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Ukraine-Blog: Fotos, Fakes und Fragen
Russischer TV-Sender macht aus Puppe ukrainische Leiche

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Russischer TV-Sender macht aus Puppe ukrainische Leiche

«So laufen die Vorbereitungen für die theatralisch inszenierte Militäroperation in der Ukraine», kommentierte der Sprecher des kremltreuen russischen Fernsehsenders Rossija 24 am 7. April einen Videobeitrag, in dem zwei Männer eine Schaufensterpuppe mit Klebeband einwickeln. Einer der Männer trägt einen Tarnanzug, der einer Militäruniform ähnelt, der andere eine grüne Jacke.

«Die beiden Soldaten geben die Puppe offensichtlich als Leiche aus», so die Interpretation aus dem Off. Überraschend sei das nicht, tauchten doch immer wieder Schaufensterpuppen als Leichen in ukrainischen Telegram-Kanälen auf. Der russische TV-Beitrag will also beweisen, dass das ukrainische Militär Schaufensterpuppen zur Inszenierung von Kriegsopfern verwendet.

In den Tagen danach, zur Zeit der Funde massakrierter Zivilisten in Butscha, kursierten zahlreiche Kopien des Videobeitrags in den sozialen Medien, insbesondere in prorussischen Telegram-Kanälen und Twitter-Accounts, wo sie Zehntausende Menschen erreichten. Das Video wurde als Beweis angeführt, dass ukrainische Soldaten Puppen als Kriegsopfer präparierten, um sie später in Städten, in denen Kämpfe stattgefunden haben, zu verteilen.

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Was ist in diesem Video tatsächlich zu sehen? Sind die beiden Männer wirklich ukrainische Soldaten? Und wozu genau wurde die Schaufensterpuppe verwendet?

Der US-amerikanischen Investigativjournalistin Emmanuelle Saliba gelang es, einen Tiktok-Account ausfindig zu machen, der einem gewissen Filip gehört und das Video bereits am 29. März zeigte – mehr als eine Woche vor der Ausstrahlung des russischen TV-Beitrags. Anders als im TV-Beitrag ist darin die originale Audiospur zu hören, in der der Mann, der das Video mit seinem Handy filmt, auf Russisch sagt: «Der arme Kerl wird gleich aus dem Fenster stürzen.» Die Überschrift des Videos auf Filips Tiktok-Account lautete: «Vorbereitung einer Schaufensterpuppe für einen Filmsturz».

Szene stammt aus Filmset

Dank zusätzlicher Informationen auf seinem Tiktok-Account fand Saliba Filips Telefonnummer mittels der russischen Suchmaschine Yandex und schrieb ihm eine Nachricht, in der sie Filip fragte, ob er der Urheber des Videos sei. Filip schrieb kurz darauf zurück und bestätigte, dass er das Video gefilmt habe und dass er an diesem Tag als Schauspieler in einer Fernsehserie arbeitete und Alexander Uwarow, einen bekannten russischen Stuntman, bei der Vorbereitung einer Puppe für eine Action-Szene filmte.

Am Filmset: Alexander Uwarow (2. v. r.) und seine Crew bereiten eine Puppe vor. Bild: Filip

Als Beweis schickte Filip Saliba einen Screenshot von seinem Handy, woraus hervorgeht, dass das Video am 20. März in Wsewoloschsk, einer Stadt ausserhalb von St. Petersburg, gedreht wurde. Saliba konnte den angegebenen Ort sowie das Datum bestätigen, indem sie die Metadaten von Filips originaler Videodatei analysierte.

Geolocation: Wsewoloschsk. Screenshot von Filips Handy

Ausserdem interviewte Saliba per Videocall Nadeschda Kolobaewa, eine weitere Person, die an diesem Tag als erste Regieassistentin auf dem Filmset arbeitete und auf Facebook den TV-Beitrag von Rossiya 24 kritisierte. Auf Kolobaewas Facebook-Profil ist zudem das Video des Sturzes der Schaufensterpuppe zu sehen:

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Auf die Frage, ob im Video ukrainische Soldaten falsche Leichen präparierten, antwortete Kolobaewa: «Im Video zu sehen sind keine ukrainische Soldaten, sondern mein Freund Sascha und sein Assistent Gennadi, wie sie unter der Leitung des Stuntmans Uwarow eine Puppe vorbereiten, indem sie diese mit Klebeband umwickeln.»

Der Vorwurf des kremlnahen TV-Senders, dass ukrainische Soldaten Puppen als Leichen verwenden würden, stellt sich also selbst als Fake heraus. Wie aber konnte sich diese offensichtliche Falschdarstellung so weit verbreiten?

Gut eine Woche nachdem Filip das Video auf seinem Tiktok-Account veröffentlicht hatte, tauchte es zuerst am 6. April im prorussischen Telegram-Kanal Ukr_G_M auf. Einen Tag später greift Rossiya 24 das Video auf, danach ging das Video über prorussische Kanäle viral. Dass Filip, der Urheber des Videos, daraufhin erneut auf Tiktok ein Video veröffentlicht, indem er die Falschdarstellung richtigstellt, wird hingegen weder von Rossiya 24 noch vom Administrator des Telegram-Kanals Ukr_G_M erwähnt.

Philippe Stalder, publiziert am 25. April 2022

Wer ist der britische Soldat in russischer Gefangenschaft?

In prorussischen Kanälen in den sozialen Medien kursieren seit einigen Tagen Videoaufnahmen eines gefangenen Soldaten der ukrainischen Armee. Dabei handelt es sich um Aiden Aslin, einen 28-jährigen Briten aus der Kleinstadt Newark-on-Trent. Aslin trat 2018 den ukrainischen Streitkräften bei.

Aslin dürfte der bekannteste ausländische Kämpfer auf ukrainischer Seite sein - und nun einer der prominentesten Kriegsgefangenen der Russen: Seinen Accounts auf Twitter und Instagram (gesperrt), wo er unter dem Namen «Cossackgundi» aus dem Krieg berichtete, folgen Zehntausende. Der ehemalige Sozialarbeiter gelangte zu grosser Aufmerksamkeit, als er sich 2015 dem kurdischen Widerstand gegen den islamischen Staat in Syrien anschloss. Daraufhin erschienen zahlreiche Artikel in der britischen Presse, Aslin trat auch im Fernsehen auf. Und nun nutzt auch Russland Aslins Bekanntheit in den eigenen Medien.

Aiden Aslin als YPG-Kämpfer in Syrien

Doch die Umstände seiner Gefangennahme und insbesondere seine Interviews, die seither in den staatlich gelenkten Sendern RT und Rossija 1 ausgestrahlt wurden, werfen Fragen auf.

Video vor der Kapitulation

Kurz bevor er in Gefangenschaft geriet, veröffentlichte Aslin ein Video, das ihn vermutlich auf dem Werksgelände von Azowstal in Mariupol zeigt. Darin sagt er: «Wenn ihr das seht, heisst das, dass ich mich ergeben habe.» Seine Einheit habe keine Munition und kein Essen mehr. Sie hätten mit den russischen Truppen Kontakt aufgenommen und würden darauf warten, dass ihre Kapitulation von ukrainischer Seite abgesegnet werde.

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Das wird von russischer Seite als Beleg dafür vorgebracht, dass Aslin ein Mitglied des Asow-Bataillons gewesen sei. Die Einheit wird für Wladimir Putin und seiner Propagandamaschine immer wieder als faschistisch bezeichnet und dient damit als Vorwand für die behauptete russische «Entnazifizierung» der Ukraine. Der Brite Aslin, den seine Freunde und Kampfgefährten «Johnny» nennen, trat aber gar nicht dem Asow-Bataillon, sondern der Marine bei. Ein Foto von 2018 zeigt ihn bei der Vereidigung als Marineinfanterist.

Heute gehören die Soldaten der 36. Marineinfanteriebrigade - neben den Asow-Kämpfern - zu den letzten ukrainischen Truppen, die Mariupol verteidigen. Laut russischen Angaben hatten sich am 13. April rund 1000 Marinesoldaten in Mariupol ergeben. Zwar wurde dies von der ukrainischen Führung dementiert. Doch Aslins Videos lassen die Kapitulation von Marineinfanteristen wahrscheinlich erscheinen. Tags zuvor, am 12. April, erschien auf Aslins Twitter-Account eine Nachricht von ihm: «Wir haben das Beste versucht, Mariupol zu verteidigen, aber wir haben keine andere Wahl, als uns den russischen Streitkräften zu ergeben.»

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Am 13. April, also an jenem Tag, an dem sich 1000 Marinesoldaten ergeben haben sollen, taucht auf Twitter das erste Foto von Aslin in Gefangenschaft auf. Der 28-Jährige sitzt in einem Büroraum auf einem Stuhl, seine Hände sind mit Handschellen gefesselt. In seinem Gesicht sind Verletzungen zu sehen, vor allem ein grosses Hämatom auf der Stirn.

Zwei Tage danach, am 15. April, strahlt der staatlich gelenkte russische TV-Kanal RT ein erstes Interview mit Aslin aus. Wann das Video aufgenommen wurde, ist nicht klar. Anhand der Umstände ist davon auszugehen, dass es kurz nach der Gefangennahme am 13. April aufgenommen wurde: Aslin sitzt im selben Zimmer, trägt dieselbe Kleidung wie auf dem ersten Foto. Auch die Verletzungen im Gesicht sind identisch mit dem Foto. In Westeuropa sind die Kanäle von RT von Youtube wegen der Verbreitung von Falschinformationen gesperrt.

Ein weiteres Interview mit dem gefangenen Aslin erscheint drei Tage später, am 18. April, im russischen Staatsfernsehen Rossija 1. Dort wird auch ein zweiter Gefangener vorgeführt, der 48-jährige Brite Shaun Pinner, der gemeinsam mit Aslin bei der Marineinfanterie kämpfte.

Laut russischen Medienberichten sollen die beiden auf dem Gebiet der von prorussischen Separatisten kontrollierten «Volksrepublik Donezk» befinden. Obwohl beide Briten in einer Einheit der ukrainischen Armee dienten, werden sie in den russischen Medien als «Söldner» bezeichnet, für die das Genfer Abkommen über die Behandlung von Kriegsgefangenen nicht gelte.

Verletzung wird versteckt

Gleichsam als Beweis für diese These wird Aslin im Interview mit Rossija 1 in einem T-Shirt mit dem Abzeichen des Asow-Bataillons gezeigt. Das war in den vorherigen von den Russen gemachten Fotos und Interviews nicht zu sehen. Überdies fällt nun eine Haarsträhne genau so über Aslins Stirn, dass das Hämatom nicht mehr zu sehen ist. Im Interview bittet er den britischen Premier Boris Johnson, sich für einen Gefangenenaustausch einzusetzen: Im Gegenzug für die Freilassung der beiden Briten könnten die Ukrainer den Oligarchen Wiktor Medwedtschuk an Russland ausliefern.

Medwedtschuk ist ein prorussischer ukrainischer Oppositionspolitiker und der Taufpate von Putins jüngster Tochter. Er wurde vor dem Krieg in Kiew wegen des Verdachts des Geheimnisverrats unter Hausarrest gestellt, tauchte unter, wurde aber Mitte April vom ukrainischen Geheimdienst aufgespürt und verhaftet.

Interview unter Zwang gegeben?

Im britischen «Guardian» vermutet ein Freund der beiden gefangenen Briten, dass Aslin und Pinner unter Zwang gesprochen hätten und von der russischen Propaganda missbraucht würden.

Am selben Tag, dem 18. April, postete auch der Brite Graham Phillips auf seinem Youtube-Kanal ein Interview mit Aslin. Phillips bezeichnet sich selbst als «unabhängiger Journalist», ist jedoch in der Ukraine seit 2014 wegen des Vorwurfs der prorussischen Propaganda Persona non grata. Er arbeitete unter anderem für den staatlichen Sender Russia Today (heute RT) und berichtet seit Kriegsbeginn nun aus der Ukraine auf der Seite der russischen Truppen.

Journalist leugnet Massaker in Butscha

Phillips’ Youtube-Kanal hat 272’000 Abonnenten. In seinen seit Kriegsbeginn gedrehten Videos will der Brite «Provokationen von westlicher und ukrainischer Seite» entlarven. So berichtete er am 5. April aus der russisch besetzten Region Tschernihiw von russischen Soldaten, die humanitäre Hilfe leisten und sich «absolut professionell und würdevoll verhalten» würden, auch wenn die Kamera nicht mitfilme. Phillips folgert daraus: Dass russische Soldaten im 200 Kilometer entfernten Butscha Gräueltaten begangen haben sollen, sei «von der Logik her absolut widersprüchlich».

Im Youtube-Interview mit Aiden Aslin stellt Phillips nicht nur Fragen, er legt dem Gefangenen die Antworten in den Mund. Und Aslin stimmt zu: Ja, er gebe dieses Interview freiwillig, ja, er werde gut behandelt. Und ja, das Verhalten der Ukrainer sei mit jenem der Nazis vergleichbar. Aslin ist dabei in Handschellen.

Tags darauf, am 19. April, veröffentlicht Aslins Familie in Grossbritannien ein Statement und lässt es über den Twitter-Account des britischen Abgeordneten Robert Jenrick verbreiten: Darin stellt die Familie fest, dass Aslin seit vier Jahren bei der ukrainischen Marineinfanterie diente und weder ein Söldner noch ein Spion sei. Dass der Gefangene nun unter Zwang sprechen müsse, mit deutlich sichtbaren physischen Verletzungen, sei «zutiefst verstörend». Die Verwendung von Videos und Fotos von Kriegsgefangenen für Propagandazwecke, so Aslins Familie, sei ein Bruch der Genfer Konvention «und muss sofort aufhören».

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Hannes von Wyl und Bernhard Odehnal, publiziert am 22. 4. 2022

Ausharren im Stahlwerk – die Lage der letzten Verteidiger Mariupols

Heute Morgen verkündete Wladimir Putin den Sieg über Mariupol: Die ukrainische Hafenstadt sei erobert, stellte der russische Präsident im Gespräch mit seinem Verteidigungsminister Sergei Schojgu fest. Das sei ein «grosser Erfolg».

