Kommentar zum NeutralitätsberichtDer Bericht von Cassis landet zu Recht im Papierkorb
Mitten im Ukraine-Krieg will der Bundesrat keine Neutralitätsdiskussion. Das hätte auch Ignazio Cassis realisieren müssen.
Aussenminister Ignazio Cassis wollte Geschichte schreiben. Er wollte dem Bundesrat seinen neutralitätspolitischen Spielraum aufzeigen, innerhalb dessen er Sanktionen erlassen, Waffen- und Munitionsexporte genehmigen und die Nähe oder Distanz zur Nato suchen konnte.
Doch daraus wird nichts. Der Bundesrat hat entschieden, dass der 30 Jahre alte Neutralitätsbericht um Längen besser ist als jenes Papier, das Cassis dem Gremium nach immensem Aufwand samt interner und externer Arbeitsgruppe vorlegte.
«Der Entscheid seiner Kolleginnen und Kollegen und seine Tonalität müssen Ignazio Cassis zu denken geben.»
Der Entscheid seiner Kolleginnen und Kollegen und seine Tonalität müssen Ignazio Cassis zu denken geben. Er erinnert an einen Denkzettel, auch weil sich das Gremium nächstes Jahr offenbar gleich selbst um eine Auslegeordnung der aussenpolitischen Strategie kümmern und dabei auch über die Schweizer Neutralitätspolitik diskutieren will. Cassis fehlte jegliche Unterstützung.
Dass der Bundesrat aktuell an einer Neudefinition der Neutralität kein Interesse hat, ist nachvollziehbar. Es macht keinen Sinn, mitten im Krieg in der Ukraine die Grenzen der Neutralität verschieben zu wollen. Auch bleibt Cassis in seinen Vorschlägen zu vage. Seit Kriegsausbruch hat sich der Bundesrat auf einen neutralitätspolitischen Handlungsspielraum verständigt. Für eine grundsätzliche Reflexion darüber sind die Zeiten schlicht zu hektisch. Dazu kommt, dass der Bundesrat die Schweiz angesichts des Ukraine-Kriegs in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik verstärkt in internationale Kooperationen führen will. Eine Neutralitätsdebatte würde ihn dabei nur bremsen.
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