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Bergrestaurant in Davos
Keine Schlitten für Juden – jetzt ermittelt die Polizei

Bergstation Pischa
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Bei jüdisch-orthodoxen Touristinnen und Touristen ist Davos sehr beliebt. Doch nun schockiert sie ein Aushang an der Bergstation Pischa. Dort haben die Pächter des Restaurants ein Plakat auf Hebräisch angebracht, wonach Jüdinnen und Juden keine Sportgeräte mehr mieten dürfen. Der jüdische Zürcher FDP-Gemeinderat Jehuda Spielman hat den Aushang auf X (ehemals Twitter) publik gemacht und übersetzt.

Dort steht: «Aufgrund verschiedener sehr ärgerlicher Vorfälle, darunter der Diebstahl eines Schlittens, vermieten wir keine Sportgeräte mehr an unsere jüdischen Brüder. Dies betrifft alle Sportgeräte wie Schlitten, Airboards, Ski und Schneeschuhe. Vielen Dank für Ihr Verständnis.»

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Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) ist entsetzt. Generalsekretär Jonathan Kreutner macht derzeit selbst in Davos Ferien und findet den Aushang «schockierend und klar diskriminierend». Hier werde vom Verhalten Einzelner auf eine ganze Gruppe geschlossen. Nun will der SIG eine Strafanzeige wegen Verletzung der Strafnorm gegen Rassimus einreichen. «Solche Pauschalisierungen gehen zu weit», so Kreutner.

Er hat am Sonntagnachmittag vom Aushang erfahren. Der SIG-Generalsekretär reist seit vielen Jahren nach Davos – aus Familientradition. Doch nun sagt er: «Ich verstehe, wenn sich gewisse Leute in Davos nicht mehr willkommen fühlen.»

Die Kantonspolizei Graubünden hat bereits Ermittlungen aufgenommen. Es bestehe der Verdacht auf Diskriminierung und Aufruf zu Hass, erklärte deren Medienstelle gegenüber der Nachrichtenagentur SDA. Die Polizei braucht die Anzeige nicht abzuwarten, weil es sich um ein Offizialdelikt handelt.

«Nichts mit Glauben zu tun»

Das Bergrestaurant Pischa rechtfertigte sich vorerst in einem schriftlichen Statement. «Es ist leider absolut kein Einzelfall, das sind tagtägliche Erfahrungen, die wir machen mussten.» Es gebe jüdische Gäste, die in Strassenschuhen Schlitten mieten wollten, diese dann aber auf der Piste stehen lassen würden und den Rettungsdienst alarmierten, obwohl sie nicht verletzt seien. «Wir wollen das Risiko nicht mehr tragen, dass irgendwann einer dieser Gäste einen schweren Unfall baut und uns dafür zur Rechenschaft zieht.»

Es sind aber nicht nur Sicherheitsbedenken, die das Bergrestaurant Pischa zu einem solchen Aushang bewogen haben. Der Betrieb macht auch darauf aufmerksam, dass einige Schlitten und Airbords nicht mehr zurückgegeben würden – oder defekt. Überdies würden «die besten Plätze auf der Terrasse oder im Restaurant mit Picknickern bevölkert».

Dies führte die Verantwortlichen des Restaurants zum Schluss: «Wenn sich gewisse Touristengruppen nicht an die minimalsten Anstandsregeln im Gastland halten wollen, ist das ihr Problem. (…) Dass wir ihnen dann nichts mehr vermieten wollen, hat nichts, aber auch gar nichts mit Glauben, Hautfarbe oder persönlichen Neigungen zu tun, sondern nur damit, dass wir keine Lust mehr haben auf diese täglichen Diskussionen und Reibereien.»

Inzwischen hat der Pächter den hebräischen Aushang wieder entfernt und durch einen deutsch geschriebenen ersetzt, wonach es fürs Mieten der Sportgeräte wintertaugliche Kleider und Schuhe braucht. Gegenüber «Blick» entschuldigte er sich für den «falsch formulierten» ursprünglichen Aushang.

