Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Landesweite «Hands off!»-Proteste
«Millionen» demonstrieren: Der Widerstand gegen Donald Trump erwacht

Menschenmenge versammelt sich vor dem Washington Monument, Frau hält eine US-amerikanische Flagge. Wolkiger Himmel im Hintergrund.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Mehr als eine halbe Million Menschen demonstrierten gleich am Tag nach der Amtseinsetzung von Donald Trump – vor acht Jahren. Es war eine der grössten Kundgebungen in der Geschichte der Vereinigten Staaten.

Diesmal dauerte es mehr als zwei Monate, bis am Samstag der erste Massenprotest gegen Donald Trumps zweite Amtszeit stattfand. Am Ende einer Woche, die der US-Präsident zur Verkündung seines «Liberation Day» genutzt hatte, der bisher keine Befreiung brachte, wie es der Name verspricht, sondern vor allem rapide fallende Börsenkurse auf der ganzen Welt.

Trumps Zollpolitik, die gerade die Weltwirtschaft auf den Kopf stellt, schien allerdings nur eine Nebensache zu sein, als am Samstag Hunderttausende im ganzen Land auf die Strasse gingen. Die Veranstalter sprachen gar von «Millionen» Teilnehmern bei insgesamt mehr als 1300 Versammlungen. «Hände weg von unseren Bürgerrechten», stand etwa auf einem der Plakate beim ikonischen Obelisk in der Hauptstadt, dem Monument für den ersten Präsidenten, George Washington. Unter dem Motto «Hands off» hatten mehrere linke Organisationen zu den Demonstrationen aufgerufen, einige derselben, die schon in Trumps erster Amtszeit aktiv waren und unter anderem die «Black Lives Matter»-Kundgebungen unterstützt hatten.

Die Forderungen der Demonstrierenden auf der National Mall, dem Park im Zentrum von Washington, spiegelten die Breite von Donald Trumps umstrittenen Erlassen, mehr als 150 sind es bereits. «Hände weg von unserer Demokratie», «Hände weg von den Bundesangestellten», «Hände weg von unseren Körpern» war zu lesen, Reaktionen auf Trumps Angriffe auf das Wahlrecht, die öffentlichen Dienste und Abtreibungen.

Ein friedlicher Protest, doch viele bleiben lieber anonym

Als Freiheitsstatue und Uncle Sam waren Shawna und Mark verkleidet, zwei Navy-Veteranen aus Virginia. Sie hielt die Fackel mit dem Feuer der Freiheit hoch und ein Schild: «RIP Checks & Balances», weil Trump als Präsident versuche, die Gewaltenteilung zu beerdigen. Die Papptafel von Uncle Sam war eine Warnung an Trump: «Nein danke, Don, wir sind nicht Ungarn», wegen der autoritären und russlandfreundlichen Politik in dem osteuropäischen Staat.

Zwei Personen in Kostümen halten politische Schilder bei einer Demonstration. Eine Person trägt ein Freiheitsstatuen-Kostüm mit einem Schild ’R.I.P. Checks & Balances’, die andere ein Uncle Sam-Kostüm mit einem Schild ’No Thanks, We’re Not Hungary’. Im Hintergrund sind weitere Demonstranten zu sehen.

Die beiden hatten an Nato-Übungen teilgenommen, sie hatten Dienst geleistet in Deutschland, Schweden, Italien, in Südamerika. Jetzt schämen sie sich für das Verhalten ihres Präsidenten. «Wir haben genug von dieser Regierung», sagte Mark. «Wir wollen die Rolle der USA weltweit und in unseren Allianzen aufrechterhalten, unsere Versprechungen an unsere Freunde und unsere Stärke.» Den Nachnamen wollten beide lieber nicht angeben, obwohl Mark einwarf, das sei doch ein friedlicher, legaler Protest. Doch Shawna hatte ein mulmiges Gefühl bei dem Gedanken daran, wie forsch die aktuelle Regierung gegen politische Gegner vorgeht. Gegen Abgeordnete, Anwaltskanzleien, Beamte, Lehrer, Professorinnen.

«Elon Musk soll nicht so viel Macht haben»

Aus Furcht vor Repressionen wollte auch ein Softwareingenieur seinen Namen nicht preisgeben. Er war mit einer Gruppe von Freunden aus Arlington auf der anderen Seite des Potomac-Flusses nach Washington gekommen. Zunächst sei er überwältigt gewesen von der Flut von Erlassen von Trump. Jetzt aber erholten sich die Menschen, sie seien wütend. «Ich protestiere dagegen, dass Milliardäre unsere Regierung übernehmen», sagte der junge Afroamerikaner, weisses T-Shirt, Piloten-Sonnenbrille. «Elon Musk sollte nicht so viel Macht haben, er sollte nicht kontrollieren können, wofür der Kongress Geld ausgibt.» Gemeint war das Doge-Projekt des reichsten Mannes der Welt, der als Sonderberater die Verwaltung durchleuchtet und versuchte, vom Kongress bereits bewilligte Staatsausgaben zu stoppen.

