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Meinung

Kommentar zum Vergessen von Pandemien
Das kollektive Gedächtnis hat versagt

Weil es zwischen 1882 und 1976 keine gab, vergass die Schweiz, wie man sich vor grossen Naturkatastrophen schützt. Ähnliches ist mit dem kollektiven Gedächtnis für Pandemien passiert. Auf dem Bild ein Hochwasser bei Frutigen.
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Zu Beginn der Pandemie schien es, als ob die Schweiz glimpflich davonkommen würde. Die erste Welle verlief im Vergleich zu anderen Ländern milde, es gab zwar auch eine Übersterblichkeit hierzulande, aber keine riesige. Als im Anschluss an die erste Welle sogar weniger Menschen als erwartet starben, machte sich im Land die Meinung breit: Ja, wir können Corona. Und so rasselten wir unbesehen und naiv in die zweite Welle, die uns viel heftiger traf. Allein zwischen Oktober 2020 und Januar 2021 starben in der Schweiz 7500 Menschen mehr als erwartet.

Wie konnte es so weit kommen? Möglicherweise führte ein an sich glücklicher Umstand dazu. Denn seit der Spanischen Grippe von 1918 ist die Schweiz (und viele andere Länder auch) von schweren Pandemien verschont geblieben. So sehr, dass die kollektive Erinnerung daran stark verblasst ist, ja, dass wir uns gar nicht mehr vorstellen konnten, was eine Pandemie ist und wie man sich schützen kann. Schweizer Epidemiologen haben für diese kollektive Amnesie nun einen Begriff vorgeschlagen: «Pandemie-Katastrophen-Gedächtnislücke».

Mit dem sperrigen Ausdruck lehnen sich die Pandemieforscher an einen Begriff aus der Klimaforschung an. 2009 thematisierte der Berner Klimahistoriker Christian Pfister in einem Aufsatz die «Katastrophenlücke des 20. Jahrhunderts und den Verlust traditionellen Risikobewusstseins». Darin beschreibt Pfister, wie die Schweiz von 1882 bis 1976 weitgehend von Naturkatastrophen verschont geblieben ist und deshalb mögliche Risiken zusehends ignoriert wurden. Erst als ab 1976 vermehrt Schadensereignisse eingetreten seien, habe sich die Denkweise wieder verändert. Da kann man nur hoffen, dass Ähnliches auch nach Corona passiert.