Gleichzeitig erteilt Putin seinem Minister die Anweisung, das riesige Gelände des Stahlwerks Azowstal nicht weiter anzugreifen, sondern so abzuriegeln, dass «nicht einmal eine Fliege entkommen kann». Der Verteidigungsminister antwortet mit einem knappen: «Jawohl.» Das Video und die Abschrift von dem Gespräch zwischen Putin und Schojgu wird auf der Website des Kreml um 9 Uhr mitteleuropäischer Zeit online gestellt.

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In der wichtigsten verbliebenen Festung Mariupols sollen sich rund 2000 ukrainische Streitkräfte der Marine, des ultranationalistischen Azow-Bataillons sowie Mitglieder der internationalen Fremdenlegion verschanzt haben. Gemäss ukrainischen Angaben sollen sich auch Hunderte Zivilisten, darunter Frauen und Kinder, auf dem Gelände befinden.

Videos zeigen tote Zivilisten

Russische Staatsmedien veröffentlichten gestern ein Video von Zivilisten, die aus dem Gelände evakuiert worden sein sollen. Die «Washington Post» hingegen verifizierte gestern mehrere Videos aus Mariupol, die insgesamt mindestens 17 Leichen von Zivilisten auf Strassen dokumentieren. Wann genau die Menschen starben und von wem sie getötet wurden, ging aus dem Filmmaterial nicht hervor.

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Gemäss der ukrainischen Zeitung «Kiew Independent» bot der ukrainische Präsident Selenski Russland derweil an, russische Kriegsgefangene sowie Leichname russischer Soldaten gegen ukrainische Zivilisten auszutauschen, die in Mariupol festsitzen:

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Kommandant fordert Evakuierung durch Drittstaaten

Der Kommandant der 36. Brigade der Marineinfanteristen, Serhi Wolyna, wandte sich am Mittwoch in einem Facebook-Video aus dem Azowstal-Gelände an die Öffentlichkeit. Darin fordert er die Evakuierung der verbleibenden Kämpfer sowie der Zivilisten aus Mariupol. Zuvor hatten die ukrainischen Kämpfer die Aufforderung Russlands zur Kapitulation abgelehnt:

Quelle: Facebook

Wolyna sagt, die ukrainischen Kämpfer seien den russischen zahlenmässig um den Faktor zehn unterlegen und bittet die führenden Politiker der Welt darum, die ukrainischen Soldaten und die Zivilisten in Drittstaaten in Sicherheit zu bringen. Bisher ist nicht bekannt, ob ein Staatsoberhaupt auf den Appell Wolynas reagiert hat. Nach Angaben des stellvertretenden Bürgermeisters von Mariupol hatten sich letzte Woche rund 1000 Marinesoldaten ergeben.

Befreiungsversuch durch das Azow-Bataillon?

Trotz der dramatischen Lage soll es Mitgliedern des ultranationalistischen Azow-Bataillons gemäss der ukrainischen Newsseite «Euromaidan Press» gestern gelungen sein, zusammen mit den Marineinfanteristen und weiteren ukrainischen Einheiten rund 500 ukrainische Grenzwächter und Polizisten aus dem Hafen zu evakuieren und in das Azowstal-Gelände zu überbringen. Die Evakuierten seien zuvor von russischen Truppen umzingelt gewesen und ihnen sei die Munition ausgegangen. Für diese Berichte gibt es keine Bestätigung durch andere Quellen. Eine solche Operation scheint angesichts der erdrückenden Übermacht der russischen Truppen unwahrscheinlich.

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Ein Video des Asow-Batallions von dieser Woche zeigt jedoch einen Angriff auf einen russischen Panzer in Mariupol. Offenbar verfügten die ukrainischen Truppen zu diesem Zeitpunkt immer noch über eine gewisse Feuerkraft.

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Fremdenlegionäre desertieren

Seitdem die ukrainischen Kämpfer im Azowstal-Gelände eingekesselt sind, wurden mehrere Berichte von Deserteuren aus der internationalen Fremdenlegion laut. Ein anderer ausländischer Kämpfer, der britische Staatsbürger Aiden Aslin, geriet in russische Kriegsgefangenschaft, nachdem seiner Einheit Nahrung und Munition ausgegangen waren. Aslin hatte unter dem Namen Cossack Gundi auf Twitter und Instagram live aus dem Krieg berichtet und sich damit eine grosse Followerschaft aufbauen können. Ein ausführlicher Bericht zu seinem Fall folgt demnächst in diesem Blog.

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Aslin soll sich zuletzt auf dem Azowstal-Gelände aufgehalten haben. Die Industriestätte gehörte vor dem Krieg zu den grössten Stahlwerken in Europa. Laut einem Video von Radio Swoboda (nur auf Russisch und Ukrainisch) galt die Fabrik in Mariupol als eine «Stadt in der Stadt». Mit einer Ausdehnung von 11 Quadratkilometern ist das Werksgelände in etwa so gross wie die Stadt Olten. Die Gesamtlänge der unterirdischen Gänge im Werksgelände soll laut einer Beschreibung auf der Website der Firma 24 Kilometer betragen.

In dem Gewirr aus Fertigungshallen, Hochöfen, Kokereien und Kellern könnten Angreifer wohl nur sehr langsam vorankommen, und das unter grossen Verlusten. Zudem sollen im Kalten Krieg unter dem Werk Bunkeranlagen errichtet worden sein, die sogar einem Nuklearschlag standhalten könnten.

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Schon vor der Eroberung der restlichen Stadt durch russische Truppen wurden deshalb Vergleiche von Mariupol mit der Schlacht um Stalingrad 1942 laut, unter anderem in der «Financial Times» oder vom ukrainischen Schriftsteller Andrei Kurkow.

Erinnerungen an Stalingrad

Auch in Stalingrad verteidigte die Rote Armee bis zuletzt die riesigen Fabrikkomplexe des Traktorenwerks und des Stahlwerks «Roter Oktober» gegen die vorrückende Wehrmacht. Der Nahkampf in den Industrieruinen gilt bis heute als eine der grausamsten Schlachten in der gesamten Kriegsgeschichte.

Eine Wiederholung der Geschichte nur mit umgekehrten Rollen – die Russen in den Schuhen der Wehrmacht als Angreifer auf die Fabrik – will Putin offenbar unbedingt vermeiden. Seinem Verteidigungsminister gibt er am Donnerstag deshalb die Anweisung, «das Leben und die Gesundheit unserer Soldaten und Offiziere zu erhalten». Es sei nicht notwendig, «in diese Katakomben zu klettern und unterirdisch durch die Industrieanlagen zu kriechen».

Die im Werksgelände verschanzten ukrainischen Truppen fordert Putin auf, die Waffen niederzulegen und sich zu ergeben: Die russische Seite garantiere ihr Leben und eine würdige Behandlung. Wer verwundet sei, bekomme medizinische Behandlung.

Wenige Stunden nach Putins Angebot postete das Azow-Bataillon auf Twitter ein kurzes Video mit einem brennenden Panzer mit der Aufschrift «V». Das Zeichen bedeute, dass dieselben russischen Einheiten nun in Mariupol eingesetzt würden, die für die Gräueltaten von Butscha verantwortlich seien, heisst es in dem Tweet: Putins Horde «tötete, vergewaltigte und folterte Zivilisten. Nun zerstören sie unsere Stadt.» Die unmissverständliche Botschaft dahinter: Kapitulation sei sinnlos, da unter russischer Besatzung nur der Tod warte.

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In der Ukraine werden die Verteidiger von Mariupol nun auch mit den sogenannten «Cyborgs» verglichen, jenen Männern, die im Sommer 2014 die Ruinen des zerschossenen Flughafens von Donezk monatelang gegen die prorussischen Separatisten verteidigten und schliesslich alle darin umkamen. 2017 wurde ihre dramatische Geschichte unter dem Titel «Helden sterben nie» verfilmt.

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Tschetschenenführer verkündet erneut den Sieg

Wie weit russische Truppen schon in das Werk vorgedrungen sind, ist unklar. Putins Statthalter in Tschetschenien, der Warlord Ramsan Kadyrow, kündigte in einer Sprachnachricht auf seinem Telegram-Kanal an, dass das Azowstal-Gelände bis zum Mittag komplett in russischer Hand sein dürfte.

Videos auf Telegram zeigen Kadyrows Kämpfer in einer Fabrikhalle. Es ist aber nicht ersichtlich, ob es sich dabei tatsächlich um ein Objekt von Azowstal handelt.

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Schon in der Nacht zum Donnerstag hatte Kadyrow verkündet, dass «heute vor oder nach dem Mittagessen Azowstal vollständig unter Kontrolle der russischen Streitkräfte» sein werde. Die in dem Stahlwerk verbliebenen ukrainischen Kämpfer hätten am Morgen noch die Möglichkeit, sich zu ergeben. Das war allerdings noch bevor Putin den Befehl gab, das Werk nicht anzugreifen. Laut russischen Medien hatte Kadyrow zuvor bereits 26-mal die Eroberung von Mariupol verkündet.

Unbestritten ist, dass ausser dem Stahlwerk die Stadt mittlerweile unter russischer Kontrolle steht. Die staatliche Nachrichtenagentur Ria Novosti zeigt unter anderem einen russischen Panzer, der in völlig menschenleeren Strassen eine Pirouette dreht. Offenbar eine Geste des Triumphs.

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Fröhliche ukrainische Schulkinder?

Wladimir Putin bezeichnet die Zerstörung Mariupols als «Befreiung» und die beteiligten russischen Soldaten allesamt als «Helden». Bereits am Dienstag, 19. April, eröffneten die russischen Behörden in einer PR-Aktion wieder die erste Schule in Mariupol. Dabei verteilten der Generalsekretär von Putins Partei «Einiges Russland», Andrei Turtschak und der Führer der Separatisten-Republik Donbass, Denis Puschilin, russische Schulbücher und verkündeten die «Niederlage des Feindes». Russische regimetreue Medien filmten mit, es gelang ihnen freilich nicht, Freude in den Gesichtern der Schulkinder zu finden.

Bernhard Odehnal, Philippe Stalder und Hannes von Wyl, publiziert am 21. April 2022

Was steckt hinter diesem Panzerwrack-Totenkopf?

Am Abend des 15. April tauchte in den sozialen Netzwerken ein Foto eines russischen Panzerwracks auf. Der verkohlte Panzerturm, der wahrscheinlich mit einer Drohne aus der Luft aufgenommen wurde, ähnelt auf seltsame Weise einem Totenkopf. Das Bild ist eine Allegorie auf den Krieg, seine Barbarei und die fatalen Folgen.

In Umlauf gebracht wurde es vom offiziellen Twitter-Konto des Generalstabs der ukrainischen Streitkräfte, zusammen mit drei weiteren Fotos aus demselben Gebiet. Aufgenommen haben soll es die 93. Brigade der ukrainischen Landstreitkräfte, die im Osten des Landes operiert.

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Die Brigade selbst hatte das Bild eine Stunde zuvor auf Facebook veröffentlicht, ohne jedoch den Ort der Aufnahme oder die Umstände zu nennen, durch die der obere Teil des Panzers vollständig vom Rest des Panzers abgetrennt worden war.

Mehrere Nutzer verbreiteten eine um 180 Grad gedrehte Version desselben Bildes, auf der die Ähnlichkeit mit einem Totenkopf besser zu erkennen war.

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Doch woher genau stammt das Bild? Und handelt es sich tatsächlich um die Überreste eines russischen Panzers, wie die Z-Markierungen auf dem Wrack vermuten lassen? Oder wurden die Überreste des Panzers allenfalls für das Foto inszeniert?

Uns ist es gelungen, unterschiedliche Informationen zu kombinieren und so das Bild und die Geschichte dahinter einzuordnen.

Trümmer wurden nicht bewegt

Am 16. März veröffentlichte die französische Presseagentur AFP eine Reihe von Bildern, die in der Nähe des Dorfes Husariwka im Osten der Ukraine aufgenommen wurden. Sie stammen von Anatoli Stepanow, einem erfahrenen, vielfach ausgezeichneten ukrainischen Kriegsfotografen, der aktuell für die AFP arbeitet.

Bilder: AFP

Anhand der Abnutzungsspuren am Lauf, der Position der Trümmer am Boden sowie der Form der Z-Markierungen am Turm lässt sich mit Sicherheit sagen, dass es sich um denselben russischen Panzer handelt. Die Trümmer wurden nicht bewegt. Selbst das Maschinengewehr zeigt in dieselbe Richtung wie auf dem «Totenkopf»-Bild.

Montage: Tamedia

Ein von Euronews verbreitetes Video zeigt ein Dutzend weiterer russischer Fahrzeuge, die in der Nähe zerstört wurden. In einem Bericht des ukrainischen Fernsehens aus demselben Ort heisst es, dass das russische Bataillon, das an diesem Ort von ukrainischen Fallschirmjägern überfallen wurde, versucht habe, verschiedene geplünderte Gegenstände mitzunehmen, darunter einen Computer, einen Drucker und ein Faxgerät. Etwa 15 Fahrzeuge seien zerstört worden.

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Video: YouTube / TCH

Der angegebene Zeitpunkt der Schlacht am 26. März stimmt mit der Mitteilung der ukrainischen Streitkräfte vom 27. März überein, in der von der Befreiung der Dörfer Husariwka und Olkhovk die Rede ist, in deren Rahmen rund 60 feindliche Fahrzeuge zerstört wurden. Auch die «New York Times» berichtete damals über die Rückeroberung.

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Ein weiterer Hinweis zum Zeitpunkt der Schlacht liefert Stepanows Instagram-Account. Dort berichtet er, dass er inmitten des Weizenfeldes, dessen grüne Triebe bereits zu spriessen begannen, verstreute menschliche Überreste gesehen habe, die, sofern nicht verkohlt, durch die Sonne ausgetrocknet gewesen seien. Ihr Tod musste zu diesem Zeitpunkt also länger zurückliegen.

Anatoli Stepanow kommentierte die Bilder der gefallenen russischen Soldaten mit folgenden Worten: «Sie hätten in Liebe leben können. Sie hätten ihre Kinder grossziehen, Häuser bauen und Gärten anlegen können ... aber sie hatten sich dazu entschieden, dem Befehl ihres Anführers zu folgen.»

