Regierungskrise in ÖsterreichDer doppelte Kurzzeit-Kanzler
Sebastian Kurz ist erst 35, aber er war schon zweimal Regierungschef – wenn auch nur für jeweils weniger als zwei Jahre. Bilder aus einem politischen Leben, das noch nicht vorbei sein dürfte.
Der zweite Rücktritt
Samstagabend, kurz nach halb acht: Sebastian Kurz, der Bundeskanzler von Österreich, gibt bekannt, dass er zurücktritt. Kurz ist erst 35, aber an diesem Abend endet schon seine zweite Kanzlerschaft – auch diesmal unfreiwillig. Nach den Korruptionsermittlungen, die unter anderem gegen ihn und mehrere enge Gefolgsleute geführt werden, war der Druck zu gross geworden. Insbesondere Kurz' Koalitionspartner, die Grünen, hatten ihm das Vertrauen entzogen. So kam es zum Rücktritt – das heisst aber noch lange nicht, dass Kurz' politische Karriere zu Ende ist.
Kurz wird 1986 in Wien geboren, wächst dort auch auf und beginnt, sich als Jugendlicher in der Jugendorganisation der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) zu engagieren. Im Land bekannt wird er, als er 2009 zum Vorsitzenden der ÖVP-Jugend (Bundesobmann) gewählt wird und im Jahr darauf im Landtagswahlkampf in Wien eine schrille, von manchen als sexistisch betrachtete «Geilomobil»-Kampagne startet.
Der schnelle Aufstieg
Im Jahr 2011 wird Kurz Integrationsstaatssekretär in Österreich, im Dezember 2013 Aussenminister. Mit 27 Jahren ist er damit angeblich der jüngste Aussenminister der ganzen Welt. In der Regierung setzt Kurz nicht nur den sozialdemokratischen Koalitionspartner unter Druck, sondern immer wieder auch seinen Parteichef und Vizekanzler, Reinhold Mitterlehner. Aus dieser Zeit rühren auch die Vorwürfe manipulierter Meinungsumfragen und Bestechung von Zeitungsherausgebern, deretwegen nun ermittelt wird.
Der Parteichef
2017 schmeisst ÖVP-Chef Mitterlehner entnervt hin, Kurz lässt sich nicht nur zu seinem Nachfolger wählen, er schneidet die Partei auch ganz auf sich allein zu. Die altehrwürdige Österreichische Volkspartei wird jetzt zur «Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei».
Der Wahlsieger
Es kommt zu Neuwahlen in Österreich, die den bisherigen Aussenminister am Ende als strahlenden Sieger sehen. Die Kurz-ÖVP holt 7,5 Prozentpunkte mehr und wird zur stärksten Kraft im Nationalrat. Nun ist Kurz am Ziel: Er kann Bundeskanzler werden. Dazu schmiedet er ein Regierungsbündnis mit der rechtspopulistischen FPÖ unter Heinz-Christian Strache.
Das Ende der ersten Regierung Kurz
Als im Mai 2019 das Ibiza-Video veröffentlicht wird, auf dem Strache einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte Staatsaufträge verspricht, wenn sie ihn im Wahlkampf unterstützt, bricht über die ÖVP-FPÖ-Koalition ein Sturm herein. Kurz beendet das Bündnis – nach gerade mal eineinhalb Jahren. Nur wenige Tage später wird er selbst gestürzt, durch ein von der Opposition eingebrachtes Misstrauensvotum im Nationalrat. Bundespräsident Alexander Van der Bellen vereidigt daraufhin eine parteiunabhängige Expertenregierung. Es kommt zu Neuwahlen im Herbst.
Zum zweiten Mal Kanzler
Die Neuwahlen gewinnt die Kurz-ÖVP erneut, sie baut ihren Vorsprung sogar aus. Und Kurz wird Anfang 2020 wieder zum Kanzler gewählt – diesmal von einer Koalition mit den Grünen unter Werner Kogler (rechts). Sie sind es dann, die nach den Hausdurchsuchungen unter anderem im Finanzministerium am Freitag faktisch Kurz' Kopf fordern: Es brauche «untadelige Personen» an der Regierungsspitze.
Der junge Alte und der alte Neue
So erklärt Kurz seinen Rücktritt, diesmal hat er sich 21 Monate im Amt gehalten. Ihm nachfolgen soll der bisherige Aussenminister Alexander Schallenberg (rechts), damit wollen die Grünen die Koalition fortsetzen. Doch seine Karriere als Politiker ist für Kurz damit noch nicht beendet: Er will Parteichef bleiben und Fraktionsvorsitzender im Nationalrat werden. Er zieht sich also aus der Regierung zurück, bleibt aber – so es denn so kommt – ein zentraler Mann der schwarz-grünen Koalition.
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