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Freihandelsvertrag mit Indonesien
Die Männer haben den Indonesien-Deal gerettet

Kommt nach dem Palmöl-Streit der Rindfleisch-Streit? Auch das Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten könnte vors Volk kommen.
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Die Abstimmung war historisch. Erstmals seit fast fünfzig Jahren hat das Volk über einen Freihandelsvertrag abgestimmt, erstmals seit 1972, als das Volk dem Freihandelsabkommen mit der EU zustimmte – mit über 72 Prozent Ja-Stimmen.

Was für ein Kontrast zu diesem Sonntag! Nur gerade 51,6 Prozent mochten schweizweit ein Ja für Freihandel mit Indonesien in die Urne legen. In fünf welschen Kantonen sowie in Basel-Stadt sagten die Stimmbürger sogar mehrheitlich Nein zum Handelsvertrag mit dem viertgrössten Land der Welt.

Die Tamedia-Nachbefragung zeigt, dass die Männer das Abkommen gerettet haben. Wäre es nur nach den Frauen gegangen, hätte es ein Nein gegeben – gemäss Nachbefragung sagten sie mit 55 Prozent Nein. Auch die unter 35-Jährigen stimmten gemäss der Nachbefragung mehrheitlich Nein. Kaum Unterschiede gab es hingegen im Stimmverhalten von Stadt und Land.

Der knappe Ja-Entscheid überrascht vor allem darum, weil das Nein-Komitee nicht besonders potent wirkte. Das Referendum wurde angeführt vom Genfer Biowinzer Willy Cretegny, der in der Deutschschweiz kaum bekannt ist. Unterstützt wurde Cretegny zwar von Umweltorganisationen wie Uniterre oder Pro Natura. Doch nicht einmal die SP unterstützte das Referendum geschlossen. Und selbst die Grünen engagierten sich bloss auf Sparflamme für ein Nein.

Willy Cretegny, ein Genfer Biowinzer, hat mit seinem Referendum über 48 Prozent der Stimmbürger überzeugt. 

Dass diese Gegner nun gegen das geschlossene bürgerliche Lager, gegen den Bundesrat und gegen alle Wirtschaftsverbände über 48 Prozent Nein-Stimmen erreichen, ist bemerkenswert. Es könnte zum Fanal für die Schweizer Wirtschaftspolitik werden, wie selbst Vertreter des knapp siegreichen Lagers einräumen.

Bis jetzt habe sich die Schweiz in ihren Handelsverträgen auf Handelsaspekte konzentriert, sagt Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (Mitte). Doch die Abstimmung zeige, «dass die Schweizer Bevölkerung nur noch freien Handel will, wenn auch Umwelt und Menschenrechtsaspekte Teil der Abkommen sind». Künftige Handelsabkommen müssten zwingend auch Bestimmungen zur Ökologie und zu den Menschenrechten enthalten – sonst seien diese kaum mehr mehrheitsfähig, sagt Schneider-Schneiter.

Das Indonesien-Abkommen enthält eine Nachhaltigkeitsbestimmung beim Palmöl. Solche Klauseln seien nun der «Mindeststandard», kündigt SP-Nationalrat Fabian Molina an. Mit weniger werde sich die politische Linke bei künftigen Abkommen nicht mehr zufriedengeben. Zudem fordert die SP, dass der Bundesrat ein spezielles Aussenwirtschaftsgesetz erarbeite. Dieses, so Molina, müsse unter anderem Sanktionen enthalten für den Fall, dass die Bestimmungen eines Freihandelsabkommens verletzt würden.

«Weiter gehts gegen Mercosur»

Tatsächlich stehen zahlreiche weitere Freihandelsabkommen in der Pipeline. Mit Indien, Malaysia und Vietnam laufen Verhandlungen. Bestehende Abkommen mit Chile, Mexiko und der Südafrikanischen Zollunion sollen ausgeweitet werden. Zudem will der Bundesrat 2021 auch mit Thailand Verhandlungen aufnehmen.