Laut der Fachzeitschrift «Military Today» identifizierten Spezialisten den Panzerturm als Modell T-72B3, eine modernisierte Version der veralteten T-72B-Panzer. Er könnte zu einem der ikonischen Bilder dieses Krieges werden.

Titus Plattner, publiziert am 20. April

Was über den Untergang der «Moskwa» bekannt ist

Neue Bilder zeigen offenbar erstmals den beschädigten russischen Kreuzer «Moskwa», bevor das Schiff letzte Woche im Schwarzen Meer unterging. Doch viele Fragen sind noch offen: Was zeigen die Fotos genau, die in sozialen Medien kursieren? Waren ukrainische Raketen für die Zerstörung des Kriegsschiffs verantwortlich? Konnte die gesamte Besatzung gerettet werden? Wir versuchen anhand von Aufnahmen, russischen Online-Posts und Expertenstimmen den aktuellen Wissensstand einzuordnen.

Mutmassliche Aufnahme der beschädigten «Moskwa». Foto: Twitter/BormanIke

Über die Ereignisse, die mit dem Sinken der «Moskwa» endeten, gibt es unterschiedliche Angaben. Laut russischen Informationen brach an Bord des Kreuzers ein Feuer aus, das Munition zur Explosion brachte. Daraufhin sei das Schiff in Richtung des Krim-Hafens Sewastopol abgeschleppt worden und unterwegs gesunken. Die ukrainische Führung behauptet, das Schiff sei von zwei Neptun-Raketen getroffen worden, in Schlagseite geraten und dann gesunken.

Welche Version stimmt denn nun? Möglicherweise beide, sagt der amerikanische Historiker Chris Owens. Owens hat auf Twitter eine mögliche Timeline der Ereignisse publiziert:

Satellitenbilder vom Mittwoch, 13. April, kurz vor 19 Uhr lokaler Zeit zeigen wahrscheinlich die «Moskwa» im Schwarzen Meer zwischen Odessa an der ukrainischen Küste und der Krim im Südosten. In unmittelbarer Umgebung sind mehrere kleinere Schiffe zu sehen, möglicherweise Rettungsschiffe.

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Zu diesem Zeitpunkt sei der russische Kreuzer wahrscheinlich schon von ukrainischen Raketen getroffen geworden, schreibt Owens. Kurz darauf tauchen in sozialen Medien die ersten Berichte über einen ukrainischen Angriff auf die «Moskwa» auf.

Bilder, die am Montag in den sozialen Medien aufgetaucht sind, zeigen den schwer beschädigten Raketenkreuzer. Sie wurden offenbar von einem anderen Schiff aus aufgenommen, das möglicherweise zur Rettung herbeigeeilt war. Quelle und Zeitpunkt der Aufnahmen lassen sich nicht überprüfen. Aufgrund der vorliegenden Informationen ist aber davon auszugehen, dass die Bilder am 13. April gegen Abend aufgenommen wurden.

Auf dem Vorderdeck der «Moskwa» wütet ein Brand, dicker schwarzer Rauch steigt zum Himmel. Das Schiff habe Schlagseite, sei aber in diesem Stadium noch schwimmfähig gewesen, analysiert der amerikanische Kapitän John Konrad:

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Ein kurzes Video zeigt ein weiteres Schiff an der Seite der «Moskwa», das möglicherweise geschickt wurde, um die «Moskwa» abzuschleppen.

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Sofort werden von anderen Nutzern Zweifel laut, ob es sich bei der Aufnahme überhaupt um die «Moskwa» handelt. Allerdings zeigen andere Fotos noch deutlicher die typischen Merkmale dieser Schiffsklasse: Die markanten Abschussrohre für die 16 Vulkan-Raketen auf dem Vorderdeck, Radar und Helikopterplattform auf dem Achterdeck.

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An Raketenkreuzern von dieser Grösse wurden in Russland nur drei Stück gebaut, von keinem Schiff war bisher ein Unfall mit Feuer bekannt.

Die «Moskwa» ist also vermutlich am Mittwochabend schwer beschädigt. Ein Feuer brennt auf dem Schiff, der Kreuzer hat Schlagseite. Was danach geschieht, ist schwer nachzuvollziehen. Laut dem litauischen Verteidigungsminister setzt der russische Kreuzer um 1.05 Uhr einen Notruf ab. Um 1.14 Uhr habe das Schiff Schlagseite und die Stromgeneratoren seien ausgefallen. Um 2 Uhr evakuiere ein türkisches Schiff 54 Matrosen von der «Moskwa». Um 3 Uhr am frühen Morgen des 14. April ist das Schiff laut türkischen und rumänischen Angaben gesunken. Diese Angaben lassen sich jedoch nicht unabhängig überprüfen.

In der gleichen Nacht veröffentlichte das südliche Kommando der ukrainischen Streitkräfte ein Facebook-Video, wonach die «Moskwa» von Raketen des Typs «Neptun» getroffen worden sei. «Das Flaggschiff der russischen Schwarzmeerflotte hat beträchtlichen Schaden erlitten», heisst es im Video. Der Kreuzer habe in der Folge nach einer «gewaltigen Explosion von Munition» Schlagseite erhalten und habe angefangen zu sinken.

Die russische Seite hatte hingegen behauptet, die «Moskwa» sei am Donnerstag während eines Sturms untergegangen, als sie an ihr Ziel geschleppt werden sollte. Das teilte das russische Verteidigungsministerium mit. Ein Abschleppen sei notwendig geworden, da das Schiff seine Stabilität aufgrund von Schäden am Rumpf verloren habe, hiess es weiter. «Bei stürmischer See sank das Schiff.» Weder auf dem Video noch auf Fotos gibt es allerdings Anzeichen eines extrem hohen Wellengangs. Auch auf Wetterkarten von diesem Tag ist kein Sturm ersichtlich.

Experten halten Raketentreffer für wahrscheinlich

Verschiedene Militärexperten gehen davon aus, dass es sich bei den auf den Bildern sichtbaren Beschädigungen um das Resultat eines Raketentreffers handelt. Gegenüber der BBC sagte Jonathan Bentham vom International Institute for Strategic Studies, dass der Schaden am Kreuzer von einem Einschlag einer Neptun-Rakete stammen könnte. Andere Ursachen seien aber nicht auszuschliessen.

Der britische Admiral Chris Parry hingegen ist laut dem Bericht überzeugt, dass es sich um einen Rakentenschlag handelt. «Man sieht die nach innen gedrückte Schiffshülle. Wenn es eine interne Explosion gewesen wäre, wären die Stahlplatten nach aussen gedrückt.» Es bestehe keine Zweifel, dass die «Moskwa» von einer bis zwei Raketen getroffen worden sei.

Am Freitag bestätigte das Pentagon ukrainische Angaben, wonach das Schiff von Neptun-Raketen getroffen worden sei.

Berichte über tote Matrosen widersprechen russischen Angaben

Während Russland bis jetzt zumindest zugegeben hat, dass die «Moskwa» tatsächlich gesunken ist, bleibt die Frage, ob sich die Mannschaft vollständig retten konnte, weiterhin offen. Das russische Verteidigungsministerium veröffentlichte am Sonntag, 17. April, ein kurzes Video, auf dem angeblich die Mannschaft der «Moskwa» vor dem Flottenkommandanten Nikolaj Jewmenow im Hafen von Sewastopol Aufstellung nimmt. Allerdings ist nicht klar, wann das Video aufgenommen wurde und ob die Mannschaft darauf vollständig zu sehen ist. In den von der Regierung kontrollierten russischen Medien ist von menschlichen Opfern keine Rede.

Die regierungskritische «Nowaja Gaseta» veröffentlichte am gleichen Tag einen Artikel über die Eltern von Matrosen der «Moskwa», die nach der Katastrophe keine Nachricht von ihren Söhnen mehr erhalten hatten. Am Montag berichtete auch die «Deutsche Welle» in ihrem russischen Nachrichtendienst über Eltern, die verzweifelt nach Söhnen suchen, die auf der «Moskwa» ihren Dienst leisteten. Von der Armee hätten sie keine Auskünfte erhalten.

Viral ging der Aufruf von Dmitri Schgrebez auf dem russischen Facebook-Pendant «VKontakte». Sein Sohn Jegor Schgrebez leistete laut Erzählung des Vaters seinen Wehrdienst als Schiffskoch auf der «Moskwa» und wird nun vermisst. Die Behauptung, dass alle Matrosen gerettet worden seien, bezeichnet der Vater als «plumpe Lüge», und er fragt, warum denn alle Offiziere am Leben seien, sein Sohn hingegen vermisst werde?

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Grosse symbolische Bedeutung

«In der Geschichte der modernen russischen Marine gibt es Schiffe, die nicht nur die Seemacht des Staates verkörpern, sondern deren Namen auch für die Kampfkraft der aktiven Flotte stehen. Der Raketenkreuzer «Moskwa» ist ein solches Schiff.» Mit diesen Worten stellte die russische Website Militaryarms.ru vor fünf Jahren das Flaggschiff der russischen Schwarzmeerflotte vor. Dass dieser Stolz der Marine seit vergangenem Mittwoch auf dem Grund des Schwarzen Meeres liegt, sei ein strategisch schwerer Schlag gegen Russland, analysiert die regierungskritische «Moscow Times».

Für die Ukraine hat der Untergang der «Moskwa» auch deshalb so grosse symbolische Bedeutung, weil es dieses Schiff war, das am ersten Kriegstag im Februar die ukrainischen Verteidiger der kleinen Schlangeninsel im Schwarzen Meer zur Kapitulation aufforderte. Darauf antwortete ein ukrainischer Soldat über Funk: «Russisches Kriegsschiff, fick dich!» Der Spruch wurde zur Legende, er ist heute auf Plakaten und Transparenten bei anti-russischen Demonstrationen im Westen zu lesen, ebenso auf T-Shirts und Kaffeetassen, die in der westukrainischen Stadt Lwiw verkauft werden.

Die militärischen Einrichtungen auf der Schlangeninsel wurden von der «Moskwa» komplett zerstört. Von den Verteidigern hiess es zuerst, sie seien im Beschuss umgekommen. Später stellte sich heraus, dass sie sich doch ergeben hatten und in russische Gefangenschaft geraten waren. Ende März kamen sie im Rahmen eines Gefangenenaustauschs frei.

Jener Soldat, der den russischen Raketenkreuzer «Moskwa» so wüst beschimpfte, heisst Roman Gribow und bekam nach seiner Freilassung in der Ukraine eine hohe militärische Auszeichnung. Und die ukrainische Post brachte just einen Tag vor dem Untergang der «Moskwa» eigens eine Briefmarke heraus. Darauf ist auch die Silhouette jenes russischen Raketenkreuzers zu sehen, der nun auf dem Grund des Schwarzen Meeres liegt.

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Bernhard Odehnal und Hannes von Wyl, publiziert am 19. April 2022

Wer sind die jungen Russen, die in der Ukraine kämpfen und sterben?

Wenn Namen russischer Militärs in den Schlagzeilen auftauchen, dann sind es hochrangige Armeeangehörige. Etwa General Alexander Dwornikow, der vor einigen Tagen als Oberkommandierender für die russische «Sonderoperation» in der Ukraine bestimmt wurde. Oder Generalleutnant Jakow Resanzew, der laut ukrainischen Angaben siebte General, der bisher im Krieg getötet wurde.

Doch der grösste Teil der russischen Truppen besteht aus einfachen Soldaten, über die fast nichts bekannt ist. Nun gibt eine Recherche des russischen Service der BBC Aufschluss darüber, woher die russischen Truppen stammen und warum sich die Soldaten der Armee angeschlossen haben. Anhand von Berichten in lokalen Zeitungen und Beiträgen in sozialen Medien über Begräbnisse haben die Journalistinnen und Journalisten 1083 Soldaten identifiziert, die im Ukraine-Krieg getötet wurden.

Die Reporterin Olga Iwschina hat dabei einige Auffälligkeiten herausgearbeitet: Die meisten Gefallenen stammen demnach aus Regionen, die unter hoher Arbeitslosigkeit und einem tiefen Lebensstandard leiden, etwa Dagestan oder Burjatien. Dort betrage das Durchschnittseinkommen rund 400 US-Dollar pro Monat. Im Armeedienst verdiene ein Soldat rund 500 US-Dollar und erhalte zusätzlich Essen, Kleidung und Unterkunft.

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In abgelegenen Gebieten mit schwacher Infrastruktur sei die Armee oft der einzige Arbeitgeber, schreibt Iwschina. Zum Beispiel für Michail Garmaew. Der junge Mann aus Sibirien habe das Studium abgebrochen und nach dem Militärdienst als Installateur für Alarmanlagen gearbeitet. Dann sei er als Berufssoldat zurück zur Armee. Am 6. März sei er in der Ukraine getötet worden.

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Die BBC-Recherche legt also nahe, dass für viele der russischen Soldaten wirtschaftliche Gründe eine Rolle spielen, wenn sie der Armee beitreten. Doch offenbar gibt es auch junge Männer, die zum Kriegseinsatz gezwungen werden. So sollen Rekruten im Militärdienst unter Druck gesetzt worden sein, sich für die «Sonderoperation» einzuschreiben.

Das sagte laut Medienberichten die russische Senatorin Ljudmila Narusowa am 4. März, zwei Wochen nach Beginn der Invasion. Das russische Verteidigungsministerium dementierte zuerst. Auch Präsident Wladimir Putin persönlich stritt ab, dass Rekruten im Kriegseinsatz seien. Tage später sah sich das Verteidigungsministerium jedoch genötigt, die Informationen zu bestätigen.

Die BBC konnte zwei Männer identifizieren, die laut ihren Angehörigen eingezogen wurden und im Krieg starben: Maxim Khanygin, soll kurz vor seinem 22. Geburtstag zu Kriegsbeginn gefallen sein. Pavel Pozanen wurde laut seiner Mutter gezwungen, sich der Berufsarmee anzuschliessen. Er soll in der Region um Leningrad begraben worden sein.