«Wir distanzieren uns von diesem Aushang»

Es ist nicht das erste Mal, dass Davos für Schlagzeilen im Umgang mit den jüdisch-orthodoxen Gästen sorgt. Im letzten Sommer stoppte der Direktor von Davos Klosters Tourismus, Reto Branschi, ein Dialogprojekt mit dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund, das für gegenseitiges Verständnis zwischen jüdischen Touristen und Einheimischen sorgen sollte.

Eine Gruppe von Gästen habe keinen Respekt vor den Gepflogenheiten im öffentlichen Raum und lehne es ab, sich das erklären zu lassen, so Branschi damals. Konkret monierte er Littering, das Missachten von Fahrverboten und das Zertrampeln nicht gemähter Wiesen. Dies ziehe den Unmut von Einheimischen, Gastgebern und anderen Gästen auf sich.

Den hebräischen Aushang an der Bergstation Pischa findet Branschi aber falsch. «Das ist nicht im Sinn der Destination Davos Klosters. Wir distanzieren uns von diesem Aushang», so der Tourismusdirektor.

Auch Landammann Philipp Wilhelm (SP) stellt den Einzelfall in Relation: «Die Gemeinde Davos verurteilt entschieden alle rassistischen und antisemitischen Aussagen und Aktivitäten. In Davos treffen sich seit bald 150 Jahren Menschen mit ganz unterschiedlichen kulturellen und religiösen Hintergründen.» Hier seien alle Menschen willkommen. «Für betriebliche Herausforderungen finden die allermeisten touristischen Leistungsträger sinnvolle und verhältnismässige Lösungen. Bei Sportgerätevermietungen beispielsweise durch das Erheben einer Depotgebühr», so Wilhelm.

«Eine völlig neue Dimension»

Tourismusdirektor Branschi kündigte im vergangenen September an, eine Taskforce mit dem SIG zu bilden. Daraus wurde aber laut Jonathan Kreutner nichts: «Von Taskforce kann keine Rede sein. Es läuft jedoch eine Mediation, bei der auch mit uns Gespräche geführt werden.» Der SIG-Generalsekretär fragt sich freilich, «wie gross der Wille in Davos ist, die jüdische Gästegruppe willkommen zu heissen». Der Aushang an der Bergstation Pischa sei nun «eine völlig neue Dimension».

Gemäss Tourismusdirektor Branschi ist die Taskforce sehr wohl tätig geworden. Deren Leitung habe zuerst sehr viel aufarbeiten müssen. Nun seien mögliche Daten für weitere Gespräche definiert worden. Der Dialog gehe also weiter. Vorfälle wie der Aushang des Bergrestaurants Pischa würden den Austausch nicht einfacher machen. «Sie zeigen aber auch, dass der Dialog unbedingt nötig ist.»

«Bitte duschen Sie, bevor Sie den Pool benutzen»

Einen solchen Dialog gab es auch in Arosa, wo 2017 ein Plakat für Aufregung sorgte. «An alle jüdischen Gäste», schrieb die Abwartin einer Ferienunterkunft auf Englisch. «Bitte duschen Sie, bevor Sie den Pool benutzen.» Darauf intervenierte sogar das israelische Aussenministerium. Die damalige stellvertretende Ministerin sprach von einem «antisemitischen Akt der übelsten Sorte.»

Wie Davos ist auch Arosa eine beliebte Destination bei strenggläubigen Juden. Hier finden sie koscheres Essen und auf sie zugeschnittene Angebote. Markus Berger, Mediensprecher bei Schweiz Tourismus, bedauert Plakate wie in Pischa oder Arosa. «Das sind Einzelfälle, bei denen es an der nötigen Sensibilität fehlt und die allenfalls gar gegen das Gesetz verstossen. Das ist aber nicht typisch für den Schweizer Tourismus. Die jüdischen Gäste kommen sehr gerne in die Schweiz.»