Mann hält ein Schild mit der Aufschrift ’We the People’ und einer US-Flagge, während im Hintergrund eine weitere Person ein Plakat mit der Aufschrift ’Elon bought the United States for 44.7B’ trägt.

Diane Green aus Virginia zeigte Verständnis dafür, dass viele Angst haben, sich zu exponieren mit vollem Namen, überhaupt zu demonstrieren. Viele ihrer Freunde seien nicht zu dem Protest gekommen, etwa ein deutscher Freund mit Green Card. Er habe Frau und Kinder, Amerikaner, da wolle er seine Aufenthaltsbewilligung nicht einer Demonstration wegen aufs Spiel setzen. «Schau dich um: Es sind viele ältere Frauen hier, weil sie nichts mehr zu verlieren haben», sagte Green. An dem Protest waren zwar alle Bevölkerungsgruppen vertreten. Doch waren weisshaarige und weisshäutige Menschen eindeutig in der Überzahl – die Stammwählerschaft der Demokraten, die wohl auch Joe Biden noch einmal ihre Stimme gegeben hätte.

«Diese Demonstration wird anderen Mut machen»

Sie hoffe, dass die Protestbewegung breiter werde, sagte Diane Green. «Diese Demonstration wird anderen Mut machen.» Sie hielt mit einer Freundin eine riesige USA-Fahne hoch – auf dem Kopf, ein Signal für eine Notlage. «Wir werden Donald Trump und Elon Musk nicht dazu bewegen, ihre Meinung zu ändern», sagte Green. «Wir zeigen anderen Leuten, was gerade passiert, dass sie aufwachen müssen, bevor es zu spät ist.»

Die Dringlichkeit wollte sich Aiden Garrison nicht erschliessen. Mit rotem Trump-Hut sass er unweit der Proteste auf einer Mauer vor dem Naturhistorischen Museum, umgeben von Klassenkameraden. Alle mit Trump-Hut, das gehört sich so in Hamilton, Alabama, wo die Gruppe herkommt. «Ich habe noch nie eine Demonstration gesehen, darum finde ich es ziemlich cool», sagte der 18-Jährige. «Aber ich verstehe nicht ganz, was der Zweck ist.» Seine Klasse ist auf Abschlussreise, bevor im Mai die High School zu Ende ist.

«Warum können wir nicht einfach eine gute Zeit verbringen hier und uns nicht damit beschäftigen?», fragte Garrison. Er sei von Demonstranten als Idiot und als Dummkopf beschimpft worden. Er, Trump-Wähler aus Überzeugung, habe darauf nur eine Antwort: «Donald Trump ist der Beste im Amt. Das hat er bewiesen.» Und die sinkenden Börsenkurse? «Ich habe nicht alles mitverfolgt, aber es ist halt so, wie es ist. Er hilft sehr viel. Er tut genau, was er sagte.»

Viele Demonstrierende – aber nicht so zahlreich wie 2017

Der Präsident dürfte sich von den Kundgebungen am Wochenende eher nicht vom Kurs abbringen lassen. Wohl waren es Hunderttausende im ganzen Land, die auf die Strasse gingen. In New York füllte der Protestzug 20 Strassenblocks, auch in kleineren Städten wie Louisville, Kentucky, machten Tausende ihrem Unmut Luft. In Washington musste First Lady Melania Trump die Führungen durch ihren Garten hinter dem Weissen Haus pausieren, aus Sicherheitsgründen, wie es hiess.

Wie viele Menschen auf der National Mall aufmarschiert waren, lässt sich dennoch kaum abschätzen. Die Organisatoren hatten eine Bewilligung für 10’000 Teilnehmer eingeholt, 20’000 meldeten sich bis Freitag an. Am Samstag schienen es mehr zu sein. Doch eine Zählung war schwierig, es tummelten sich Scharen von Touristen auf der National Mall, in einer Ecke bekundeten Tausende ihre Solidarität mit Gaza, vor einer anderen Bühne feierten indischstämmige Sikhs in orangen Turbanen und Saris den National Sikh Day. Deutlich wurde nur: Der Widerstand gegen Donald Trump ist erwacht, aber es beteiligen sich bislang nicht annähernd so viele daran wie 2017, als eine halbe Million Menschen, in der Mehrzahl Frauen, über die National Mall in Washington zogen.