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In Russland müssen alle Männer zwischen 18 und 27 für mindestens ein Jahr Militärdienst leisten. Danach werden sie üblicherweise in die Reserve verschoben. Diese Wehrdienstpflichtigen dürfen eigentlich nicht im Ausland eingesetzt werden. Für Kampfeinsätze setzte die russische Armee bisher stets auf besser trainierte Berufssoldaten. Der Einsatz von Dienstpflichtigen könnte laut dem Magazin «Politico» darauf hindeuten, dass es in der Berufsarmee an Personal fehlt.

Auch lokale russische Medien berichteten über gefallene Soldaten und ihre Begräbnisse in ihren Heimatgemeinden. Die Geschichten dort sind jener aus den Recherchen der BBC sehr ähnlich. So etwa berichtete das Portal «Ufa online» von drei in der Ukraine gefallenen Soldaten aus der russischen Teilrepublik Baschkortostan am Ural. Ufa ist die Hauptstadt Baschkortostans. Im Onlineportal der baschkirischen Hauptstadt Ufa wird unter anderem die Geschichte des 25-jährigen Unteroffiziers Kusma Nikolajew, der immer nur Soldat werden wollte und nach dem Wehrdienst einen Vertrag bei den Kräften der Luftverteidigung unterschrieb. Er hinterlässt eine Frau und zwei kleine Kinder.

Anfang März stellte die Verwaltung der Region Kanjewski in Südrussland einen Bericht über das Begräbnis zweier Soldaten in ihren Instagram-Account. Über die Todesursache wird nur berichtet, dass die beiden Männer in Erfüllung ihrer Pflicht bei der «Spezialoperation» in Ukraine gefallen seien.

Ebenfalls Anfang März konnte noch ein Reporter der regierungskritischen «Moscow Times» beim Begräbnis eines Soldaten in der Stadt Woronesch dabei sein und darüber berichten.

Der Priester, der auch schon einmal Wladimir Putin persönlich empfangen durfte, sprach beim Begräbnis vom Toten als einen «wahren Kämpfer für Christus gegen die Geister des Bösen: ukrainische Nazis, finanziert von amerikanischen multinationalen Konzernen».

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Ähnliche Heldensagen waren auf vielen Begräbnissen zu hören. Auffallend ist jedoch, dass die Berichte in russischen Medien und russischen Kanälen in den sozialen Medien alle aus der ersten Phase des Kriegs stammen, von Ende Februar bis Mitte März. Seither kommen Reportagen von den Begräbnissen in Russland nur noch sehr selten – und auch nur mehr in westlichen Medien.

Hannes von Wyl und Bernhard Odehnal, publiziert am 15. April 2022

Welche Rolle Haustiere im Krieg der Bilder spielen

Am 5. April kam eine grössere Gruppe internationaler Journalisten in den Kiewer Vorort Butscha, um dort das von russischen Truppen hinterlassene Grauen zu dokumentieren. Sie filmten und fotografierten Massengräber und ausgebrannte Militärfahrzeuge – und auch eine Katze mit rotem Fell und buschigem Schwanz, die dort zwischen ausgebrannten russischen Panzerwracks über die Bahnhofstrasse lief.

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Nicht das Bild der Katze selbst ging kurz darauf in den sozialen Medien viral, sondern ein Foto der die Katze fotografierenden Journalisten. Es wurde ebenso ausführlich wie kontrovers diskutiert – einerseits als Metapher für die Verkommenheit der westlichen Medien, anderseits als Sinnbild des Lebens in einer Umgebung der Vernichtung. «Eine lebende Katze ist wichtiger als tote russische Armeefahrzeuge», kommentierte auf Twitter der auch in der Schweiz sehr bekannte ukrainische Schriftsteller Andrej Kurkow.

In Frankreich wurde das Katzenfoto aus Butscha sogar zum Politikum. Die russische Botschaft in Paris folgte der Sprachregelung aus Moskau und bezeichnete nicht nur die ermordeten Zivilisten als «ukrainische Inszenierung», sondern auch das Foto mit der Katze als «Filmset». Daraufhin verkündete Frankreichs Aussenminister Jean-Yves Le Drian, er werde «angesichts der unanständigen und provokanten Kommunikation über die Gräuel in Butscha» den russischen Botschafter einbestellen. Die russische Botschaft nahm den Tweet später wieder vom Netz, in Retweets blieb er jedoch erhalten.

Tiere im Krieg. Noch nie spielten sie in der Dokumentation des Grauens, aber auch in der Propaganda eine so grosse Rolle wie beim nun schon eineinhalb Monate dauernden Überfall Russlands auf die Ukraine. Die Fotos traurig blickender Hunde und Katzen kamen praktisch gleichzeitig mit den Bildern von Panzern und Raketen in den ersten Kriegstagen, als Tausende Flüchtlinge die Grenzen zu Polen, der Slowakei und Ungarn überschritten. Viele Frauen und Jugendliche trugen neben Rucksäcken und Plastiktaschen auch Katzenboxen oder hatten ihre Hunde an der Leine.

Flüchtlinge mit ihren Haustieren an der ukrainisch-slowakischen Grenze.
Flüchtlinge mit ihren Haustieren an der ukrainisch-slowakischen Grenze.

Solche Bilder kannte man von vorherigen Flüchtlingskrisen nicht. Die Menschen aus Syrien oder Afghanistan hatten so gut wie nie Haustiere dabei. Während sie bei ihrer Ankunft 2015 eher als anonyme Masse wahrgenommen wurden, suggerierten Hunde und Katzen im Handgepäck «identifikatorische Nähe», analysiert die Wiener Stadtzeitung «Falter»: Wer seine Katze füttere oder seinen Hund spazieren führe, könne ja wohl nicht so anders sein.

Die Kraft der Identifikation mit Haustieren im Krieg machten sich auf der ukrainischen Seite erst zivile Gruppen zunutze. Für Hunde und Katzen wurden in den sozialen Medien eigene Gruppen gegründet, in denen auf Bildern drastisch das Leid der Tiere in den Kriegsgebieten illustriert und das westliche Publikum zur Hilfe aufgefordert wird.

Gezeigt werden auch Bilder, auf denen Flüchtlinge ihre Lieblinge mit in Luftschutzkeller oder U-Bahn-Stationen nehmen oder mit letzter Kraft bei der eigenen Flucht aus dem Gefahrenbereich bringen.

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Die Kraft der Bilder von Tieren im Kriegsgebiet verstand aber auch die ukrainische Armee sehr schnell. In den sozialen Medien kursieren unzählige Bilder und Videos von ukrainischen Soldatinnen und Soldaten, die herrenlose Haustiere aus den Trümmern retten oder sie in ihre Obhut nehmen. Das steht auch in scharfen Kontrast zur Propaganda aus Russland, bei der praktisch niemals Tiere zu sehen sind. Mit Tierbildern lässt sich der Krieg noch leichter als ein Kampf des «Hellen» gegen das «Dunkle» darstellen.

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Besonders viel Unterstützung für diese Form der animalen Kriegspropaganda kommt aus den USA. Eine amerikanische Twitter-Gruppe nennt sich «Katzen-Verteidigungsfront», sie behauptet, den ukrainischen Kampf durch den Verkauf von Merchandise zu unterstützen.

Besonders beliebt auf Twitter ist der Account des US-Veteranen James Vasquez, der sich der ukrainischen Armee angeschlossen hat und darüber praktisch täglich seinen knapp 300’000 Followern berichtet. Meistens sind das Berichte über die eigene Bewaffnung oder zerstörte russische Ziele. Selten aber erhielt Vasquez so viele Likes und Kommentare wie auf seinen Tweet über ein streunendes Kätzchen, das nicht von seiner Seite weichen wollte.

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Gezielt an ein ausländisches Publikum richtet sich auch die englischsprachige Twitter-Gruppe «UkrArmy cats & dogs», auf der nicht nur unter anderem der positive Einfluss von Haustieren auf Flüchtlingskinder geschildert wird. Es wird auch über den Einsatz eines Hundes namens «Patrone» beim Minensuchen berichtet.

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Die durch die sozialen Medien weltberühmt gewordene Katze von Butscha soll nach ihrem Auftritt in der Bahnhofstrasse übrigens gerettet worden sein und ein neues Zuhause bekommen haben.

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Bernhard Odehnal, publiziert am 14. April 2022

Hat Moskau einen Sturm erfunden, um Europas Ölversorgung zu drosseln?

Sie transportierte täglich 1,2 Millionen Barrel Öl nach Europa und wurde so gebaut, dass sie sogar einem Jahrhundertsturm trotzen kann. Dennoch soll ein Unwetter, das am 20. und 21. März angeblich über das Schwarze Meer zog, die transkaspische Ölpipeline nahe der russischen Hafenstadt Noworossijsk beschädigt haben. Die 1500 Kilometer lange Pipeline verbindet Nordkasachstan über den russischen Kaukasus mit einem Terminal am Schwarzen Meer, von wo aus Tanker den Rohstoff nach Europa liefern.

«Taucher stellten Schäden am Innenschlauch der schwimmenden Umladestationen an den Abschnitten 9 und 13 der Pipeline fest», teilte das Caspian Pipeline Consortium (CPC), die russische Betreiberfirma der Pipeline, am 22. März auf seiner Website mit. «Diese Schäden sind kritisch und machen es unmöglich, einen sicheren Betrieb der Anlage zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang sieht sich CPC gezwungen, den Betrieb der Pipeline auszusetzen.»

Wie der für Energie zuständige stellvertretende Ministerpräsident Alexander Novak tags darauf im russischen Parlament mitteilte, dürften die Reparaturarbeiten anderthalb bis zwei Monate dauern.

Der Preis für Rohöl stieg daraufhin um 1,1 Prozent, wie der Rohstoffanalyst Arth Ben auf Twitter mitteilte:

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Nach Angaben des deutschen Wetterdienstes waren die Windverhältnisse an den entsprechenden Tagen jedoch nicht ungewöhnlich für die Region, wie eine Nachfrage des Recherchezentrums Correctiv ergab. So zog zwar ein Unwetter über das Schwarze Meer, jedoch erreichte die Windgeschwindigkeit nur maximal 80 km/h, was einer Sturmböe der Stärke neun entspricht – drei Stufen unter einem Orkan. In ihrer 20-jährigen Geschichte hat die Pipeline schon stärkere Stürme unbeschädigt überstanden.

Für Europa kam der Ausfall der Pipeline, die rund 10 Prozent seines Ölbedarfs deckte, höchst ungelegen – reagierte Moskau auf die westlichen Sanktionen ohnehin schon mit einer globalen Ölverknappung, was zu einem deutlichen Anstieg der Benzinpreise in Europa führte.

Und auch für Kasachstan, den zehntgrössten Ölexporteur der Welt, sind die wirtschaftlichen Folgen des Ausfalls immens: Dem Land entgehen dadurch Öleinnahmen in dreistelliger Millionenhöhe pro Monat.

War wirklich ein Wetterphänomen schuld an dem Ausfall? Gaziz Abishev, ein Politikanalyst aus der kasachischen Hauptstadt Nur-Sultan, hat seine Zweifel: «Es könnte ein Zufall sein, aber es wäre ein spektakulärer Zufall», erklärt der Experte gegenüber dem deutschen «Handelsblatt».

Der kasachische Finanzanalyst Rasul Rysmambetow aus Almaty wertet den Ausfall als Versuch Russlands, westliche Ölfirmen und Kasachstan unter Druck zu setzen. Die Pipeline verlaufe zwar über Russland und russische Firmen dominierten das Pipelinekonsortium, doch das transportierte Öl selbst gehöre mehrheitlich westlichen Firmen wie Chevron, Shell und Eni, die in Kasachstan Öl förderten, so Rsymambetow gegenüber Correctiv.

Der kasachische Energieminister Bolat Akscholakow hingegen widerspricht gegenüber dem «Handelsblatt» Rysmambetows Darstellung: Es sei weder im Interesse Russlands noch des Konsortiums, eine «solche Sabotage» durchzuführen. Ob die Pipeline tatsächlich stark beschädigt wurde, kann abschliessend nicht überprüft werden. Moskau hat bisher darauf verzichtet, Experten westlicher Ölfirmen zur Inspektion einzuladen.

Kasachstan vom globalen Ölmarkt abzuklemmen, wäre jedoch nicht die einzige Bestrebung Russlands, das globale Ölangebot knapp – und den Benzinpreis damit hoch – zu halten. So blockierte Moskau bereits am 5. März die Verhandlungen zur Rettung des Atomabkommens zwischen Washington und Teheran. Ein neuer Nuklearvertrag hätte dem Iran die Rückkehr als zweitgrösster Opec-Förderer auf den Weltmarkt erlaubt. Was die stark gestiegenen Preise, von denen Russland profitiert, wieder etwas gedrückt hätte.

Philippe Stalder, publiziert am 13. April 2022

Asow-Regiment veröffentlicht Video zu angeblichem Chemie-Angriff

Das ultranationalistische ukrainische Asow-Regiment hat ein Video veröffentlicht, in dem Mitglieder Symptome eines angeblichen Chemiewaffen-Angriffs in Mariupol beschreiben. In der Nacht hatte die Einheit der Nationalgarde von einem solchen Angriff berichtet. Demnach habe eine russische Drohne über ihrer Stellung eine unbekannte Substanz freigesetzt. Eine offizielle Bestätigung gibt es dafür von ukrainischer Seite bislang nicht.

Die chemische Substanz soll laut dem Video Entzündungen der Rachenschleimhäute und der Augen auslösen sowie Bluthochdruck, Rötungen, Herzrasen, Tinnitus und Schwächegefühl. «Meine Mutter rollte ihre Augen, verlor das Bewusstsein und das wars. Sie musste drei Mal reanimiert werden», beschreibt ein angebliches Opfer die Auswirkungen laut der englischen Übersetzung des Videos. Gemäss Asow seien die Betroffenen in «relativ zufriedenstellendem Zustand». Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.

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«Nach vorläufigen Angaben gibt es die Annahme, dass es wohl Phosphorkampfmittel waren», sagte die stellvertretende Verteidigungsministerin Hanna Maljar am Vormittag im ukrainischen Fernsehen. Endgültige Schlussfolgerungen könne es erst später geben. Welche Kampfmittel genau zum Einsatz gekommen sein sollen, sagte Maljar jedoch nicht. Das Risiko eines russischen Chemiewaffeneinsatzes sei jedoch gross, betonte sie.

