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Proteste in Beirut
«Den Verantwortlichen sollen die Herzen brennen»

Verzweiflung und Wut: Menschenmenge beim Macron-Besuch in Beirut.
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Als erster hochrangiger ausländischer Besucher ist Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in den Libanon gereist – im Gepäck Hilfszusagen, aber auch eine klare politische Botschaft. In der weiten marmorgekachelten Halle vor den Besprechungsräumen des libanesischen Präsidenten Michel Aoun gibt er ein kurzes Statement ab, nach einer Stunde hinter verschlossenen Türen.

Die Spitzenpolitiker des Landes stehen hinter dem Gast aufgereiht wie Schuljungen und hören Macron zu wie bei einer Strafpredigt. Keiner von ihnen ergreift selbst das Wort, wie sich bisher auch keiner von ihnen in den Strassen Beiruts der Wut der Bürger gestellt hat.

Macron hingegen hatte zuvor nach seinem Besuch an der Explosionsstelle einen scheinbar spontanen Abstecher in das christlich geprägte Szeneviertel Gemayzeh gemacht, war binnen Minuten von wütenden Libanesen umringt, die «den Sturz des Systems» und «Vive la France» schrien – und mit diesem Jubel für die alte Mandatsmacht Frankreich zeigten, wie sehr sie ihre Regierung verachten.

Im weissen, bald durchgeschwitzten Hemd stellte sich Macron den Tiraden der Bürger, liess Umarmungen über sich ergehen, die seine Bodyguards und die wenigen libanesischen Sicherheitskräfte sichtlich nervös machten. Eine junge Frau sprach direkt zu Macron und sagte: «Bitte geben Sie unserer korrupten Regierung kein Geld mehr.» Macron antwortet unter seiner Gesichtsmaske: «Machen Sie sich keine Sorgen.»

Macron versprach den wütenden Bürgern, ihre Sorgen im Präsidentenpalast zur Sprache zu bringen, sagte, dass die Verantwortlichen für dieses Unglück zur Rechenschaft gezogen werden müssten. Ein «Weiter so» könne es nicht geben. Als Marcon nach seinem Termin im gut gekühlten Präsidentenpalast in einem kurzen Statement diese Wut erwähnte, die er auf den Strassen gespürt hatte, liess sein 43 Jahre älterer Gastgeber Michel Aoun Arme und Schultern hängen.

Die Geschichten der Opfer heizen die Wut in der Bevölkerung weiter an.

Hassan Diab, der als Premier die Regierungsgeschäfte führt, hatte den Präsidentenpalast wenige Minuten zuvor mit versteinerter Miene verlassen. Macrons mit Vorwürfen unterlegte Appelle, die Nothilfe zügig, transparent und effizient zu organisieren, wollte er sich wohl nicht noch einmal vor Publikum anhören. Ihm dürfte die Wut auf den Strassen und in den sozialen Netzwerken genug sein.

Tuchfühlung mit der libanesischen Bevölkerung: Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron in Beirut.

Es sind vor allem die Bilder und Geschichten der Opfer, die diese Wut weiter anheizen. Etwa das Schicksal von Sahar Fares, einer 25-jährigen Feuerwehrfrau, die sich nach der ersten Explosion gemeinsam mit ihren Kollegen in Richtung Hafen aufmachte. Noch vom Einsatzfahrzeug aus schoss die Truppe ein Selfie. Es sollte ihr letztes Bild werden.

Auf ihrer Beerdigung an diesem Donnerstag ist ihr weinender Verlobter, in Anzug und Krawatte, zu sehen. Er wird durch die Menschenmenge getragen, während er über den weissen Sarg streicht. Die beiden wollten im nächsten Sommer heiraten. Zuvor schrieb er einen Brief, der viral ging. Darin wünschte er den Verantwortlichen, dass ihre «Herzen brennen».