Gastkommentar zum UrheberrechtDas Ende der Bildpiraterie
Dass man den Fotografen um Erlaubnis bittet, bevor man sein Bild verwendet, sollte selbstverständlich sein. Jetzt ist es endlich auch gesetzlich geregelt.
Seit dem 1. April gilt in der Schweiz das revidierte Urheberrechtsgesetz und damit auch ein genereller Schutz von Fotografien. Ziel der Revision war es, dem zunehmenden Bilderklau – insbesondere im Internet – und der durch diverse Gerichtsurteile hervorgerufenen Rechtsunsicherheit mit einem Gesetz zu begegnen, das den Schutz einer Fotografie nicht mehr von der gestalterischen Qualität abhängig macht, sondern grundsätzlich alle Fotografien schützt.
Im Parlament setzte sich schliesslich nicht der Vorschlag der Berufsverbände durch, die sich mit einem «Lichtbildschutz» nach deutschem Vorbild begnügt hätten, sondern eine vom Bundesrat vorgeschlagene und von Urheberrechtsspezialist Willi Egloff vertretene Variante, die nun jedem noch so banalen Bild urheberrechtlichen Werkstatus verleiht.
Die verärgerten Kommentare über diesen offensichtlichen Systembruch im Schweizer Urheberrecht sind verständlich, aber sie kamen zu spät. Dank dem neuen Gesetzesartikel sind heute nicht nur Fotografien urheberrechtlich geschützt, die die zentrale Anforderung an ein Werk – nämlich die individuelle Gestaltung – erfüllen, sondern als Werke gelten auch jene Fotografien, die dieses Kriterium explizit nicht erfüllen. So heisst es in Artikel 2 (Absatz 3bis) klar: «Fotografische Wiedergaben und mit einem der Fotografie ähnlichen Verfahren hergestellte Wiedergaben dreidimensionaler Objekte gelten als Werke, auch wenn sie keinen individuellen Charakter haben.»
Dass mit dem neuen Artikel der individuelle Charakter einer Fotografie jetzt einfach angenommen würde, wie in einem Gastkommentar im «Tages-Anzeiger» von Marian Gabriel Werner erwähnt, ist aber unzutreffend. Das Gesetz unterscheidet weiterhin zwischen Fotografien mit individuellem Charakter und solchen ohne individuellen Charakter, beide sind jedoch als Werke geschützt.
Unterschiedlich ist jedoch ihre Schutzdauer: Bei den neu geschützten Fotografien ohne individuellen Charakter beträgt sie 50 Jahre ab Herstellung, bei den Fotografien mit individuellem Charakter läuft sie erst 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen oder der Fotografin ab, sie ist im Durchschnitt also mehr als doppelt so lang. Für die Nutzer wie die Hersteller von Fotografien wird jedoch diese unterschiedliche Schutzdauer selten Thema sein, weil die meisten Nutzungen von Fotografien sowieso innerhalb der ersten 50 Jahren nach Herstellung anfallen.
Mit der neuen Regelung ist nun von vornherein klar, dass keine Fotografie mehr ohne Erlaubnis einfach genutzt werden darf.
Wichtig für alle Beteiligten, ob Profis, Amateure oder Nutzer ist vielmehr, dass mit der neuen Regelung nun von vornherein klar ist, dass keine Fotografie mehr ohne Erlaubnis einfach genutzt werden darf. Die Ausnahme, die diese Regel bestätigt: Nicht individuell gestaltete Fotografien von nicht dreidimensionalen Objekten erhalten keinen Schutz; man darf auf das erste Gerichtsurteil gespannt sein, das die Grenze zwischen einem zwei- und einem dreidimensionalen Objekt ziehen muss.
Welche Konsequenzen ergeben sich nun durch die neue gesetzliche Grundlage bei Fotografien in der Praxis? Für all jene, die sich schon bisher an das Prinzip des Anstands gehalten und vor einer Bildnutzung die Fotografinnen und Fotografen um Erlaubnis gefragt haben, wird sich durch die Urheberrechtsrevision nichts ändern. Sich bemühen und ihr Verhalten ändern müssen nur diejenigen, die sich bisher nicht um die Rechtslage gekümmert und Fotos einfach genutzt haben.
Die Einführung des revidierten Gesetzes ist damit eine Gelegenheit, dass wir uns alle wieder einmal vergegenwärtigen, dass Texte, Bilder, Filme und Musikstücke, die im Internet angeboten werden, zwar gratis und franko im Rahmen des sogenannten «privaten Eigengebrauchs» konsumiert werden dürfen, wir diese grundsätzlich aber nur nach Rücksprache mit den Rechteinhabern anderweitig nutzen dürfen.
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