In sozialen Medien wird über verschiedene chemischen Kampfstoffe spekuliert. Laut dem Gründer der Rechercheplattform Bellingcat, Elliot Higgins, würden die beschriebenen Symptome aber zu keinem ihm bekannten chemischen Kampfstoff passen. Bellingcat hat in den letzten Jahren extensive Recherchen zum Einsatz von Chlorgas in Syrien veröffentlicht.

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Wer hinter dem angeblichen Angriff in Mariupol steht, ist unklar. Die prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine dementieren den Einsatz von Chemiewaffen wie die Nachrichtenagentur DPA unter Berufung auf den Separatistensprecher Eduard Basurin berichtet. Dem ukrainischen Militär zufolge hatte eine russische Drohne über ukrainischen Stellungen eine giftige Substanz abgelassen.

Noch am Montag hatte Basurin laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax im staatlichen russischen Fernsehen gesagt, die Separatisten würden «chemische Truppen» gegen ukrainische Soldaten einsetzen, die sich in Mariupol in einer Stahlfabrik verschanzt hätten. Demnach sollten sie «ausgeräuchert werden».

Im Azovstal-Werk im Südosten der Stadt befinden sich einige der letzten verbleibenden ukrainischen Truppen. Die 36. Marine-Brigade der ukrainischen Armee hatte am Montag einen verzweifelten Facebook-Post veröffentlicht, wonach sie weder über Nahrung noch Munition verfügten. «Das wird wohl unser letzter Kampf sein», schrieben die Soldaten (siehe Beitrag weiter unten).

Laut russischen Angaben befinden sich auch in einem zweiten Stahlwerk im Norden der Stadt noch ukrainische Truppen. «Die auf dem Territorium des Werks «Iljitsch» eingeschlossenen Reste der ukrainischen Streitkräfte haben einen erfolglosen Versuch gemacht, aus der Stadt auszubrechen», sagte Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow. Seinen Angaben zufolge haben etwa 100 ukrainische Soldaten den Ausbruchsversuch unternommen; die Hälfte davon sei getötet worden. Diese Angaben waren zunächst nicht unabhängig überprüfbar.

Am Montag gaben ostukrainische Separatisten an, der Hafen im Süden der Stadt stehe vollständig unter russischer Kontrolle.

A woman pulls her bags past houses damaged during a fighting in Mariupol, on the territory which is now under the Government of the Donetsk People's Republic control, eastern in Mariupol, Ukraine, Friday, April 8, 2022. (AP Photo/Alexei Alexandrov)

Mariupol gehört seit der russischen Invasion vom 24. Februar zu den am heftigsten umkämpften ukrainischen Städten. Die Stadt ist wegen des Hafens am Schwarzen Meer von grosser strategischer Bedeutung. Für die russische Seite würde eine Einnahme eine durchgehende Landbrücke von der annektierten Halbinsel Krim zu den Separatistengebieten im Osten der Ukraine ermöglichen.

Hannes von Wyl, publiziert am 12. April 2022

Marines in Mariupol: «Heute ist unser letzter Kampf»

Der Kampf um die belagerte Hafenstadt Mariupol nähert sich möglicherweise seinem Ende. Laut dem britischen Verteidigungsministerium haben sich die Gefechte in der strategisch wichtigen Stadt am Schwarzen Meer in den letzten Stunden intensiviert.

Die russischen Truppen haben bereits weite Teile Mariupols eingenommen. Laut Informationen des US-Thinktanks Institute of the Study of War konzentrieren sich die Kämpfe um die letzten ukrainischen Stellungen im Hafen im Südwesten der Stadt sowie auf dem Gelände der Azovstal-Fabrik im Südosten. Am Montag berichtet der russische TV-Sender Rossija 1, dass sich der Hafen bereits in russischer Hand befinde.

This Maxar satellite image taken and released on March 22, 2022 shows a closer view of the damaged Azovstal Metallurgical Factory buildings in Mariupol, Ukraine. - Thousands of Ukrainians sought to escape the hellish siege of Mariupol on March 22, as Russia pounded the city with bombs and UN chief Antonio Guterres appealed for Moscow to end its "unwinnable" war. (Photo by Satellite image ©2022 Maxar Technologies / AFP) / RESTRICTED TO EDITORIAL USE - MANDATORY CREDIT "AFP PHOTO / Satellite image ©2022 Maxar Technologies " - NO MARKETING - NO ADVERTISING CAMPAIGNS - DISTRIBUTED AS A SERVICE TO CLIENTS - THE WATERMARK MAY NOT BE REMOVED/CROPPED

Im umkämpften Stahlwerk harren weiterhin Soldaten der 36. Marinebrigade der ukrainischen Armee aus – ihre verzweifelte Lage beschreiben sie in einem Facebook-Post am Montagmorgen: «Mehr als einen Monat haben die Marines ohne Munitionsnachschub, ohne Nahrung, ohne Wasser gekämpft, von Pfützen getrunken.»

Ein Durchbrechen der russischen Belagerung sei zwar von der Armeeführung geplant gewesen, aber nie durchgeführt worden. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski sagte am Montag, Mariupol sei seit Anfang März von jeglicher Versorgung abgeschnitten. Der russische Beschuss habe bislang «Zehntausende» Todesopfer gefordert.

Ein Soldat der 36. Marinebrigade posiert vor einem brennenden Fahrzeug, das Bild wurde am 31. März veröffentlicht. Foto: Facebook

Auch die 36. Marinebrigade beklagt hohe Verluste. Die gesamte Infanterie sei tot, darum hätten sogar die Fahrer und das Orchester zu den Gewehren gegriffen. Die Stellung lasse sich nicht mehr halten. «Heute wird wohl unser letzter Kampf sein, weil wir keine Munition mehr haben», schreiben die Marines. «Dann wartet für manche der Tod, für andere Gefangenschaft.»

Diese Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Das russische Fernsehen zeichnet derweil ein ganz anderes Bild. Demnach sollen ukrainische Nationalisten auf dem Azovstal-Gelände rund tausend Zivilisten als menschliche Schutzschilde gefangen halten.

Hannes von Wyl, publiziert am 11. April 2022

Russlands zynische Propaganda nach dem Raketenangriff auf Kramatorsk

Freitag, 8. April, 7.30 Uhr Ortszeit: Tausende Menschen, vor allem Frauen, Kinder, ältere Männer, warten im Bahnhof der ostukrainischen Stadt Kramatorsk auf den ersten Zug des Tages, der sie nach Westen bringen soll, weg aus dem Kriegsgebiet, in Sicherheit. Da erschüttern mehrere Detonationen das Bahnhofsgebäude und den Vorplatz, Menschen brechen blutüberströmt zusammen, Autos gehen in Flammen auf. Schnell wird klar: Mehrere Raketen schlugen rund um den Bahnhof ein, über 50 Menschen sterben.

Der ukrainische Gouverneur der Region Donezk, Pawlo Kirilenko, spricht zuerst von einem Angriff durch russische Iskander-Raketen, korrigiert den Raketentyp später auf Totschka-U. Die Raketen seien mit Clustermuntion bestückt gewesen, so Kirilenko auf Twitter, um möglichst grossen Schaden unter der Zivilbevölkerung anzurichten.

Der Westen verurteilt den Angriff scharf, der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski spricht von einem Kriegsverbrechen. Auf vielen Fotos in den sozialen Medien ist der Rest einer Rakete zu sehen, offenbar vom Typ Totschka-U mit der kyrillischen Aufschrift «Für die Kinder». Laut Waffenexperten bei Amnesty International ist dieser Raketentyp besonders unpräzise und kann ein anvisiertes Ziel um bis zu einen halben Kilometer verfehlen.

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Sehr schnell geht die russische Seite zum publizistischen Gegenangriff über: Das russische Verteidigungsministerium verschickte noch am selben Tag eine Medienmitteilung, wonach an diesem Tag kein Angriff auf Kramatorsk geplant gewesen sei und überdies die russische Armee überhaupt keine Totschka-U-Raketen einsetze. Diese seien allein im Besitz der ukrainischen Streitkräfte. Russische Botschaften weltweit übernahmen diese Behauptung, wonach die ukrainische Armee die eigenen Zivilisten beschossen und getötet habe. Ein Retweet kam unter anderem von dem in Genf bei der UNO akkreditierten und auf Twitter besonders aktiven stellvertretenden Missionschef Alexander Alimow.

Unbestritten ist, dass auch die ukrainische Armee Totschka-U-Raketen besitzt. Eine solche Rakete schlug am 14. März 2022 im von russischen Separatisten besetzten Donezk ein und tötete 20 Menschen. Bis heute ist nicht klar, von welchem Territorium aus das Geschoss abgefeuert wurde.

Die russische Behauptung, dass die eigene Armee gar keine Totschka-U mehr einsetze, hält unabhängigen Überprüfungen allerdings nicht stand. Bereits am 30. März meldeten der weissrussische oppositionelle Blogger Anton Motolko und sein Team auf Twitter die Sichtung eines Militärkonvois mit Totschka-U-Raketen nahe der weissrussischen Stadt Gomel. Das V-Zeichen auf den Fahrzeugen zeige, dass es sich um einen russischen Konvoi handle.

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Laut dem amerikanischen «Defence Blog» hatte Russland diesen Raketentyp 2019 offiziell ausser Dienst gestellt und noch Mitte März 2016 in einem Brief an den UNO-Sicherheitsrat behauptet, dass er nicht zum Einsatz komme. Nun aber setze sie Russland doch im Ukraine-Krieg ein, heisst es im Blog-Eintrag vom 31. März 2022.

Ebenfalls von einem Einsatz der Totschka-U auf russischer Seite geht das russische Conflict Intelligence Team (CIT) aus. Diese investigative Gruppe wurde 2014 nach der Okkupation der Krim und der Ostukraine gegründet und arbeitet ähnlich wie die britische Recherchegruppe Bellingcat vor allem mit Open Source Intelligence (Osint). Die 47. Raketenbrigade sei bis vor kurzem mit Totschka-U bewaffnet gewesen. Die Umrüstung auf die neueren Iskander sei erst im Januar erfolgt – zu kurz, um sie wirklich einsetzen zu können.

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Aufgrund der Lage der Raketenüberreste vor dem Bahnhof von Kramatorsk und der Reichweite einer Totschka-U von maximal 120 Kilometern wurde errechnet, dass der Abschuss von Südwesten her erfolgte. Das Gebiet dort ist zwar hauptsächlich unter ukrainischer Kontrolle, allerdings ist laut CIT auch ein Abschuss vom durch prorussische Separatisten besetzten Territorium möglich.

Zudem, so CIT, sei es extrem unwahrscheinlich, dass die ukrainische Armee nicht nur die eigene Bevölkerung angreife, sondern damit auch noch einen für sie selbst wichtigen Bahnknotenpunkt zerstören wolle. Während es umgekehrt mittlerweile ausreichend Beweise für Angriffe der russischen Armee auf zivile Ziele gebe.

Bernhard Odehnal, publiziert am 9. April 2022

Russische Soldaten hinterlassen Sprengfallen – offenbar auch an Leichen

Die Bilder der Leichen in den Strassen der Kiewer Vororte gingen um die Welt. Allein in Butscha nordwestlich der Hauptstadt wurden bislang 300 Tote gefunden. Auch in Irpin und Hostomel werden Leichen gezählt. Insgesamt sollen russische Truppen in den letzten Wochen über 400 Zivilisten getötet haben.

Die Bergung der Toten gestaltet sich schwierig. Nicht nur fehlen Fahrzeuge und Geräte, um die Getöteten aus den Strassen und Häusern zu bergen, auch mehren sich Berichte, wonach russische Soldaten vor dem Abzug an den toten Körpern Sprengfallen angebracht hätten.

Olena Halushka, Mitglied der ukrainischen NGO Anti-Corruption Action Center berichtete am 31. März von verminten Leichen in Irpin. Die Stadt rund 27 Kilometer nordwestlich von Kiew gehörte zu den am stärksten umkämpften Vororten der Hauptstadt. Am 28. März gab Irpins Bürgermeister bekannt, dass die Stadt wieder unter ukrainischer Kontrolle stehe.

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Am Wochenende warnte Präsident Wolodimir Selenski, nachdem die mutmasslichen Kriegsverbrechen von Butscha bekannt worden waren, dass russische Truppen «überall Minen» hinterlassen würden, sogar bei Leichen.

Eine Journalistin der britischen «Times» berichtete am Montag, dass ein Priester in Hostomel beinahe von einer Sprengfalle getötet worden sei. Piotr Pavlenko habe den Körper des durch russische Scharfschützen getöteten Bürgermeisters bergen wollen. Soldaten hätten ihn davon abgehalten. «Berühre den Körper nicht, sonst explodiert er», sollen sie laut der Zeitung gesagt haben.

Gemäss der Nachrichtenagentur AP benutzen ukrainische Soldaten nun Kabelschlingen, um Getötete vor der Bergung erst aus sicherer Distanz zu bewegen, aus Furcht vor Sprengfallen.

Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Bislang sind keine Bilder aufgetaucht, die Sprengfallen an Leichen belegen. Von Sprengkörpern in zivilen Gebäuden oder in Fahrzeugen sind in sozialen Medien hingegen Dutzende von Aufnahmen zu finden.

Ein Video zeigt angeblich eine Mine, die in einem Treppenhaus in Bucha mit einem Stolperdraht angebracht worden sei. Dabei handle es sich um eine russische OZM-3 Antipersonenmine.

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Fotos vom Mittwoch sollen eine Sprengfalle zeigen, die angeblich von russischen Truppen in einer Waschmaschine in einem Haus in Borodjanka platziert worden ist. Die Kleinstadt liegt 55 Kilometer nordwestlich von Kiew.

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Ein Beitrag vom gleichen Tag zeigt ukrainische Kämpfer, die in einem Wohnhaus an einem ungenannten Ort offenbar eine russische Granate gefunden haben. Sie soll unter einem Lappen versteckt gewesen sein. Ein anderes Bild zeigt eine Granate, die oben in der Mitte zwischen zwei Türflügeln angebracht wurde. Werden die Türen geöffnet, wird der Sicherungsstift aus der Granate gezogen, worauf der Sprengkörper explodiert. Die Aufnahme soll aus einem Bürogebäude im Vorort Makarow westlich von Kiew stammen.