Am weitesten fortgeschritten ist das Abkommen mit den vier südamerikanischen Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay. Die Verhandlungen sind seit eineinhalb Jahren abgeschlossen, trotzdem ist der Abkommenstext noch immer nicht publik. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) erklärt das unüblich lange Schweigen so: Juristische Überprüfungen hätten gezeigt, dass in gewissen Vertragspassagen «unterschiedliche Interpretationen bestehen». Diese müssten mit den Südamerikanern nun geklärt werden. Wegen der Corona-Pandemie und eines Regierungswechsels in Argentinien haben sich diese Klärungen verzögert. Wann der Abkommenstext unterschriftsreif sei, sei derzeit «unklar», sagt das Seco.

Das Mercosur-Abkommen könnte das nächste sein, das vors Volk kommt. Aline Trede, die Fraktionschefin der Grünen, gibt es bereits zum Abschuss frei. «Weiter gehts gegen Mercosor», schrieb Trede auf Twitter.

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Beim Mercosur steht für die Schweizer Wirtschaft viel mehr auf dem Spiel. Allein die Schweizer Exporte nach Brasilien sind um ein Vielfaches grösser als jene nach Indonesien.

Einer der umstrittenen Punkte beim Mercosur-Abkommen wird nicht das Palmöl sein, sondern die Fleischproduktion. SP-Nationalrat Molina sagt nun, auch in diesem Abkommen müsse es – ähnlich wie beim Palmöl – verbindliche Vorschriften zu den Prozess- und Produktionsmethoden geben. Bisher gibt es keine Hinweise, dass der ausgehandelte Vertragstext solche Bestimmungen enthält.

Kommt es jetzt auf die Bauern an?

Noch schwieriger wird die Ausgangslage für das Mercosur-Abkommen, weil hier nicht nur Opposition von Links-Grün, sondern auch von den Bauern droht.

Zu Indonesien hat der Bauernverband die Ja-Parole ergriffen. Ob er auch zum Mercosur-Abkommen Ja sagen wird, ist heute aber fraglich. Der Berner SVP-Nationalrat und Landwirt Andreas Aebi macht klar, dass die Bauern mit sehr viel Skepsis auf den Inhalt des Mercosur-Vertrags warten. Es könne nicht sein, sagt Aebi, dass die Schweizer Landwirtschaft durch ökologische Vorschriften eingeschränkt werde und dann Freihandel mit Ländern geschlossen werde, in welchen solche Vorschriften nicht gälten. Aebi prognostiziert: «Das Mercosur-Abkommen wird an der Urne viel schwieriger zu gewinnen sein als jenes mit Indonesien.»

«Die Wirtschaft muss den Stimmbürgern aufzeigen, wie sehr die Schweiz als Exportnation auf solche Abkommen angewiesen ist.»

Jan Atteslander, Economiesuisse

Diese schwierige Ausgangslage ist auch dem Wirtschaftsverband Economiesuisse nicht verborgen geblieben. Es sei nun äusserst wichtig, dass die Nachhaltigkeitsbestimmungen im Indonesien-Abkommen gut umgesetzt würden, sagt Jan Atteslander, Leiter Aussenhandelspolitik bei Economiesuisse. Das müsse vom Bund auch – wie in der Verordnung vorgesehen – kontrolliert werden. Zudem, sagt Atteslander, müsse die Wirtschaft den Stimmbürgern aufzeigen, «wie sehr die Schweiz als Exportnation auf solche Abkommen angewiesen ist – gerade der Mercosur ist ein wichtiger Exportmarkt».

Einer der befragten Politiker hat jedoch eine etwas andere Interpretation des Abstimmungsresultats vom Sonntag. Für FDP-Ständerat Ruedi Noser ist das Resultat nicht wegen der Palmöl-Frage derart knapp ausgefallen. Für die Schweizer Exportwirtschaft seien solche Abkommen sehr wichtig, die Palmöl-Frage sei im Vergleich dazu völlig irrelevant, sagt Noser. Er erklärt das schlechte Abstimmungsresultat anders – nämlich damit, «dass der Bundesrat und sämtliche Institutionen aufgrund ihrer Fehler in der Corona-Pandemie ihre Glaubwürdigkeit bei den Stimmbürgern eingebüsst haben».