreml zerstört leise Hoffnungen umgehend

Wladimir Putin hat die separatistischen Regionen Luhansk und Donezk anerkannt – ein möglicher Schritt für einen weiteren Einmarsch russischer Truppen in die Ostukraine.
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Ungeachtet dramatischer diplomatischer Bemühungen, schwindet die Hoffnung, dass der russische Präsident Wladimir Putin noch von einem Angriffsbefehl auf die Ukraine abgebracht werden kann. Eine Anerkennung der selbst ernannten «Volksrepubliken» Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine müsse erwogen werden, sagte Putin am Montag in einer vom Staatsfernsehen übertragenen Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats. Damit reagierte er auf eine Bitte der Anführer der beiden faktisch von Russland kontrollierten Separatistenregionen im Donbass. Die Anerkennung der beiden um Beistand bittenden «Volksrepubliken» gilt als wahrscheinlicher Auftakt zu einem militärischen Vorrücken Russlands gegen die Ukraine (verfolgen Sie die jüngsten Entwicklungen im Liveticker).

«Wir sind zu der Überzeugung gelangt, dass es keine Aussichten für die Abkommen gibt», sagte Putin. In den von Deutschland und Frankreich 2014 und 2015 vermittelten und gemeinsam mit der Ukraine und Russland vereinbarten Minsker Abkommen hatten sich die Konfliktparteien in der Ostukraine zu Schritten verpflichtet, um den Konflikt zu befrieden.

Kreml dementiert Gipfelvorbereitungen

Noch am Sonntag hatte Putin mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron telefoniert und über ein mögliches Gipfeltreffen mit US-Präsident Joe Biden gesprochen. Leise Hoffnungen auf eine diplomatische Beilegung der Krise in letzter Minute zerstörte der Kreml jedoch umgehend wieder, indem er am Morgen danach konkrete Planungen wieder in Abrede stellte. Am Montag wollte noch der deutsche Kanzler Olaf Scholz mit Putin telefonieren, am Donnerstag sollen sich die Aussenminister Sergei Lawrow und Antony Blinken in Genf treffen.

Der Verlauf der inszeniert wirkenden Sitzung des Sicherheitsrats in Moskau liess aber vermuten, dass sich der Spielraum für solche Verhandlungen noch einmal deutlich verringert hat (lesen Sie den emotionalen Appell des ukrainischen Präsidenten). Die Ukraine habe keine Absicht, das Minsker Abkommen zur Befriedung des Donbass umzusetzen, sagte Putins Ukraine-Beauftragter Dmitri Kosak. Die Chefs der Geheimdienste, des Parlaments und des Verteidigungsministeriums und weitere Mitglieder des Sicherheitsrats forderten Putin auf, die «Volksrepubliken» anzuerkennen, um die Bevölkerung dort vor angeblicher Gewalt durch das «Kiewer Regime» zu schützen. Beispiele dafür lieferten russische Medien, die am Montag über ukrainische Angriffe auf die Regionen Luhansk und Donezk berichteten. Auch sollen zwei ukrainische Militärfahrzeuge die Grenze zu Russland überquert haben, wo sie von russischen Truppen zerstört wurden (lesen Sie, wie sich die Ukrainer in Kiew auf eine Invasion vorbereiten).

Wahrscheinlichkeit sinkt Stunde um Stunde

Vor solchen Propagandaaktionen warnen die amerikanischen Geheimdienste seit Monaten in hohem Detailgrad, etwa vor inszenierten Scheinangriffen, um einen Vorwand für eine Invasion zu fabrizieren. Und nun scheint die russische Seite diese Pläne Zug um Zug umzusetzen. Bei den Amerikanern herrschte deswegen am Montag Ernüchterung. Jake Sullivan, Bidens Nationaler Sicherheitsberater, sagte in einem Fernsehinterview: «Die Wahrscheinlichkeit einer diplomatischen Lösung sinkt Stunde um Stunde angesichts der russischen Truppenbewegungen.»

US-Präsident Biden hat das Land in den vergangenen Tagen mit eindringlichen Worten auf einen nahenden Krieg in der Ukraine und dessen Folgen für die USA vorbereitet. Um einen weiteren Anstieg der Energiepreise zu bremsen, sei er unter anderem bereit, die Treibstoffreserven einzusetzen. Er hat zudem die Betreiber kritischer Infrastrukturen und den Finanzplatz bei einem Treffen erneut gewarnt, sich gegen digitale Angriffe von russischer Seite zu wappnen. In den vergangenen Wochen hat die Cybersicherheitsbehörde CISA eine Häufung von Attacken auf US-Firmen festgestellt, vor allem gegen Zulieferer des amerikanischen Militärs.

Biden wird intern angegriffen

Die Republikaner versuchen nun, aus der Ukraine-Krise politisches Kapital zu schlagen. Lange hatten sie den Eindruck erweckt, mit den Demokraten zusammenzuarbeiten, um ein Gesetz mit Sanktionen gegen Russland zu beschliessen. Die Gespräche scheiterten am Freitag, weil die Republikaner einen Teil der Strafmassnahmen sofort in Kraft setzen wollten. An den Folgen ändert das wenig: Biden hat die Kompetenz dazu, zunächst im Alleingang Sanktionen anzuordnen. Er verfolgt eine Politik von Zuckerbrot und Peitsche: Er will den Gesprächsdraht zu Putin offen halten. Darum bereitete er im Gleichschritt mit den Europäern harte Massnahmen vor, betonte aber stets, darauf zu verzichten, falls Russland von einer Invasion der Ukraine absehe. Die Republikaner kritisieren ihn deswegen als unentschlossen und zaghaft. Das ist allerdings etwas scheinheilig: Viele in der Republikanischen Partei, besonders im Trump-Flügel, streben einen Rückzug der USA von ihrer Funktion als Ordnungsmacht in Europa und auf der Welt an.

Nun kommt eine Diskussion darüber in Gang, was Biden Putin anbieten könnte, um einen Krieg in der Ukraine abzuwenden. Bisher versuchte er es mit dem Versprechen nach Sicherheitsgarantieren für Russland: Verhandlungen über die Sicherheitsarchitektur in Europa, etwa über Truppengrössen, mehr Transparenz und neuerliche Abrüstung. Bisher betrachtet Putin das offenbar nicht als genügende Gesprächsbasis.

Einige Stimmen schlagen vor, Putin bei Nord Stream 2 entgegenzukommen. Sie orten einen Hauptgrund für die Auseinandersetzung nicht etwa in der Nato-Erweiterung, sondern in der Konkurrenz auf dem Energiemarkt: Putin sehe die Felle für Russlands staatlich gelenkte Energiewirtschaft davonschwimmen, weil die EU fossile Energieträger stärker reguliert und sich langfristig davon lösen will.

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