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Videoaufnahmen zeigen offenbar eine Seemine in einem Ambulanzfahrzeug in Mariupol. Sie soll laut dem Verfasser des Twitterposts als Sprengfalle dienen.

Auch in diesen Fällen lassen sich die Angaben nicht unabhängig verifizieren. Jedoch wurden Sprengfallen in zivilen Einrichtungen durch russische Truppen oder Söldner laut der US-Militärakademie Westpoint bereits in Libyen oder Afghanistan eingesetzt. Gemäss Genfer Konventionen sind Sprengfallen in Wohnhäusern und an Körpern verboten. Sollten sich genannte Berichte und Bildaufnahmen als wahr herausstellen, wäre das ein weiteres Kriegsverbrechen durch russische Truppen.

Hannes von Wyl, publiziert am 8. April 2022

Geht Beutegut via Expressversand nach Russland?

Viel Betrieb herrschte in den vergangenen Tagen bei der russischen Expressversandfirma CDEK. Vor allem in einer der vielen kleinen Aussenstellen des Unternehmens, in der weissrussischen Kleinstadt Mozyr. Der oppositionelle Blogger Anton Motolko und sein Team veröffentlichten auf der Seite «Belarusski Gajun» (Weissrussischer Hain) ein dreistündiges Video, das offenbar aus einer Überwachungskamera im CDEK-Büro stammt und Soldaten zeigt, die jede Menge Kisten und Säcke bringen und diese verschicken wollen.

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Laut der Erklärung des Gajun-Teams handelt es sich dabei um russische Soldaten des 56. Garderegiments der Luftlandetruppen, das ursprünglich auf der von Russland okkupierten Krim stationiert war und an den Kämpfen in der Ukraine teilnahm. Das Video soll am 2. April 2022 aufgenommen worden sein und zeigen, wie die Soldaten in der Ukraine gestohlene Wertgegenstände – vom Fernsehgerät über Computer bis zu einem E-Scooter – mittels Expressversand nach Hause schicken. Erst nach drei Stunden hätten die Soldaten die Überwachungskamera bemerkt und sie ausgeschaltet. Dass die Gegenstände aus der Ukraine stammen, soll unter anderem eine ganz zum Schluss des Videos zu sehende Plastiktasche beweisen. Sie stammt aus der ukrainischen Shoppingmall Epicenter.

Was an dem Video etwas verwirrt, ist die Datumsangabe 19. Dezember 1970 im rechten unteren Eck. Dabei kann es sich aber nur um eine falsche Einstellung der Kamera handeln, denn weder die im Film zu sehenden Uniformen noch die meisten Gegenstände gab es in den 1970er-Jahren. Der Ort der Aufnahme ist hingegen eindeutig mittels Google Maps identifizierbar. Es handelt sich tatsächlich um das CDEK-Büro in der Kujbischew-Strasse 32 in Mozyr. Auf den 2021 gemachten Fotos des Eingangs sind dieselbe Eingangstür, derselbe Tresen und dieselben grünen Fussmatten wie in dem Video zu erkennen.

Warum aber verschicken die russischen Soldaten das mutmassliche Diebesgut ausgerechnet von Belarus aus? Das Städtchen Mozyr ist für die russischen Truppen eine wichtige Basis für den Nachschub an die nur 70 Kilometer entfernt gelegene ukrainische Grenze. Kurz vor Beginn der Invasion am 24. Februar wurden hier besonders viele Truppen zusammengezogen. Nach Mozyr gelangen jetzt aber auch die russischen Verletzten und Toten von der ukrainischen Front.

Auf einem Instagram-Kanal, «Mozyr-for-life», posten Bewohnerinnen und Bewohner Aufnahmen von russischen Stellungen und von Ambulanzwagen. Nun bringen Soldaten, die von der Front kommen, vermutlich auch Diebesgut mit. Der Berater der weissrussischen Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja, Franak Wiatsorka, behauptet auf Twitter, dass russische Soldaten weissrussischen Taxifahrern bis zu 200 Dollar zahlen würden, damit sie grössere Kartons und Kisten in ihre Heimat fahren.

Das ukrainische Verteidigungsministerium berichtet, dass russische Soldaten in der weissrussischen Stadt Narowlja einen Basar für gestohlene Güter aus der Ukraine errichtet hätten. Narowlja liegt südlich von Mozyr und nur 40 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt. Die Bilder von russischen Soldaten, die ihre Beute per Express nach Hause schicken, scheinen jedenfalls ältere Bild- und Tonberichte von plündernden russischen Truppen in der Ukraine zu bestätigen.

Teilweise sollen die Soldaten Supermärkte aus Hunger geplündert haben, weil die Truppenversorgung nicht funktionierte. Das berichtete Radio Liberty bereits Anfang März. Später veröffentlichte der ukrainische Geheimdienst allerdings Tonaufnahmen, auf denen russische Soldaten mit ihren Ehefrauen oder Müttern zu Hause telefonieren und ihnen schildern, welche Luxusgüter sie aus ukrainischen Geschäften und Wohnhäusern mitnehmen konnten. Allerdings ist es nicht möglich, die Echtheit dieser Aufnahmen unabhängig zu überprüfen.

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Im Fall jener Russen, die am 2. April vor dem Schalter des Expressversands in Belarus gefilmt wurden, wollen die weissrussischen oppositionellen Blogger die Namen, Adressen und Telefonnummern mehrerer Soldaten herausgefunden haben. Die Männer sollen aus der Kleinstadt Rubtsowsk in Sibirien stammen, nahe der Grenze zu Kasachstan – 3000 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt.

Bernhard Odehnal, publiziert am 7. April 2022

Moskaus «Beweis» für Butscha-Inszenierung ist ein Regentropfen

Seit russische Truppen am 31. März Butscha verlassen haben, dringen entsetzliche Bilder aus der ehemals belagerten Stadt nordwestlich von Kiew an die Öffentlichkeit. Journalisten und ukrainische Behörden berichten von Hunderten toten Zivilisten, viele von ihnen auf offener Strasse erschossen, teilweise mit hinter dem Rücken gefesselten Händen.

Während der ukrainische Präsident Selenski Russland beschuldigte, in der Ukraine Kriegsverbrechen zu begehen, bestritt der russische UNO-Botschafter Wasili Nebenzija am Montag vor dem UN-Sicherheitsrat sämtliche Vorwürfe. Kiew habe «die Bilder inszeniert, um das russische Militär zu diskreditieren und politischen Druck auf Russland auszuüben», so der Botschafter.

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Obwohl es mittlerweile überzeugende Beweise dafür gibt, dass die Zivilisten von russischen Soldaten getötet wurden, dementiert der Kreml weiterhin jegliche Beteiligung seiner Armee. Am Sonntag verbreitete das russische Verteidigungsministerium einen Beitrag des kremlnahen Telegramkanals «War on Fakes», in dem das Massaker als «koordinierte Medienkampagne der Ukrainer» bezeichnet wurde.

Als Beweis dazu wurde ein Video des ukrainischen Nachrichtensenders Espreso.TV angeführt, das zeigen sollte, dass die Leichen auf der Strasse in Wahrheit lebendige Schauspieler seien.

Im Beitrag wird argumentiert, dass sich der Arm des Leichnams beim Vorbeifahren des Autos bewege. Tatsächlich ist an entsprechender Stelle eine Art Bewegung zu beobachten. Da das Video, das aus dem Auto heraus gefilmt wurde, ursprünglich nur in relativ schlechter Auflösung vorhanden war, konnte abschliessend nicht erkannt werden, ob es tatsächlich ein Arm war, der sich bewegte.

Das weissrussische Onlinemagazin «Nexta» publizierte daraufhin eine andere Version desselben Videos, das in besserer Auflösung zu sehen war.

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Darin ist klar zu erkennen, dass die Bewegung nicht von einem lebenden Schauspieler kommt, sondern dass durch den Kontrast zur Leiche plötzlich ein Tropfen auf der Windschutzscheibe des vorbeifahrenden Autos erkennbar wird.

Die Nachrichtenseite «Aurora Intel» erstellte eine Version des Videos mit umgekehrten Farben, in der der Regentropfen noch besser zu erkennen ist.

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Die angebliche Fake-Enthüllung des «War on Fakes»-Telegramkanals, die vom russischen Verteidigungsministerium verbreitet wurde, hat sich demnach selbst als falsch herausgestellt. Das russische Verteidigungsministerium hat bisher auf eine Richtigstellung seiner Behauptungen verzichtet.

Philippe Stalder, publiziert am 7. April 2022

Das steckt hinter dem Bild des gefesselten Mädchens

«Russisches Mädchen wurde von ukrainischen Soldaten in Mariupol als lebendes Schutzschild an Pfahl gefesselt.» Mit dieser Bildunterschrift geistert seit einigen Tagen ein Bild durch prorussische Telegramkanäle und Twitter-Feeds, wo es Zehntausende von Menschen erreicht.

Das Mädchen auf dem Bild ist mit gelbem Klebeband an einen Pfahl gebunden, links von ihm steht ein Mann in Militäruniform, auf dem linken Oberarm prangt ein ukrainisches Abzeichen. Im Hintergrund befindet sich eine Gruppe von Männern in Zivilkleidung. Das Gesicht des Mädchens ist mit grüner Farbe beschmiert.

Bild: Telegram / Vladimir Solovjov

Einige Nutzer kommentierten das Bild mit kritischen Fragen: «Wer ist dieses Mädchen? Wo wurde das Foto aufgenommen? Ist das Foto echt? Wann wurde das Foto aufgenommen?» Auf Antworten wartet man in den entsprechenden Kanälen jedoch vergebens. Brecht Castel, Factchecker beim niederländischen «Knack»-Magazin, versuchte, die Antworten zu finden.

Als Erstes lud Castel das Bild bei der russischen Suchmaschine Yandex hoch, um zu überprüfen, ob das Bild bereits in einem anderen Zusammenhang verwendet wurde. Tatsächlich zeigt ein Beitrag vom 21. März auf der russischen News-Feed-Plattform Zen Yandex dasselbe Bild, zusammen mit fünf ähnlichen Fotos. Darauf sind insgesamt drei junge Frauen zu sehen, deren Gesichter und Hände mit grüner Farbe beschmiert sind und mit Klebeband an verschiedene Pfähle gebunden wurden.

Die russische Bildunterschrift lautet: «Das Jahr 2022. Europa. Der übliche Nazismus in Lemberg. Nun zur ethnischen Zugehörigkeit. Die Fotos zeigen Angehörige der Roma-Diaspora.»

Bild: Zen Yandex

Dieser Quelle zufolge stammt das Bild also nicht aus Mariupol, sondern aus Lemberg und zeigt kein russisches, sondern ein Mädchen aus der Roma-Gemeinschaft. Googelt man die Begriffe Lviv (englische Version von Lemberg) und Roma, landet man als Erstes bei einem Artikel vom 22. März der tschechischen Website Romea.cz, einem Onlinemagazin der Roma-Gemeinschaft.

Der Artikel trägt den Titel «Russland verfälscht Fotos zu Propagandazwecken, Roma-NGOs warnen ukrainische Behörden» und verwendet zwei der Bilder aus dem Zen-Yandex-Beitrag als Titelbilder.

Bild: Romea.cz

Dem Artikel zufolge zeigen die Fotos Roma, die in Lemberg beim Plündern erwischt wurden und von einer selbst ernannten Bürgerwehr öffentlich gedemütigt und zur Bestrafung an den Pranger gestellt, respektive an den Pfahl gebunden wurden. Im Artikel wird der ukrainische Anwalt und Menschenrechtsaktivist Julian Kondur zitiert: «Die Personen auf den Fotos wurden bereits mehrfach bei Taschendiebstählen erwischt. Ihre Fotos wurden unter anderem von einer Gruppe verbreitet, die sich ‹Die Jäger› nennt und delinquente Roma verfolgt und in Selbstjustiz bestraft.»

Wurden die Bilder von der Bürgerwehr «Die Jäger» in Umlauf gebracht? Wie ein Besuch ihrer Facebookseite zeigt, stellte die Administratorin der Gruppe, Roksolana Lisovska, die Fotos des Mädchens am 21. März ins Netz. Ihr Beitrag enthält ein weiteres Foto der Pranger-Szene in höherer Qualität, was darauf hindeutet, dass «Die Jäger»-Mitglieder vor Ort gewesen sein könnten. Ob sie die Fotos auch erstellt haben, lässt sich jedoch nicht abschliessend klären. Ein weiteres Mitglied der Gruppe teilte unter den Fotos einen Artikel der ukrainischen Nachrichtenseite Varta1, der mehr Aufschluss über das Motiv der mutmasslichen Täter liefert.

Bild: Facebook / Varta1

Der Artikel mit dem Titel «In Lwiw, eingerahmt und an einen Pfahl gebunden» verwendet ebenfalls das untersuchte Foto: «Heute, am 21. März, wurden Diebe gefasst und in Lemberg an einen Pfahl gebunden. Dies wurde Varta1 von Augenzeugen berichtet. Die Mädchen versuchten, die Fahrgäste eines Kleinbusses in der Nähe der Halitschina-Kreuzung auszurauben.

Passanten fingen sie und zogen die Diebe auf die Strasse hinaus. Dann wurden die Mädchen an einen Pfahl gebunden und ihre Gesichter grün angemalt». Zu den Passanten werden im Artikel keine genaueren Angaben gemacht, es ist jedoch wahrscheinlich, dass die Passanten die Fotos Mitgliedern der Bürgerwehr zugespielt haben. Da sich keine älteren Versionen der Fotos finden lassen, dürfte die im Artikel genannte Datierung des 21. März zutreffen.

Castel gelang es zudem, den Standort des Fotos zu verifizieren, indem er Lemberger Kreuzungen in Google Streetview mit den Merkmalen in den Fotos abglich:

Bild: Twitter / Brecht Castel

So fand er eine Kreuzung, die dasselbe Getränkezelt (gelber Rahmen) sowie dasselbe Tankstellen-Logo (roter Rahmen) aufweist. Es stimmen jedoch nicht alle Elemente überein, da das Streetview-Foto vom Juli 2015 stammt. Das sich darin noch im Bau befindende Gebäude wurde erst am 21. März 2022 fertiggestellt (grüner Rahmen). Auch der Pfahl, an den das Mädchen gebunden ist, gab es 2015 noch nicht.

