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Das Leben nach der Flut – wie der Alltag in Cherson nach dem Hochwasser aussieht
Über 11’000 Häuser auf beiden Seiten des Dnjepr wurden nach dem Dammbruch komplett überflutet. Die Aufräumarbeiten werden noch Monate andauern. Eindrücke aus einem inzwischen vergessenen Katastrophengebiet.
Zwei Monate sind seit dem verheerenden Dammbruch des Kachowka-Stausees in der Region Cherson vergangen. 600 Quadratkilometer, die Fläche des Kantons Glarus, wurden überflutet. Zeitweise war der Pegel des Dnjepr mehr als fünfeinhalb Meter über seinen Normalstand angestiegen. Mindestens 60 Menschen fanden in den Fluten den Tod. Das Wasser ist inzwischen wieder abgeflossen. Geblieben sind massive Zerstörungen an den Häusern, der Strom- und Wasserversorgung und der Infrastruktur.
Gemäss einer Analyse der Kyiv School of Economics wurden auf beiden Seiten des Flusses 11’000 Häuser vollständig überflutet, 6500 teilweise. Bei 33’000 Gebäuden geht man von einer «potenziellen» teilweisen Überflutung aus, wie durch die Analyse von Satelliten- und Open-Source-Daten festgestellt werden konnte.
Die Kyiv School of Economics beziffert den totalen Schaden, der durch die Überflutung entstanden ist, auf rund 2 Milliarden US-Dollar. Rund die Hälfte machen Schäden an Privathäusern aus. Auf den Energiesektor entfällt mehr als ein Viertel des durch die Explosion des Wasserkraftwerks verursachten Schadens: 586 Millionen Dollar. Die jährlichen wirtschaftlichen Verluste, die dem ukrainischen Stromunternehmen Ukrhydroenergo durch die Zerstörung des Kraftwerks entstehen, belaufen sich auf über 100 Millionen US-Dollar.
Die Reparatur der nach Schätzungen rund 290 Kilometer Strassennetz, die durch die Flut beschädigt wurden, werden weitere 311 Millionen US-Dollar kosten. Am stärksten beschädigt wurden die Gemeindestrassen, die über 50 Prozent des motorisierten Verkehrsnetzes ausmachen. Am rechten Ufer des Dnjepr wurden die Verkehrsverbindungen gemäss der Kyiv School of Economics auf den Hauptstrassen bis zum 19. Juni 2023 wiederhergestellt.
Auch wenn bereits zwei Monate seit dem Dammbruch vergangen sind, ist die Beurteilung der Schäden noch lange nicht abgeschlossen. Derzeit werden die Zerstörungen durch Vertreter der ukrainischen Baubehörden genauer begutachtet. «Das Ausmass der Schäden ist wirklich schockierend», erklärte Olena Vasylko von der Baubehörde der Region Lwiw gegenüber der Deutschen Welle. Sie leitet eine Expertenkommission, welche die Schäden an Privateigentum im Zentrum der Stadt Cherson analysiert.
«Es wird weitere Schäden an den Häusern geben, wenn sie trocknen» erklärte Vasylko weiter. Sie hat eine neue Bebauung für den unteren Teil der Tschaikowsky-Strasse im Zentrum von Cherson vorgeschlagen. Eine Entscheidung über das Projekt sei aber erst nach dem Ende des Krieges möglich.
Ihr Kollege Leonid Vosnyuk, Architekturprofessor am Polytechnikum von Lwiw, betonte, dass das Hochwasser für viele Gebäude zu lange angehalten habe und gerade die Häuser aus der Mitte des 20. Jahrhunderts schlecht damit zurechtgekommen seien. «Es gibt Mauern aus Baumstämmen, die auf Lehm gebaut wurden. Einige Fachwerkhäuser waren aus Lehm und Schilfrohr gebaut. Der Lehm wurde durch das Hochwasser vollständig weggeschwemmt. Einige der Fundamente wurden ebenfalls weggeschwemmt, und wir wissen immer noch nicht, was mit dem Sockel passiert ist.» Drei der vier Häuser, die sie inspiziert hätten, müssten abgerissen werden.
Hunderte von Bewohnern seien nicht in ihre Häuser zurückgekehrt, betonte Vosnyuk von der Expertenkommission gegenüber der Deutschen Welle. Viele wüssten nicht, ob sie jemals wieder darin leben würden. Dennoch sei die Stimmung bei der Bevölkerung besser, als er erwartet habe. «Ich bin beeindruckt von der Freundlichkeit und der positiven Einstellung der Menschen hier.»
Simon Angelo Meier ist seit 2023 Redaktor am Newsdesk von Tamedia.Mehr Infos