Eskaliert das Formel-1-Duell bei Red Bull?Der Feind im eigenen Team
Gut gegen Böse, Sympath gegen Unsympath: Beim teaminternen Zweikampf zwischen Sergio Pérez und Max Verstappen geht es um viele Emotionen. Und eine üble Vorgeschichte.
![Gute Laune beim PR-Termin: Sergio Pérez und ein langhaariger Max Verstappen lächeln für ein Selfie im Fahrerlager von Australien – doch hinter den Kulissen brodelt es.](https://cdn.unitycms.io/images/5gaIrrQeKsYBvtSetJsX2I.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=1SInyP-s3GI)
Oft sind es die kleinen Gesten, die etwas Grosses sagen. Und von diesen gab es beim letzten Formel-1-Grand-Prix in Saudiarabien so einige.
Dass sich Max Verstappen vor der Siegerzeremonie in den Sessel des Gewinners setzt, obwohl er Zweiter geworden ist? Dass das ganze Red-Bull-Team Sergio Pérez euphorisch feiert, während Papa Jos Verstappen mit versteinerter Miene mittendrin im ganzen Tumult steht, keine Regung zeigt und erst dann mit dem Sieger abklatscht, als dieser ihn beinahe dazu genötigt hat? Dass Pérez mit ironischem Unterton ein «Ah, grossartig!» in den Funk stösst, als er hört, dass ihm sein Teamrivale in der allerletzten Runde noch die schnellste Zeit weggeschnappt hat?
Das alles deutet darauf hin, dass es nicht ganz so harmonisch zugeht im Weltmeister-Rennstall, wie Teamchef Christian Horner das gerne hätte und auf entsprechende Fragen auch herunterleiert. Kann es ja gar nicht. Zu sehr fahren die beiden Red-Bull-Piloten in einer eigenen Liga, sie haben nur sich als Gegner. Und: zu vorbelastet ist ihre Geschichte.
Dabei schien Pérez der perfekte Zudiener für den Jungstar zu sein, als er 2021 zu den Österreichern stiess. Nichts war besserer Beleg dafür als das Finalrennen in jenem Jahr in Abu Dhabi.
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In einem aufreibenden, risikoreichen und faszinierenden Hühnerhaut-Duell mit Lewis Hamilton schlug der Mexikaner nach Überholmanövern des Rekordweltmeisters immer wieder zurück und trieb den Briten, der als WM-Führender in den Wüstenstaat gereist war, zur Verzweiflung. Das tat er so lange, bis Verstappen aufgeschlossen hatte und das verrückte Finale mit Verstappens totalem Triumph in der letzten Runde beginnen konnte. «Eine Legende» nannte ihn der Niederländer hinterher. Grundstimmung bei Red Bull: Freudentaumel.
Der vielsagende Tweet – schnell gelöscht
Davon ist nicht mehr viel zu sehen in diesen Tagen vor dem dritten Rennen der Saison in Australien. Pérez und ein Verstappen mit einer blonden Perücke auf dem Kopf mögen bei einem Werbeanlass eines australischen Streamingdienstes zwar gemeinsam herumalbern und in die Handykamera lächeln, doch keine Maskerade kann die Anspannung überdecken.
Pérez hat mit seinem Sieg in Saudiarabien Selbstvertrauen gewonnen und das Gefühl, es in diesem Jahr mit dem pfeilschnellen Kontrahenten aufnehmen zu können. Dass er keine Lust mehr hat, nur der «Wingman» zu sein, der Flügelmann, der seinen Teamkollegen zum Titel führt, machte Pérez danach deutlich, als er via Twitter schrieb: «Ich möchte ein Champion werden.» Dass die Nachricht schnell wieder gelöscht wurde, zeigt, wie sehr darauf geachtet wird, nicht zusätzlichen Zündstoff zu liefern für das ohnehin schon aufgeladene Duell der vielleicht unterschiedlichsten Teamkollegen der Formel 1.
Auf der einen Seite der höfliche 33-jährige Mann aus Guadalajara, der immer an das grosse Ganze denkt, für das Team fährt, bei dem er gerade unter Vertrag ist. Auf der anderen Seite der 25-jährige Heisssporn, geboren in Belgien, der in erster Linie an sich selber denkt, sich noch nie allzu viel sagen liess und geflissentlich auch interne Vorgaben missachtet, wenn es ihm hilft. Darunter leidet nicht selten sein Kompagnon.
