Psychologie der VerschwörungDas ist ja wie ein Krimi!
Verschwörungsmythen wirken oft glaubhaft, weil sie viel unterhaltsamer sind als die Realität.
Die finsteren Mächte agieren dieser Tage mit perfider Kreativität. Das Virus? Natürlich eine Biowaffe, ersonnen zur Kontrolle der Menschheit, sie alle zu knechten, ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden. Ist ja klar. Hinter diesem Komplott stecken, natürlich, mächtige Männer wie Bill Gates sowie George Soros oder abstrakte Strukturen der Bosheit wie die Pharmaindustrie und der Kapitalismus. Sie bedienen sich des Mobilfunkstandards 5G, um ihr Werk zu verrichten, sie verbreiten Mikrochips, die sie in Impfstoffen verbergen.
Ein Wahnsinn, im Wortsinne: Die Pandemie lässt Verschwörungsmythen spriessen. Im Windschatten der Seuche breiten sich Räuberpistolen aus, deren Absurditäts-Inzidenzwert in astronomischer Höhe liegt. Aber egal, wie widersprüchlich und abenteuerlich diese Geschichten sind, sie sind ebenso schwer zu kontrollieren wie das Virus selbst. Nichts scheint zu bekloppt zu sein, um ohne Publikum zu bleiben.
Mythen helfen mit, Unsicherheiten zu ertragen
Eines jedoch muss in Verteidigung vieler Mythen ausgesprochen werden: Sie sind auf Dan-Brown-hafte Weise unterhaltsam, besonders im Kontrast zur grauen und unübersichtlichen Wirklichkeit. Genau dieser Entertainment-Faktor scheint ein Grund dafür zu sein, dass die Geschichten vom grossen Komplott Anhänger finden. So argumentieren Psychologen um Jan-Willem van Prooijen von der VU Amsterdam und präsentieren in einer Studie Indizien dafür. Der emotionale Gehalt einer Geschichte fessele nicht nur das Publikum, so die Forscher. Er verleihe der Erzählung unabhängig vom Inhalt auch wenigstens einen Schuss Glaubwürdigkeit.
Der Glaube an Verschwörungen begleitet die Menschen vermutlich, seit sie einander Geschichten erzählen. Diese Mythen helfen, Unsicherheit zu ertragen, indem sie Komplexität reduzieren, vermeintlich klare Ursachen benennen, die Welt in Gut und Böse einteilen. Zugleich schenken derlei Mythen ihren Anhängern das Gefühl, zu den Erleuchteten zu gehören: Seht ihr nicht, dass da die Systempresse wirkt, das organisierte Patriarchat seine Fäden spinnt, die Hochfinanz alles kontrolliert? Sich als Durchblicker unter Blinden zu fühlen, verleiht ein Gefühl süsser Überlegenheit. Und je wichtiger man sich selbst als Teil einer Gruppe nehme, desto höher sei auch die Anfälligkeit für Verschwörungsdenken, sagen die Psychologen.
Zudem vergleichen die Forscher um Van Prooijen Verschwörungsmythen mit Horrorfilmen. Solche Schocker lösten ja mehr Angst als gute Gefühle aus, seien aber für viele Menschen dennoch attraktiv – weil diese Filme intensive Emotionen weckten. Mit Erzählungen düsterer Komplotte sei es ähnlich. Diese lösten ebenfalls Sorgen und Beklemmungen aus, weckten auf diese Weise Kitzel oder intensive Emotionen und verminderten so die kritische Distanz zu den Inhalten.
Und mal ehrlich, die Geschichten vom grossen Corona-Komplott mögen vollkommen irre sein. Aber sie sind nach über eineinhalb Jahren Inzidenz-Lockdown-Talkshow-Dauerfeuer doch für viele Menschen dummerweise eine unterhaltsamere Alternative. Liesse sich die Realität doch nur etwas aufregender erzählen!
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