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Meinung

Kolumne «Miniatur des Alltags»
Das Prinzip Rüebli

Die Schnürsenkel schnüren, weil man an die frische Luft möchte? Oder weil die Fitness-App einem sagt, man müsste? Das ist die Frage.
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Ich halte wenig vom sogenannten Rüebli-Prinzip. Also der Idee, dem sprichwörtlichen Esel ein Rüebli vor die Nase zu halten, das er zwar sieht, aber nicht erreicht, um ihn zum Vorwärtsgehen zu bewegen. Wie mir scheint, ist es jedoch in der aktuellen Gesellschaft allgegenwärtig, insbesondere in der Erziehung.

Um Kindern beispielsweise das Lesen schmackhaft zu machen, sind Onlineportale wie Antolin geschaffen worden. Dort können Quizfragen zu Büchern beantwortet und Punkte gewonnen werden. Und Bibliotheken versuchen, Kinder mit Lesewettbewerben fürs Lesen zu begeistern – wer daran teilnimmt, hat die Chance, ein Gesellschaftsspiel, einen Ball oder sogar ein Trottinett zu gewinnen.

Das ist alles schön und gut, aber nichts für mich. Ich lese dann, wenn ich will, und nicht, weil ich irgendeinen Lesepass vollkriegen muss. Und ich treibe dann Sport, wenn ich will, und nicht, weil irgendein Fitnesstracker es gut fände. Ich bin überzeugt, dass das viel zur persönlichen Zufriedenheit beiträgt. Leider ist das nur die halbe Wahrheit. In Tat und Wahrheit lese ich nämlich nicht, wenn ich will, sondern wenn ich kann – meist schlafe ich ziemlich schnell ein. Und Sport mache ich nur dann, wenn ich Zeit und Lust habe.

Darum habe auch ich jetzt eine Fitness-App auf meinem Handy aktiviert. Sie zählt unter anderem meine Schritte. So bescheuert ich es auch finde, getrackt zu werden – die kleinen farbigen Ringe sind ein ziemlich effizienter Anreiz. Sie schliessen sich nämlich nur, wenn ich mich jeden Tag genügend bewege. Und wenn sie das tun, sinkt meine Krankenkassenprämie. Also drehe ich auch bei schlechtem Wetter über Mittag eine Runde oder hänge bei der Schneeschuhtour noch eine Zusatzschlaufe an. Mal sehen, wie lange ich mir selbst auf den Leim gehe.