Verstappen verweigert Pérez die Hilfe
Als es 2022 für Pérez noch darum ging, WM-Rang 2 hinter Verstappen zu holen und Red Bull damit einen Doppelsieg in der Fahrerwertung zu ermöglichen, ignorierte der Niederländer beim Grand Prix von Brasilien die Funksprüche ganz einfach, die wieder und wieder in sein Ohr drangen. Er hätte Pérez in der letzten Runde vorbeilassen sollen. Tat er nicht. Teamverständnis à la Verstappen.
Der sonst so anständige Pérez, dem am Ende drei Punkte fehlten zu Charles Leclerc auf Platz 2, sagte: «Das zeigt, wer er wirklich ist. Nach allem, was ich für ihn getan habe, bin ich natürlich enttäuscht.» Und sein Rivale? Der sprach davon, seine «Gründe» zu haben – «und ich stehe dazu».
Offenbar soll ein seltsamer Unfall von Pérez im Qualifying von Monaco der Auslöser für Verstappens Retourkutsche gewesen sein – der Weltmeister konnte so keine letzte schnelle Runde mehr drehen und startete nur als Vierter, direkt hinter Pérez. Verstappen und seine Familie erfasste nach dessen verweigerter Stallorder ein Schwall an Drohungen und Hassnachrichten. «Alles, was ich gelesen habe, war ekelhaft – erst recht, als man anfing, meine Familie zu attackieren», sagte der Angegriffene. «Wenn man ein Problem hat mit mir, ist das in Ordnung. Aber dass meine Schwester mir schreibt, es werde ihr zu viel und ich müsse etwas unternehmen, ist inakzeptabel.»
Das Bild dieses Duells ist in der Öffentlichkeit längst gezeichnet: Gut gegen Böse, Sympath gegen Unsympath, Anständigkeit gegen Unflätigkeit. Verstappen scheint wenig daran zu liegen, etwas an seinem Image zu ändern.
Wieder ignoriert Verstappen Funksprüche ganz einfach
Jedenfalls sorgte er mit seiner schnellsten Runde in Saudiarabien wieder für Aufregung. Als er seine Aufholjagd von Startplatz 15 auf Rang 2 geschafft hat, hinter Pérez herfährt und diesem nicht näher kommt, werden die beiden Piloten von ihren Ingenieuren angewiesen, konstante Rundenzeiten von 1:33 Minuten zu fahren. Pérez stimmt zu, Verstappen schweigt. Auch noch beim vierten Funkspruch derselben Art.
Später sagt er dann doch noch etwas: «Was ist die schnellste Runde?» Er bekommt zu hören: «Darüber machen wir uns im Moment keine Gedanken, Max.» Seine Antwort: «Ich schon.» 24 Sekunden ist es danach ruhig, bis ihm die Zeit doch noch durchgegeben wird: «Es ist eine 1:32,1.» Letzte Runde: Verstappen fährt 1:31,906 Minuten und holt den Zusatzpunkt für die schnellste Zeit, womit er in der WM-Wertung einen Punkt vor Pérez bleibt.
Im «Cooldown-Room», dort, wo sich Verstappen in den Sessel des Siegers setzt, beruhigen sich dann die Gemüter nicht so, wie es der Name des Raums vorsieht. Es beginnt damit, dass Verstappen den drittplatzierten Aston-Martin-Piloten Fernando Alonso abklatscht und ihn «Kumpel» nennt, während er Pérez nicht beachtet. Bis dieser fragt: «Bist du noch die schnellste Runde gefahren?» – «In der letzten Runde, ja.» – «Haben sie dir nicht gesagt, du sollst konstant fahren?» – «Doch, aber dann habe ich gefragt, was die schnellste Zeit ist, und die war vielleicht eine Zehntel oder so schneller als unsere Vorgabe.» In Wirklichkeit war sie fast eine Sekunde schneller, weshalb Verstappen am Ende mächtig aufs Gas trat.
Helmut Marko, der Motorsportchef bei Red Bull, sagte: «Das konnten wir nicht kontrollieren. Das ist Max.» Dieser hat schon einmal den Ton gesetzt, mit dem in diesem Duell gekämpft wird. Es ist ein ziemlich rauer.
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