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Meinung

Analyse zum Bürgerkrieg
Das Elend in Syrien bekämpfen

Zehn Jahre Krieg, zehn Jahre Elend, zehn Jahre Flucht: Syrische Flüchtlinge unterwegs in der Provinz Idlib, Februar 2020.
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Als vergangene Woche bekannt wurde, dass Bashar al-Assad mit Covid infiziert sein soll, wünschten Oppositionsanhänger dem Virus viel Kraft. «Corona, du musst jetzt stark sein», schrieben sie im Netz: Die Doppeldeutigkeit war beabsichtigt, dass sie das Virus trösteten, welches nun einige Zeit mit dem Diktator aushalten muss – und dass sie Assad zugleich einen schweren Verlauf an den Hals wünschten.

Assad kann nun überlegen, ob er die nächsten Wahlen mit 89 oder 98 Prozent gewinnen will.

Seine Anhänger posteten hingegen eine Grafik, die sie seit Jahren nutzen: Ein lachender Assad ist umgeben von Politikern, die seine Ablösung forderten: Obama, Sarkozy, Cameron, Hollande, May, Trump – alle sind Geschichte, Assad ist weiter im Amt. Das Coronavirus wird als Nächster eingeführt, den der «Assad-Fluch» treffen wird. Der 55-jährige Herrscher kann nun in Quarantäne überlegen, ob er die für 2021 geplanten Wahlen mit 89 oder 98 Prozent gewinnen will.

Vor zehn Jahren gingen die Syrer zum ersten Mal auf die Strasse, um nach Wandel zu rufen. Assad hatte die Wahl zwischen Reformen und Gewalt – und entschied sich für Letztere. Ganze Stadtviertel wurden zerbombt, das Regime setzte Fassbomben und Chemiewaffen ein. Die Hälfte der Syrer, zwölf Millionen, musste fliehen, Zehntausende verschwanden in Folterknästen. Die Verbrechen beging Assad vor den Augen der Welt – erfahrene Strafermittler sagen, dass gegen ihn mehr Beweise vorlägen als gegen jeden Verurteilten der Nürnberger Prozesse. Dennoch kommt die internationale Gemeinschaft nicht an den linkisch wirkenden Mann mit dem Schnauzbart heran.

Dem Westen fällt nicht mehr ein, als strenge Sanktionen aufrechtzuerhalten. Die Hoffnung, dass Assad deshalb sein Verhalten ändert, wird bis heute von nichts unterfüttert. Während wenige am Krieg verdienen, leben nun fast 90 Prozent der Syrer unter der Armutsgrenze. Assad verweigert jedoch weiterhin Gespräche über Reformen – warum auch, Russland und der Iran schützen ihn.

Statt der Katastrophe weiter zuzusehen, sollten Europa, die USA und andere wieder Initiativen entwickeln.

Um Veränderungen zu erzwingen, müsste der Assad-kritische Teil der Welt Zwang auf Moskau und Teheran ausüben – aber das klappt schon bei direkten Konflikten mit Putins Autokratie oder dem Mullah-Regime nicht. Aus dieser festgefahrenen Lage deshalb den Schluss zu ziehen, dass der syrischen Bevölkerung am meisten geholfen wäre, wenn die Beziehungen zu Assad normalisiert und die Sanktionen aufgehoben würden, wäre fatal. Assad zöge den Schluss: Er bekommt den Wiederaufbau der Wohnviertel auch noch bezahlt, die er zum eigenen Machterhalt in Schutt legen liess.

Die Alternative ist, dass das Elend weitergeht.

Statt der Katastrophe weiter zuzusehen, sollten Europa, die USA und andere wieder Initiativen entwickeln. Sie könnten beginnen, dem Regime begrenzte, aber konkrete Angebote zu machen: Weizen etwa für die Aufklärung der Schicksale der Verschwundenen, Medikamente für die Freilassung von Gefangenen, während Sanktionen auf Rüstungsgüter und gegen regimenahe Mafiosi weiterbestehen. Ohne Frage wäre das ein heikles Unterfangen – bislang wusste Assad Hilfe aus dem Ausland so zu kanalisieren, dass sie letztlich vor allem ihm nutzte.

Die Alternative ist jedoch, dass das Elend weitergeht, bis der Hunger jene dahingerafft hat, die den Krieg überlebten. Und dass auf der Grafik mit dem Assad-Fluch, mit der Regimetreue die Widerstandsfähigkeit des Diktators feiern, neben dem Coronavirus irgendwann auch Merkel, Biden und Macron rausgestrichen sind.