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Forschung und Landwirtschaft
Die Gentech-Lobby schrieb bei Röstis neuem Gentech-Gesetz mit

Karikatur einer Person am Tisch, die lächelnd auf ein Schild zeigt. Das Schild trägt die Aufschrift ’Gentechnik-Spezialgesetz’. Eine Sprechblase sagt: ’Bitte geraten Sie jetzt nicht gleich in Panik, bloss weil Sie wieder mal das Wort Gentechnik hören!’
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In Kürze:
  • Das Gentechnikgesetz soll möglicherweise um fünf Jahre verlängert werden.
  • Die Wissenschaft hat mit der Genschere Crispr/Cas bedeutende Fortschritte gemacht.
  • Ein neues Gesetz soll Pflanzen aus neuen Züchtungstechnologien regulieren.
  • Gegner fordern eine Deklarationspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel.

Es ist wieder «Mais im Bundeshuus». Ein Film mit diesem Titel zeichnete 2003 die Entstehung des Gentechnikgesetzes nach und gehört bis heute zu den meistgesehenen Dokumentarfilmen der Schweiz. Das Gentechnikgesetz schützt seither «Mensch, Tier und Umwelt vor Missbräuchen der Gentechnik».

Zusätzlich zum Gesetz gilt seit 2005 ein Moratorium für den Einsatz von Gentechnik in der Schweizer Landwirtschaft. Mehrfach hat das Parlament das Verbot verlängert. Am Donnerstag wird der Nationalrat wieder darüber abstimmen – und sehr wahrscheinlich nochmals um fünf Jahre verlängern.

Doch in der Zwischenzeit hat die Wissenschaft riesige Fortschritte in der Gentechnik gemacht. 2020 erhielten zwei Forscher den Chemienobelpreis für die Entdeckung der Genschere. Die sogenannte Crispr/Cas-Methode erlaubt einen gezielten Eingriff in das Erbgut. Die Chemie- und Pharmaindustrie drängt auf eine Zulassung der neuen Technik. Und die konventionelle Landwirtschaft erhofft sich einen effizienteren Einsatz von Ressourcen und Pestiziden dank der so veränderten Pflanzen.

Das Parlament hatte den Bundesrat deshalb beauftragt, eine Zulassungsregelung für die neue Technik auszuarbeiten. Im letzten Herbst entschied der Bundesrat, ein neues Gesetz vorzulegen, statt die neue Gentechnik im Rahmen des Gentechnikgesetzes zu regeln. Es soll in den kommenden Wochen im Bundesrat besprochen werden. Der Entwurf liegt dieser Redaktion vor.

Aus «Gentechnik» wird: «neue Züchtungstechnologien»

Im Hintergrund haben sich die Lobby-Organisationen positioniert. Druck für einen Einsatz der neuen Methode macht der Verein «Sorten für morgen», bei dem sich auch die Grossverteiler Migros und Coop engagieren. 

Der Verein reichte im vergangenen Herbst beim Departement Rösti einen Entwurf für ein «Bundesgesetz über gezüchtetes pflanzliches Vermehrungsmaterial nach neuen Verfahren» ein. Dieses sah eine möglichst schrankenlose Zulassung vor – und vermied das Wort Gentechnik.

Denn die Gentechnik hat beim Volk einen schweren Stand. Das wissen sowohl ihre Befürworter als auch der zuständige Bundesrat Albert Rösti. In einer ersten Version war noch vom «Bundesgesetz über die neuen gentechnischen Verfahren in der Pflanzenzüchtung» die Rede. In der letzten Version wurde daraus das «Bundesgesetz über Pflanzen aus neuen Züchtungstechnologien» – der Begriff Gentechnik verschwand aus dem Titel. Beim Verein «Sorten für morgen» heisst es, man habe einen Gesetzesentwurf im vergangenen Sommer ausgearbeitet und danach breit verteilt. Man hoffe, dass sich «Bundesrat und Parlament davon inspirieren» liessen. «Dass der Bundesrat den Weg über ein Spezialgesetz wählt, haben wir erfreut zur Kenntnis genommen.»

Röstis Sprecherin Franziska Ingold sagt dazu: «Es kommt durchaus vor, dass Verbände oder Organisationen eigene Vorschläge oder Entwürfe einreichen.» Man habe im laufenden Prozess zur Ausarbeitung des neuen Gesetzes auch kritische Organisationen angehört, darunter etwa Bio-Suisse.

Röstis Spezialgesetz laut Kritikern «ein Etikettenschwindel»

Für die Eidgenössische Kommission für Biotechnologie im Ausserhumanbereich, die sich im Auftrag des Bundesrats um die Bewertung der neuen Technologie kümmert, «ist es naturwissenschaftlich unbestritten, dass es sich bei den Verfahren, die hier zur Debatte stehen, um gentechnische Verfahren handelt», wie sie in einer Stellungnahme festhielt. Auch das Bundesamt für Justiz kritisierte das Vorgehen des Bundesrats: Mit dem Spezialgesetz, so schrieb das BJ, «könnte fälschlicherweise angenommen werden, dass es sich nicht um gentechnisch veränderte Organismen handelt». 

Der frühere Zürcher Regierungsrat Martin Graf, der sich heute im gentechkritischen Verein Gen Au Rheinau engagiert, sieht in der Umbenennung ein «Ablenkungsmanöver». Demgegenüber ist die Betitelung des Gesetzes für GLP-Nationalrat Martin Bäumle nicht so wichtig. Für viel zentraler hält der ETH-Chemiker und Befürworter der neuen Technik die Regeln, wie der Einsatz erlaubt werden kann. Die heutige Gentechnik sei mit der alten Mutagenese, wo Pflanzen durch Chemie oder Radioaktivität verändert wurden, nicht mehr zu vergleichen. «Mit der Genschere bearbeitete Pflanzen kann man von natürlichen Pflanzen gar nicht mehr unterscheiden», gibt Bäumle zu bedenken. SP-Nationalrätin Simona Brizzi sagt: «Wichtig ist, dass die Zulassung der neuen Techniken klar geregelt, die Kompatibilität mit der EU gegeben ist und die Konsumenten korrekt informiert sind.»

Derweil macht die gegnerische Lobby Druck mit der Lebensmittelschutzinitiative. Diese fordert eine Deklarationspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel und den Schutz der gentechnikfreien Biolandwirtschaft. Und sie will den Gesetzesentwurf besonders kritisch unter die Lupe nehmen und allenfalls das Referendum ergreifen: «Wir stehen für eine gentechnikfreie Landwirtschaft», sagt Claudia Vaderna von der Allianz Gentechfrei. «Ist diese in Gefahr, werden wir handeln.»