Theater über Syrien-KriegSchweizer Steuergelder für ein Pro-Assad-Stück
90’000 Franken für ein Theater, das den syrischen Bürgerkrieg in einem für das Regime günstigen Licht darstellt.
Es war ein geharnischter Brief, der diese Woche auf dem Schreibtisch des Bürgermeisters von Lausanne, Grégoire Junod, landete. Unterzeichnet von zwei der syrischen Opposition nahestehenden Gruppen, kritisiert das Schreiben die Stadt für ihre Unterstützung einer Veranstaltung, welche die vom syrischen Präsidenten Assad begangenen Verbrechen an der syrischen Zivilbevölkerung leugne.
Das Stück mit dem Titel «Les chutes d’Alep» spielt auf verschiedene Sichtweisen an, wie die Rückeroberung der syrischen Metropole Aleppo durch Regierungstruppen Ende 2016 dargestellt werden kann. Es soll im Frühling in vier Theatern der Westschweiz aufgeführt werden. Seine Autorin und Regisseurin, die Waadtländerin Myriam Demierre, hat 2019 ein Stipendium von 90’000 Franken erhalten, das zu gleichen Teilen von der Stadt Lausanne und dem Kanton Waadt finanziert wird.
«Kriminelles Regime»
Kritiker werfen Demierre vor, dass ihr Stück durch eine extreme Voreingenommenheit zugunsten eines kriminellen Regimes geprägt sei. In einem Podcast sagte die Regisseurin dagegen: «Aleppo ist wiedervereinigt worden, unsere Medien nennen es den Fall von Aleppo, und die Einwohner sprechen von Befreiung.»
Ohne die Brutalität des Regimes zu leugnen («Ich denke, das ist eine Untertreibung»), setzt Demierre Fragezeichen hinter einige Massaker, die der Regierung zugeschrieben werden. Das Rebellenlager habe viel zu sagen, und das Stück solle nun einfach wieder das Gleichgewicht herstellen, meinte die Regisseurin im Podcast.
Diese Woche wurde der Podcast ohne Erklärung von Youtube entfernt. Ein Entwurf des Stücks, der dieser Zeitung vorliegt, bestätigt aber Demierres Voreingenommenheit. Es kommen vor allem Syrer zu Wort, die mit dem Regime von Bashar al-Assad sympathisieren. Syrien war ein «säkularer Staat», «in dem nicht über Religion gesprochen wurde» und «wir alle in Harmonie lebten», säuselt zum Beispiel ein Chor syrischer Zivilisten.
Die Behörden sagen, dass sie nichts von Myriam Demierres regimetreuer Gesinnung wussten.
In dem Stück werden die Demonstranten des Arabischen Frühlings und der syrischen Revolution von 2011 als manipuliert dargestellt – grösstenteils von Islamisten oder von Hilfswerken, die von der Türkei oder Golfstaaten finanziert werden. Den Protestierenden sei einfach Geld gegeben worden, damit sie Freiheit forderten.
Diese Sicht auf den Konflikt empört Wajd Zimmermann, eine Schweizerin syrischer Herkunft, die sich selbst als «Aktivistin für die Revolution» bezeichnet. Sie hat den Brief an Bürgermeister Junod mitunterzeichnet. Die Autorin berichte einzig aus Assads Sicht. Dabei habe sie nicht einmal mit syrischen Flüchtlingen gesprochen, die heute in der Schweiz lebten.
Bevor sie ihr Stück schrieb, besuchte Demierre mehrmals Syrien, immer in von der Regierung kontrollierten Gebieten. Ihren Kritikern wirft sie vor, die Proben des Theaterstücks nicht besucht zu haben, wie sie auf Anfrage dieser Zeitung schreibt. In dem Stück werde nichts geleugnet, es sei vielmehr eine Dokumentation, die auf mehrjährigen Recherchen und Reisen in Syrien basiere.
Die Behörden, die Myriam Demierre das Stipendium gewährt haben, sagen, dass sie nichts von ihrer regimetreuen Gesinnung wussten. Man habe die Regisseurin und die betroffenen Theater um eine Erklärung gebeten.
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