Nachruf auf Folksänger Sixto RodriguezDer Elvis Südafrikas – doch davon ahnte er nichts
In Südafrika war er Kultmusiker und Held der Apartheid-Gegner, ohne es zu wissen. Die erstaunliche Geschichte von Sixto Rodriguez, der durch den Dokfilm «Searching for Sugar Man» weltberühmt wurde.
Popkarrieren nehmen erstaunliche Verläufe. Erfolg und Ruhm sind notorisch unzuverlässige Gesellen, und gern hängen sie auch noch von Dingen ab, die niemand in der Hand hat – Zeitgeist, üblen Musikmanagerlaunen, dem puren Glück, im richtigen Moment am richtigen Ort zu sein. So erstaunlich allerdings wie die Karriere des amerikanischen Folksängers und Songwriters Sixto Rodriguez verlaufen dann doch die wenigsten.
Geboren 1942 in Detroit als Sohn einer mexikanischen Einwandererfamilie, schlägt er sich nach der Highschool als Kneipenmusiker durch, bevor er Mitte der Sechziger entdeckt wird und seine erste Single «I'll Slip Away» aufnimmt. Er wird als neuer Dylan gehandelt. 1970 erscheint sein Debütalbum «Cold Fact», 1971 der Nachfolger «Coming From Reality». Trotz guter Kritiken verkaufen sich beide schlecht, das Label Sussex kündigt den Vertrag und Rodriguez zieht sich aus dem Musikgeschäft zurück, arbeitet als Sozialarbeiter und auf dem Bau.
Im international isolierten Südafrika werden seine Songs «I Wonder» oder der «Establishment Blues» im Laufe der Siebziger bei den meistens jüngeren weissen Apartheid-Gegnern allerdings zu Hymnen ihres Protests gegen das Regime – ohne dass Rodriguez davon erfährt. Unter den südafrikanischen Fans gilt es als sicher, dass er sich in den Siebzigern irgendwo auf der Bühne erschossen habe.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Seine beträchtliche Popularität in Australien – der Hit «Sugar Man» läuft dort von Mitte 1972 an regelmässig im Radio – bringt ihm zwar zunächst auch kein Geld ein (das sackt natürlich das alte Label heimlich ganz allein ein), ein Veranstalter holt ihn allerdings 1979 für eine Tour ins Land. 1981 kommt er ein zweites Mal, tourt diesmal sogar mit der australischen Rockband Midnight Oil, macht danach aber wieder Schluss mit der Musik, schliesst ein Philosophiestudium ab und kandidiert 1989 in Detroit erfolglos für politische Ämter.
Ein lebenskluger, fast schüchterner Mann
Von seinem Status als Elvis Südafrikas erfährt Rodriguez erst 1998, als ihn ein südafrikanischer Fan aufspürt. Dieser hat sich im Internet auf die Suche nach dem Sänger gemacht – Rodriguez’ Tochter liest davon und meldet sich. Sein Geld verdient Rodriguez zu der Zeit mit Abrissarbeiten und Renovierungen aller Art. Es folgen noch im selben Jahr sechs triumphale Konzerte in Südafrika und bis 2007 viele weitere auf der ganzen Welt.
Der Erfolg hatte ihn wieder eingeholt, aber er war noch lange nicht fertig mit ihm. Der behutsame Remix von «Sugar Man» des DJ und Filmkomponisten David Holmes war 2002 ein kleiner Hit, genauso wie die Wiederveröffentlichung von «Cold Fact» und «Coming From Reality» 2008, die endlich die Wertschätzung und Aufmerksamkeit als zeitlose Folkrock-Klassiker bekamen, die sie längst verdient gehabt hätten.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Seinem Erfolg in Südafrika ging der schwedische Dokumentarfilmer Malik Bendjelloul schliesslich für den Film «Searching for Sugar Man» (2012) nach – und gewann damit 2013 einen Oscar für den besten Dokumentarfilm. Sixto Rodriguez wurde dadurch doch noch international bekannt.
Im Mittelpunkt des filmischen Werks steht die Geschichte der sechs Auftritte in Südafrika. Auf den wackeligen Privataufnahmen und verblassten Fernsehausschnitten im Film aus der Zeit vor und während des ersten Rodriguez-Konzerts in Kapstadt, wo er am 6. März 1998 vor 20’000 Fans tatsächlich auftritt, ist ein freundlicher, lebenskluger, fast ein bisschen schüchterner Mann zu sehen, dem jede Geste der Genugtuung völlig fremd zu sein scheint. Auch auf den Videos von seinen immer umjubelten Auftritten in den letzten Jahren, in denen er fast erblindet war und von seiner Tochter auf die Bühne geführt werden musste, ist das nie anders.
«Die Realität kam dazwischen»
Der Zeitung «Detroit News» sagte er 2008 in einem Interview: «Es war eine grosse Odyssee. Ich hielt mich all die Jahre eigentlich immer für einen Musiker – aber dann kam halt die Realität dazwischen.» Was für ein Glück, dass zu dieser Realität am Ende auch Songs wie «Crucify Your Mind», «Inner City Blues», «I'll Slip Away», «Street Boy» oder «Cause» gehörten.
Warme, würdevolle Hymnen voller klugem Galgenhumor auf und für all jene verlorenen Seelen, an denen der Erfolg im Leben immer grusslos vorbeigeht: «I make sixteen solid half-hour friendships / every evening», singt er im famosen «A Most Disgusting Song» – ich schliesse sechzehn solide Halbstunden-Freundschaften, jeden Abend. Nun ist Sixto Rodriguez in Detroit gestorben. Er wurde 81 Jahre alt.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.