Castel konnte somit widerlegen, dass das Foto ein russisches Mädchen zeigen und in Mariupol aufgenommen worden sein soll. Auch waren es keine ukrainischen Soldaten, die das Mädchen an den Pfahl gefesselt hatten. Vielmehr zeigt das Foto eine Romni in einer Stadt am anderen Ende des Landes, die von ukrainischen Zivilisten an den Pfahl gebunden wurde.

Russland instrumentalisiert Pranger-Bilder

Bilder von mutmasslichen Plünderern, die in ukrainischen Städten öffentlich bestraft und gedemütigt, teilweise auch von Passanten willkürlich geschlagen werden, kursieren derzeit zuhauf in den sozialen Medien. Oft werden ihre Hände und Gesichter mit Seljonka angemalt, einem grünen, antiseptischen Farbstoff, der sich nur schwer von der Haut entfernen lässt.

Gemäss einem Artikel von Radio Free Europe Radio Liberty ist das Markieren von Menschen mit Seljonka in Russland und der Ukraine eine beliebte Methode, mutmassliche Übeltäter zu kennzeichnen, ähnlich wie das Teeren und Federn in Nordamerika während des 19. und 20. Jahrhunderts.

Wie der ukrainische Menschenrechtsaktivist Kondur gegenüber Romea erklärt, nutzen russische Trolle diesen Akt der Selbstjustiz aus, um die Ukraine zu beschuldigen, von Neonazis regiert zu werden. «Die Bilder werden dazu instrumentalisiert, das Narrativ einer gesetzlosen und nazifizierten ukrainischen Gesellschaft zu verbreiten, in der nur Russland Ordnung herstellen kann.»

Auch der russische Propagandasender RT berichtete von den gefesselten Menschen. Zwar nicht in der falschen Version der «menschlichen Schutzschilder» in Mariupol, sondern von Roma in Lemberg. Allerdings wird der Vorfall im russischen Bericht als Begründung für die notwendige «Entnazifizierung» der Ukraine verwendet.

Philippe Stalder, publiziert am 6. April 2022

Elon Musks Wunderwaffe im Ukraine-Krieg

Manche Bilder offenbaren ihre Bedeutung auf den ersten Blick. Wie die Fotografien der toten Zivilisten in Butscha. Sie zeigen die unmittelbare Brutalität des Krieges in der Ukraine. Und offenbar Kriegsverbrechen, mutmasslich begangen von russischen Truppen.

Andere Aufnahmen scheinen zunächst unbedeutend, wie das Bild, das der ukrainische Vizepremier Michajlo Fedorow am Dienstag auf Twitter veröffentlichte. Es zeigt einen Mann in Arbeitskleidung, der einen Satellitenempfänger auf einem Hausdach installiert.

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Es handelt sich dabei um ein Gerät zur Kommunikation mit Starlink-Satelliten, das eine Internetverbindung in Gegenden ohne digitale Infrastruktur ermöglicht. Fedorow, der seit 2019 als Digitalminister die Telecominfrastruktur der Ukraine modernisieren soll, hatte die Geräte zu Beginn der russischen Invasion beim amerikanischen Raumfahrtunternehmen Spacex von Tesla-Gründer Elon Musk angefordert. Musk reagierte sofort und versprach, das Starlink-Netzwerk für die Ukraine nutzbar zu machen.

Anfangs wurde das als PR-Coup des Tesla-Gründers interpretiert. Doch seither hat sich Musks Kommunikationssystem in mehrerer Hinsicht als essenziell für die Ukraine herausgestellt.

Koordinaten für die Artillerie

Einerseits ermöglicht es der Bevölkerung und den Behörden trotz zerstörter Infrastruktur den Zugang zum Internet. Präsident Selenski selber soll das System nutzen. Menschen in der Ukraine können sich über das Kriegsgeschehen informieren und ihre Verwandten kontaktieren. So gab der Mobilfunkanbieter Vodafone kürzlich bekannt, man habe mithilfe der Starlink-Satelliten in den zurückeroberten Kiewer Vororten Romankiw und Irpin wieder eine Netzverbindung aufbauen können.

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Andererseits kommt Starlink eine grosse militärische Bedeutung zu. Aufklärungseinheiten nutzen das System, um der ukrainischen Armee die Position von russischen Stellungen zu übermitteln.

Besonders erfolgreich hat das die Freiwilligen-Truppe Aeroroswidka eingesetzt, wie der «Guardian» berichtet. Die Maidan-Aktivisten, die sich 2014 während des Krieges um den Donbass zusammengeschlossen hatten, nutzen Wärmebildkameras, um russische Truppen in der Nacht aus der Luft zu orten. Die Daten werden in Echtzeit an Artillerieverbände übermittelt, die danach präzise feuern können. Teilweise sind die Drohnen auch so gebaut, dass sie kleine Sprengsätze abwerfen können. Entsprechende Aufnahmen veröffentlichte Aeroroswidka auf ihrem Youtube-Kanal.

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Laut eigenen Angaben habe die Truppe mit nächtlichen Angriffen den Vormarsch des russischen Konvois auf Kiew gestoppt. Eine «einzelne kleine Einheit zerstörte zwei oder drei Fahrzeuge an der Spitze des Konvois, und danach blieb er stecken», sagt Aeroroswidka-Kommandant Jaroslaw Hontschar zum «Guardian».

In der Nacht seien ihre Drohnen unsichtbar, sagt ein Aeroroswidka-Soldat gegenüber der «Times». «Wir suchen uns den wertvollsten Truck im Konvoi aus, und dann schlagen wir präzise zu». Dies sei aufgrund des geringen Kollateralschadens sogar in besiedelten Gebieten möglich. Diese Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Militärexperten betonen aber, wie effektiv Drohnen gegen die russischen Truppen eingesetzt würden.

Das Starlink-System birgt auch Gefahren. Russische Einheiten können das Signal abfangen und den Standort der Geräte orten. Elon Musk setzte auf Twitter eine entsprechende Warnung ab.

Zudem gelang es russischen Einheiten offenbar, das Starlink-System zu stören und die Verbindungen zu unterbrechen (Englisch «jamming» genannt). Ein Software-Update soll das verunmöglichen, wie Musk bekannt gab.

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Hannes von Wyl, publiziert am 5. April 2022

Warum Söldner aus der Zentralafrikanischen Republik für Russland kämpfen wollen

Der Ukraine-Konflikt ist ein Krieg globalen Ausmasses. Nach der russischen Invasion vom 24. Februar positionierten sich nicht nur Regierungen von Washington bis Peking zum Krieg, etwa durch Waffenlieferungen oder Gaslieferverträge. Auch zahlreiche ausländische Milizen, paramilitärische Gruppierungen und individuelle Söldner haben sich seither den Kämpfen in der Ukraine angeschlossen – oder zumindest ihre Solidarität mit der einen oder der anderen Seite bekundet.

Diese Übersicht zeigt, welche Gruppierungen sich auf die Seite der russischen Streitkräfte gestellt haben. Eine Übersicht über die verschiedenen Milizen, die auf ukrainischer Seite kämpfen, publizierten wir weiter unten in diesem Blog am 31. März 2022.

Die Wagner-Gruppe

Die Wagner-Gruppe ist eine private russische paramilitärische Truppe, deren Söldner verdeckt in Ländern wie Armenien, Syrien, Sudan, Libyen, Mali, Zentralafrikanische Republik, Moçambique und nun auch in der Ukraine operieren. Die Gruppe wurde mutmasslich vom russischen Tschetschenienkriegsveteranen Dmitri Utkin gegründet, einem engen Vertrauten Putins sowie Nationalsozialismus-Nostalgiker mit SS-Tattoos auf seinen Schultern. Dies offenbart ein Tweet des Sprechers der polnischen Spezialkräfte, Stanislaw Zaryn.

Utkin soll den Kampfnamen Wagner gewählt haben, da Richard Wagner der Lieblingskomponist Hitlers war. Schätzungen gehen von mehreren Tausend Söldnern aus, die in Wagners russischer Schattenarmee aktiv sein sollen. Offizielle Angaben zur Truppenstärke gibt es jedoch keine. Finanziert wird die Truppe vermutlich vom Unternehmer Jewgeni Prigoschin, der wegen seines Catering-Unternehmens, das unter anderem den Kreml beliefert, auch als «Putins Koch» bekannt wurde.

Das britische Verteidigungsministerium teilte letzte Woche auf Twitter mit, dass Wagner-Truppen aus afrikanischen Ländern und Syrien abgezogen und in den Donbass verlegt worden sein sollen, um dort die ins Stocken geratene russische Invasion zu unterstützen:

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Wie Christo Grozev, Journalist bei der Investigativ- und Fact-Checking-Plattform Bellingcat, am Montag auf Twitter mitteilte, seien bereits erste Wagner-Söldner in Donezk gesichtet worden:

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Afrikanische Söldner

Die Wagner-Gruppe schickt jedoch nicht nur russische Söldner ins Ausland, sie nimmt auch ausländische Söldner unter Vertrag und bildet diese aus. So sollen gemäss Recherchen des amerikanischen Onlinemagazins «Daily Beast» rund 100 ehemalige Rebellen aus der Zentralafrikanischen Republik in Russland für einen Einsatz in der Ukraine ausgebildet worden sein.

In einem auf Twitter publizierten Video bekannte sich ein Trupp aus der Zentralafrikanischen Republik am 11. März zu Russland und verkündete, für einen Einsatz in der Ukraine «gewappnet» zu sein:

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Syrische Söldner

Russland mobilisierte nicht nur Truppen aus Afrika, um in der Ukraine zu kämpfen. Auch im Mittleren Osten rekrutierte Moskau seine Söldner. Alleine in Syrien sollen sich 40’000 Kämpfer registriert haben, um für Russland in der Ukraine in den Krieg zu ziehen, wie Rami Abdel Rahman, Direktor der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, gegenüber n-TV mitteilte. «In der Ukraine winkt den Söldnern ein Gehalt von rund 1000 Euro monatlich – rund 50-mal so viel, wie sie in Syrien verdienen würden», so Rahman.

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Wie die «New York Times» am Sonntag mitteilte, sei ein erstes Kontingent syrischer Soldaten bereits zur militärischen Ausbildung in Russland eingetroffen, bald gehe es weiter in die Ostukraine. Darunter seien mindestens 300 Soldaten einer syrischen Armeedivision, die eng mit russischen Offizieren zusammengearbeitet hatte, die während des Krieges zur Unterstützung von Präsident Assad nach Syrien gekommen waren.

Das südossetische Bataillon

Für die Unterstützung Russlands in vorangegangenen Kriegen revanchieren sich neben syrischen Söldnern auch südossetische Kämpfer im Ukraine-Konflikt. So unterstützte Russland die autonome georgische Republik Südossetien bereits im Kaukasuskrieg 2008 in ihren Sezessionsbestrebungen von Tiflis. Dabei drang Russlands Armee nach Georgien vor und anerkannte die Unabhängigkeit der abtrünnigen georgischen Republiken Südossetien und Abchasien.

Ihr Status wird bis heute mit Ausnahme von Russland und einigen anderen Staaten von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt. Dafür kann Russland heute auf die Loyalität eines südossetischen Bataillons zählen, das in einem Video seinen Kampfeinsatz in der Ukraine angekündigt hatte. Die Soldaten tragen dabei weisse Armbänder unter russischen Militärabzeichen und hissen die Flagge Südossetiens.

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Das tschetschenische Bataillon

Unter dem tschetschenischen Präsidenten und Kriegsveteranen Ramsan Kadyrow sollen mehrere Hundert Kämpfer aus der autonomen russischen Republik in der Ukraine kämpfen. Die sogenannten Kadyrowzy erwecken insbesondere in den sozialen Medien den Eindruck, als wären sie eine besonders schlagkräftige Truppe, wie folgendes Instagram-Video darlegen soll, das einige Kadyrowzy bei der angeblichen «Befreiung» Mariupols zeigt:

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Weshalb es sich dabei um ein klassisches Beispiel von «mehr Schein als Sein» handeln könnte, haben wir ausführlich im unten folgenden Blogbeitrag beschrieben.

Philippe Stalder, publiziert am 4. April 2022

Ramsan Kadyrow, der tschetschenische «Tiktok-Warlord»

90 bis 95 Prozent von Mariupol seien bereits «befreit von den Banditen, Nazis und Teufeln». Und in den «befreiten Gebieten» kehre bereits wieder «das Leben zurück». Diese Behauptungen stammen aus dem Telegram-Kanal des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow.

Ramsan Kadyrow inszeniert sich als Befreier Mariupols. Bild: Telegram/Ramsan Kadyrow

Dutzende Videos sollen offenbar den Eindruck erwecken, dass es Kadyrows eigene Truppe aus Tschetschenien ist, die sogenannten «Kadyrowzy», die für Putin in Mariupol an vorderster Front kämpfen. Und die Schlacht quasi im Alleingang gewinnen.

Dafür gibt es jedoch keine Bestätigungen von unabhängiger Seite. Im Gegenteil: Internationale Medien wie Politico oder Twitter-Nutzer sammeln Beweise dafür, dass Kadyrows Rolle in Putins Krieg hauptsächlich in seiner Selbstinszenierung in sozialen Medien besteht.

Dort hat Kadyrow ein bedeutendes Publikum aufgebaut. Auf der russischen Messaging-Plattform Telegram folgen ihm mehr als 1,5 Millionen Leute. Auf Instagram waren es sogar 8,4 Millionen, bevor sein Account aufgrund der westlichen Sanktionen im Februar gesperrt wurde. Im russischen Facebook-Klon VKontakte haben fast 900’000 Menschen Kadyrows Beiträge abonniert, auf Tiktok sind es mehr als 300’000 Follower.

