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Anklage wegen sexueller Belästigung
Der Held von New York steht vor dem Fall

New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo droht die Amtsenthebung.
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Ganz allein verschanzt er sich jetzt in seiner 40-Zimmer-Villa in Albany, New York, belagert von Fernsehkameras vor den Toren des Anwesens.

Dabei liebte Andrew Cuomo das Bad in der Menge, den engen Kontakt zu seiner New Yorker Familie, wie der Gouverneur seine Wählerschaft nannte. Stets suchte er auch die körperliche Nähe, küsste hier, umarmte dort.

So sei er halt, sagte der demokratische Starpolitiker am Dienstag in einer Videobotschaft, die ihn dabei zeigte, wie er eine ganze Reihe von Menschen küsst und umarmt, von Angela Merkel bis zu Bill Clinton.

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Das eigenartige Video war Cuomos Reaktion darauf, dass ihn die Generalstaatsanwaltschaft von New York auf die Anklagebank setzt. Die Anschuldigungen in ihrem Untersuchungsbericht wiegen schwer: Elf Frauen haben berichtet, wie Cuomo sie sexuell belästigte. Fast alle stammen aus seinem beruflichen Umfeld, darunter eine Polizistin. Mit unangemessenen Fragen nach ihrem Privatleben, Kommentaren, Berührungen habe er sie bedrängt. Einer Frau hat er gemäss Bericht an die Brust gefasst, mehreren an den Po. Die Schilderungen sind detailliert, zum Teil durch Zeugenaussagen belegt und nach Einschätzung der Generalstaatsanwaltschaft glaubwürdig.

Verzweifelte Strategie des 63-Jährigen

Alles Missverständnisse oder falsche Behauptungen, verteidigt sich hingegen Cuomo. Wegen «kultureller» und «Generationenunterschieden» sei er nicht richtig verstanden worden. Zwar entschuldigt sich der Gouverneur auch – aber wirkliche Einsicht zeigt er nicht. Er, der frühere Anwalt und Generalstaatsanwalt von New York, will nichts davon bemerkt haben, dass Frauen sich von ihm belästigt fühlten. Vielmehr wittert er eine politische Verschwörung und fordert die New Yorker auf, sich noch kein Urteil über ihn zu bilden. Ein Gericht solle entscheiden, wer recht habe. Mit dieser verzweifelten Strategie kämpft der 63-Jährige um sein politisches Überleben.

Kaum jemand glaubt jedoch, dass sich Cuomo noch retten kann. Die Demokraten im Parlament des Bundesstaats leiten ein Amtsenthebungsverfahren ein, am Dienstag legte US-Präsident Joe Biden persönlich seinem Parteifreund ans Herz, das Amt niederzulegen.

Vergib nie eine Krise

Es ist der tiefe Fall eines «Helden der Nation», wie Cuomos Sprecher ihren Chef gern preisen. Als die Stadt New York während des Höhepunkts der Corona-Pandemie im April 2020 mehr als 700 Tote pro Tag zählte, lief der Politiker mit seinem sicheren Machtinstinkt zur Höchstform auf, treu seinem Motto «Vergib nie eine Krise». Schon als Hurrican Sandy New York unter Wasser gesetzt hatte, watete er im Lichtkegel einer Taschenlampe durch die Stadt. In der Pandemie setzte sich Cuomo täglich vor die Fernsehkameras. Er schenkte den New Yorkern reinen Wein ein, machte aber auch Mut. Die vom Virus und von Donald Trump verunsicherten Amerikaner waren Cuomo dafür so dankbar, dass sie ihm einen Emmy verliehen.

Schon sahen Kommentatoren Cuomo auf dem Weg zur US-Präsidentschaft und verlangten, er solle anstelle Joe Bidens kandidieren. Es wäre die Krönung einer ohnehin aussergewöhnlichen politischen Karriere gewesen. Andrew Cuomo hatte im jugendlichen Alter von 24 Jahren die Wahlkampagne seines Vaters geleitet, mit Erfolg: Mario Cuomo war elf Jahre lang Gouverneur von New York.

Einer aus dem innersten Machtzirkel

Andrew, das älteste von fünf Kindern, tat alles, um in die Fussstapfen des Vaters zu treten. Seine Heirat mit einer Tochter von Robert F. Kennedy, dem Bruder von John F. Kennedy, dehnte sein Beziehungsnetz im Machtzentrum der Demokratischen Partei aus. 1993 holte Bill Clinton Andrew Cuomo in seine Regierung. Von seiner Frau ist Cuomo inzwischen geschieden, doch seiner starken Stellung in der Partei tat das keinen Abbruch. Auch heute noch zählt Cuomo Clinton zu seinen engen Freunden, mit dem er sich gern über Zigarren unterhalte.

Der Einsatz für Obdachlose trug Cuomo als Minister für Wohnungspolitik weitherum Anerkennung ein und machte ihn zu einer nationalen politischen Figur. Trotzdem scheiterte Cuomo 2002 bei einem ersten Anlauf, Gouverneur von New York zu werden. Stattdessen wich er auf das Amt des Staatsanwalts aus, das er als Trittbrett nutzte, um die Wahl 2010 zu schaffen. Für seine Amtsführung erhielt der pragmatische Linke viel Lorbeeren. Cuomo tat das Seinige, damit das Scheinwerferlicht richtig auf ihn fiel: Er rief Journalisten gern auch persönlich an, um sie für kritische Artikel zu schelten. Beraten liess er sich von seinem Bruder Chris Cuomo – einem Aushängeschild von CNN.

Vier Untersuchungen laufen

Inzwischen ist der Lack jedoch ab. Das Parlament des Bundesstaats untersucht neben dem Belästigungsverdacht drei weitere Vorwürfe gegen Cuomo. Während der Pandemie hatte der Gouverneur Covid-Kranke in Alters- und Pflegeheimen behandeln lassen und dabei die Todeszahlen beschönigt. Zudem habe er Staatsangestellte an seinem privaten Buch arbeiten lassen, einem Lehrstück über Führung während der Corona-Krise. Cuomo erhielt dafür einen lukrativen 4-Millionen-Dollar-Vertrag, den das Parlament ebenfalls unter die Lupe nimmt.

Das sind wohl zu viele Krisen, als dass sie Cuomo als Chance nutzen könnte – zumindest nicht für seine politische Karriere.

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