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Meinung

Umstrittenes Vergewaltigungsurteil
Der Aufschrei ist völlig berechtigt

Das Urteil zum Verbrechen an der Elsässerstrasse schlägt hohe Wellen.
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Eine 33-Jährige wurde im Februar 2020 in Basel vergewaltigt. Der Täter wurde letzten Sommer verurteilt, focht das Urteil aber an. Das basel-städtische Appellationsgericht senkte das Strafmass am letzten Freitag zweitinstanzlich. Natürlich ist das Gericht in seinem Spielraum bei der juristischen Bewertung und Bestrafung eingeschränkt. Aber niemand hat die Gerichtspräsidentin gezwungen, bei der mündlichen Begründung des Urteils zu sagen, dass das Opfer «mit dem Feuer gespielt» habe oder «falsche Signale» an Männer aussende. Diese Aussagen der Richterin sorgen für eine derart grosse Empörung, dass sich das Gericht am Donnerstag zu einer Stellungnahme gezwungen sah.

Wie hoch diese Faktoren bei der Urteilsfindung tatsächlich gewichtet wurden, wird sich zeigen, sobald das schriftliche Urteil vorliegt. Der nachträgliche Erklärungsversuch des Gerichts, dass es ihm nicht um eine Disqualifizierung des Opfers, sondern die Beurteilung des Täters gehe, macht diese Aussagen nicht ansatzweise wieder wett. Und ist am Ende auch abweichend von der mündlichen Urteilsbegründung.

Im Umgang mit sexueller Selbstbestimmung muss sich in unserem Justizsystem dringend Grundlegendes verändern.

Dass eine Frau selbst schuld ist, wenn sie vergewaltigt wird, wenn sie einen kurzen Rock trägt oder zu viel getrunken hat, ist eine Einstellung, die von einem kleiner werdenden Anteil der Bevölkerung geteilt wird. Sie ist inakzeptabel. Sie nimmt Täter aus der Verantwortung und schiebt sie den Opfern zu. Es gibt ein Wort dafür: Täter-Opfer-Umkehr.

Genau dieser Logik folgt auch die Basler Gerichtspräsidentin, wenn sie dem Opfer vorwirft, es spiele «mit dem Feuer». Implizit unterstellt sie ihm damit eine Mitschuld. Dass dies Einfluss auf das Strafmass des Vergewaltigers hatte, ist beschämend. Nichts rechtfertigt eine Vergewaltigung.

Aber auch, weil das Gericht mit dieser Täter-Opfer-Umkehr nicht allein dasteht, ist die Debatte darüber so wichtig. Gesetze schweben nicht im luftleeren Raum, sondern werden durch gesellschaftlichen Wertewandel geprägt. Im Umgang mit sexueller Selbstbestimmung muss sich in unserem Justizsystem dringend Grundlegendes verändern.