Auf Kadyrows Seiten in den sozialen Medien werden alle paar Stunden neue Videos hochgeladen. Die Bilder zeigen meist angeblich siegreiche tschetschenische Truppen in der Ukraine, und sie erreichen ein Millionenpublikum. Doch bei so manchen Beiträgen bestehen Zweifel, ob sie überhaupt das zeigen, was sie angeblich darstellen sollen.

Anfang dieser Woche soll sich Kadyrow in Mariupol aufgehalten haben. Ein Video zeigt ein Treffen mit Denis Puschilin, Präsident der selbsternannten Volksrepublik Donezk und dem russischen General Andrei Mordwitschew.

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Der russische General soll aber laut ukrainischen Angaben Mitte März bei einem Angriff auf den Flughafen bei Cherson getötet worden sein. Entweder stimmen die ukrainischen Angaben nicht oder Kadyrows Treffen mit Mordwitschew fand zu einem früheren Zeitpunkt statt.

Handfestere Belege für einen PR-Stunt gibt es zu einem angeblichen Truppenbesuch Kadyrows kurz vor Kiew Mitte März. Die ukrainische Online-Zeitung «Ukrainska Prawda» konnte nachweisen, dass Kadyrows Mobiltelefon zu jener Zeit mit einer Antenne in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny verbunden war, dass er sich also kaum zur selben Zeit in der Ukraine aufgehalten hat.

Reichlich skurril wirkt auch Kadyrows Inszenierung angeblicher Beutefahrzeuge der ukrainischen Armee. Mit solchen FKahrzeugen liess er sich in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny filmen, setzte sich selbst ans Steuer, lobte die Qualität der gepanzerten Fahrzeuge und verkündete danach, dass «wir diese Banderowzy, Faschisten und Teufel alle vernichtet haben».

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Im Film sind freilich blitzblanke Militärfahrzeuge zu sehen, praktisch im Neuzustand. Ohne jegliche Schramme, ohne auch nur einen Kratzer im Lack. Die Aufnahmen wirken eher wie ein Werbefilm vom Autosalon Genf.

Und überhaupt: Wenn die Fahrzeuge so gut und nützlich seien, warum würden sie dann aus dem Kriegsgebiet bis ins weit entfernte Tschetschenien gebracht, fragt ein Twitter-Nutzer.

Einige Kampfszenen von Kadyrows Kämpfern wirken zudem gestellt. In einem Video, das Tschetschenen im Häuserkampf in Mariupol zeigen soll, sind laut dem weissrussischen Oppositionsmedium «Nexta» klare Anweisungen des Kameramannes zu hören. Andere Aufnahmen zeigen, wie tschetschenische Truppen ohne ersichtlichen Grund auf Strassenampeln feuern.

«Nexta» kommentiert die Schüsse als einen «hart errungenen Sieg im Gefecht mit Verkehrsampeln. Keine Toten oder Verletzte wurden gemeldet.» Die tschetschenischen Einheiten werden aufgrund solcher Videos in sozialen Medien als «Tiktok-Krieger» verspottet.

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Dass proukrainische Portale ein Interesse daran haben, Kadyrows Einsätze auf Seiten Putins in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen, ist erwartbar. Doch Kritik kommt selbst von Kadyrows Kampfgefährten So kritisierte der Kommandant des «Ost-Bataillon» der international nicht anerkannten «Volksrepublik Donezk», Alexander Khodakowsky, dass die bei Mariupol eingesetzten Kadyrowzy viel zu leicht bewaffnet und nicht kampfbereit seien und so nur Verwirrung in der Kampfzone schaffen würden.

Ein paar Tage später musste sich Khodakowsky für diese Aussagen auf Kadyrows Telegram-Kanal entschuldigen: Er sei schlecht informiert gewesen.

Ramsan Kadyrow posiert mit seinen Kämpfern. Foto: Telegram/Ramsan Kadyrow

Die offensichtlichen Schwächen in Kadyrows Darstellungen scheinen seine Anhänger nicht zu stören. Die Follower seines Telegram-Kanals sollen sich seit Kriegsbeginn verzwanzigfacht haben. Dem russischen Publikum bieten solche Inszenierungen offenbar Bestätigung für die Effektivität der «militärischen Sonderoperation» in der Ukraine. Und Kadyrow weiss, wie er die Klaviatur der sozialen Medien am besten spielt: Indem er auf jede Provokation einsteigt, jeden Unsinn mit noch mehr Unsinn kontert.

Als der US-Milliardär Elon Musk Putin zum Boxkampf herausforderte, schritt Kadyrow zur Verteidigung seines Schutzherrn in Moskau und lud Musk über Telegram zu einem Spezialtraining in Grosny ein, um ihn zu einem echten Mann («von Elona zu Elon») zu machen. Musk stellte die Antwort dann prompt noch auf seine Twitter-Seite und machte Kadyrow damit auch noch unter seinen knapp 80 Millionen Followern bekannt.

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Der heute 45-jährige Kadyrow kam in Tschetschenien 2007 an die Macht, als indirekter Nachfolger seines Vaters Achmat Kadyrow, der 2004 ermordet wurde. Im Gedenken an den Vater schuf der Sohn die Parole «Achmat – Sila» (Achmat – Stärke), die seine Soldaten nun in jedem Youtube-Video brüllen müssen und zu der ein eigenes Lied komponiert wurde.

Kadyrow junior gilt als besonders grausamer Führer, die USA stellten ihn für seine Menschenrechtsverletzungen 2017 unter Sanktionen und dehnten diese 2020 auf Personen und Firmen in seinem Umfeld aus. Unter anderem soll Kadyrow hinter Morden an Kritikern seines Regimes in Westeuropa sowie an den russischen Oppositionellen Boris Nemzow und Anna Politkowskaja stehen.

Ramsan Kadyrow geniesst die uneingeschränkte Unterstützung Wladimir Putins und bezeichnet sich im Gegenzug gerne selbst als «Putins Fusssoldat». Zuletzt tritt er in seinen Videos auf Telegram und VKontakt mehr als Pressesprecher auf – für Putin und für sich selbst.

Bernhard Odehnal und Hannes von Wyl, publiziert am 1. April 2022

Sogar ein Influencer aus Südkorea kämpft für die Ukraine

Der Ukraine-Konflikt ist ein Krieg globalen Ausmasses. Nach der russischen Invasion vom 24. Februar positionierten sich nicht nur Regierungen von Washington bis Peking zum Krieg, etwa durch Waffenlieferungen oder Gaslieferverträge. Auch zahlreiche ausländische Milizen, paramilitärische Gruppierungen und individuelle Söldner haben sich seither den Kämpfen in der Ukraine angeschlossen – oder zumindest ihre Solidarität mit der einen oder der anderen Seite bekundet.

Diese Übersicht zeigt, welche Gruppierungen sich auf die Seite der ukrainischen Streitkräfte gestellt haben. Eine Übersicht über die ausländischen Gruppierungen auf russischer Seite folgt demnächst.

Die internationale Fremdenlegion

Bereits wenige Tage nach der russischen Invasion rief der ukrainische Präsident Selenski Sympathisanten aus aller Welt dazu auf, eine internationale Fremdenlegion zu bilden: «Jeder, der sich der Verteidigung der Ukraine, Europas und der Welt anschliessen will, kann kommen und Seite an Seite mit den Ukrainern gegen die russischen Kriegsverbrecher kämpfen.» Das Verteidigungsministerium erstellte dazu eigens ein Propagandavideo sowie eine Website, die Interessierte mit den nötigen Informationen zum Rekrutierungsprozess versorgte.

Laut dem ukrainischen Aussenminister Dmitro Kuleba sollen seither rund 40’000 Männer aus 52 Ländern dem Aufruf gefolgt sein und sich der «International Legion of Defense of Ukraine» angeschlossen haben. Auf folgenden Fotos sind litauische Soldaten zu sehen, die für die ukrainischen Fremdenlegion in den Krieg gezogen sind:

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Die Ukraine rekrutierte die Fremdenlegionäre nicht nur im Westen, auch in Afrika und im asiatischen Raum warben Botschaften der Ukraine freiwillige Kämpfer an. Jedoch nicht immer zur Freude der Staaten, denen die Freiwilligen angehören.

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So verurteilte etwa Dakar das Bestreben der ukrainischen Botschaft, Senegalesen für den Kampf in der Ukraine zu rekrutieren. Dies sei ein klarer Verstoss des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen. Das senegalesische Aussenministerium erinnerte die 36 senegalesischen Bewerber in einem Schreiben daran, dass fremder Militärdienst strafbar sei und sie das Land zu diesem Zweck nicht verlassen dürften. In Nigeria war es nicht die Regierung, sondern die Kämpfer selbst, die unzufrieden waren mit der Rekrutierung der ukrainischen Botschaft:

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So sollen sich gemäss dem nigerianischen Onlinemagazin «PM News» rund 400 Nigerianer auf der ukrainischen Botschaft in Abuja für die Fremdenlegion beworben haben. Als sie herausgefunden hatten, dass sie 1000 Dollar fürs Flugticket und das Visum hätten bezahlen müssen und dass sie finanziell nicht wie Söldner sondern wie Freiwillige kompensiert worden wären, hätten die meisten von ihnen das Interesse verloren, erklärte der Botschaftssekretär Bohdan Soltys gegenüber «PM News». Ob nigerianische Freiwillige die Reise in die Ukraine schlussendlich angetreten haben, ist unklar.

Bis zu einem Jahr Freiheitsentzug

Wie Senegal verbietet auch Südkorea seinen Bürgern, unter fremder Flagge für ein anderes Land zu kämpfen, und bestraft Verstösse mit bis zu einem Jahr Freiheitsentzug. Das hielt den südkoreanischen Influencer und ehemaligen Navy-Leutnant der südkoreanischen Armee Ken Rhee jedoch nicht davon ab, sich den ukrainischen Streitkräften anzuschliessen:

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Während es in Deutschland nur aktiven Bundeswehrsoldaten untersagt ist, für fremde Armeen zu kämpfen, und die britische Aussenministerin Liz Truss sich sogar öffentlich für die ukrainische Fremdenlegion starkmachte, wird fremder Militärdienst in der Schweiz mit bis zu drei Jahren Freiheitsentzug geahndet. Die Justizminister Frankreichs, Deutschlands, der Niederlande, Spaniens, Italiens, Luxemburgs und Belgiens erklärten am Montag in einer Mitteilung, dass sie ihren Bürgern «einstimmig stark davon abraten, sich den Reihen der Fremdenlegion anzuschliessen».

Neben den internationalen Kämpfern, die sich der offiziellen ukrainischen Fremdenlegion angeschlossen haben, gibt es noch zahlreiche weitere ausländische Einheiten oder Einzelkämpfer, die an der Seite der ukrainischen Armee kämpfen sollen:

Das weissrussische Kalinouski-Bataillon

Das nach eigenen Angaben rund 200 Mann starke Kalinouski-Bataillon besteht aus Freiwilligen und hat sich nach dem weissrussischen Schriftsteller und antirussischen Revolutionär Kastus Kalinouski benannt. Es wurde am 5. März als Reaktion auf die russische Invasion in die Ukraine gegründet und verkündete am letzten Freitag in einem Video, dass es sich nun offiziell der ukrainischen Armee angeschlossen habe.

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Die Soldaten im Video sprechen gemäss dem «Kyiv Independent» traditionelles Weissrussisch und zeigen die weiss-rot-weisse Flagge der alten weissrussischen Volksrepublik, die bis zur Eingliederung in die Sowjetunion 1918 verwendet wurde. Der prorussische Präsident Weissrusslands und Putin-Vertraute Alexander Lukaschenko bezeichnete das Kalinouski-Bataillon als eine «Ansammlung durchgeknallter Bürger».

Das tschetschenische Scheich-Mansur-Bataillon

Das Scheich-Mansur-Bataillon soll aus Tschetschenen bestehen sowie aus Freiwilligen aus den Nachbarregionen Inguschetien, Dagestan und Nordossetien. Sie alle träumen von der Unabhängigkeit von Russland und kämpften dafür bereits an der Seite von Jihadisten in Syrien und von ukrainischen rechten Paramilitärs im Donbass gegen die russische Armee.

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Das Bataillon ist benannt nach Scheich Mansur dem Siegreichen, einem tschetschenischen Militärkommandanten, der im 18. Jahrhundert den Widerstand gegen die russische Expansionspolitik in den Kaukasus unter der Zarin Katharina der Grossen anführte.

Das aserische Bataillon

Diese aserischen Freiwilligen erklären im Video, dass sie bereit sind, der Ukraine beim Schutz ihrer Heimat zu helfen. Dabei richtet sich ihr Anführer direkt an den tschetschenischen Kriegsherrn Ramsan Kadyrow: «Deine sogenannte Tapferkeit und angebliche Ehrenhaftigkeit besteht nur in deinen Worten. Putin hat deine Kämpfer in den Tod geschickt, während Selenski bei seinem Volk steht.»

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Die Involvierung der aserischen Miliz im Ukraine-Krieg erklärt sich vor dem Hintergrund des Berg-Karabach-Konflikts zwischen Aserbeidschan und Armenien, in dem Russland als Schutzherr Armeniens auftrat und aserischen Interessen entgegenwirkte, indem es eine Waffenruhe durchsetzte. Aserbeidschan wollte weitere Gebiete zurückerobern, die Berg-Karabach mit armenischer Unterstützung nach einem bis 1994 andauernden Krieg besetzen konnte.

Das georgische Bataillon

Auf diesem Foto präsentiert sich das in die ukrainischen territorialen Verteidigungsstreitkräfte eingegliederte georgische Bataillon um Irakli Okruaschwili, den ehemaligen Verteidigungsminister Georgiens (5.v.l.). Okruaschwili bekleidete unter der Administration des damaligen Präsidenten Michail Saakaschwili verschiedene wichtige Ämter, 2006 wurde er jedoch abgesetzt und 2007 wegen Vorwürfen der Erpressung, der Geldwäsche und des Amtsmissbrauchs festgenommen.

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Ein Jahr später drang Russlands Armee im Kaukasus-Krieg nach Georgien vor und anerkannte die Unabhängigkeit der abtrünnigen georgischen Republiken Südossetien und Abchasien. Ihr Status wird bis heute mit Ausnahme von Russland und einigen anderen Staaten von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt.

Philippe Stalder, publiziert am 31. März 2022