Kolumne «Heute vor»Das Bündeln will gelernt sein
Im Februar 1968 sorgten neuartige Abfallregelungen für Empörung im Bezirk Meilen. Die Gemeinde Horgen führte derweil den Pausenapfel als Mittel gegen Karies ein.
Er ist gewissermassen die zweite Bibel in Schweizer Haushalten: der Abfallkalender. Dienstags ist Kehricht, freitags Karton und an jedem zweiten Samstag Papier – oder so ähnlich, je nach Gemeinde und Bezirk. Der jeweilige Zyklus hat sich jedenfalls tief in den Köpfen von Herrn und Frau Schweizer eingebrannt und scheint verbindlicher als manch andere Verabredung.
Doch das war am Zürichsee nicht immer so. Denn es gab eine Zeit, bevor der Abfallkalender zur allgemeinen Selbstverständlichkeit mutierte: Erstmals eingeführt wurde er im Bezirk Meilen nämlich im Februar 1968. Und dies nicht zur Freude der Einwohnerinnen und Einwohner.
«Mit der Inbetriebnahme der neuen Kehrichtverwertungsanlage oberhalb Männedorfs, die als grosser Fortschritt gepriesen wird, sind den Gemeinden gleichzeitig neue Kehrichtabfuhr-Vorschriften dekretiert worden», war entsprechend in der rechtsufrigen «Zürichsee-Zeitung» zu lesen. Und wehe, wenn all den strengen Vorschriften nicht entsprochen werde.
«Alte Zeitungen müssen zum Beispiel gebündelt an die Strasse gelegt werden, damit sie vor der Güselabfuhr Gnade finden», schreibt der oder die Autorin voller Unverständnis. Und noch viel schlimmer: Werde der korrekt präparierte Abfall zur falschen Zeit an die Strasse gestellt, bleibe er gänzlich unbeachtet.
«So liessen sich diese Woche in Stäfa zum Beispiel an den Strassenecken und auf Vorplätzen alte Ofenrohre, ein zerschlissener Fauteuil, kehrichtstarre Papiersäcke, Bretter und anderes finden.» Der Schreibende forderte deshalb eine Probezeit für «Nachlässige und Fehlbare». Denn diese hätten bereits ihre eigenen Kehrichtverbrennungen hinter ihren Häusern einzurichten begonnen.
In eine ganz andere Richtung bewegte sich das Thema Entsorgen derweil am linken Ufer. Denn seit kurzem gingen dort im Februar vor 55 Jahren «1200 Kilogramm einheimische Äpfel den besten Weg der Verwertung». Die bis heute bewährte und beliebte Aktion «Pausenapfel» wurde nämlich in der Oberstufenschule Horgen eingeführt.
Anders als heute war jedoch nicht der hohe Vitamingehalt der Zwischenverpflegung das Hauptargument dafür, wie der Titel des Artikels vermuten liess. «Öpfel statt Zahweh» lautete dieser. So schrieb der Anzeiger des Bezirks Horgen auch, im vermehrten Apfelessen werde «vor allem eine wirksame Waffe gegen die Zahnkaries gesehen».
«Der roh mit der Schale gegessene Apfel bewirkt eine mechanische Reinigung der Zähne und befriedigt das Süssigkeitsbedürfnis des Kindes auf nachhaltigere Weise als jedes Schleckzeug», ist weiter zu lesen. Somit seien überschüssige Äpfel ein wirksames Mittel zur Bekämpfung der Zahnfäulnis. Zum Glück – so fanden sie Verwendung und es kam im Abfallkalender nicht auch noch ein Tag für die Apfelabfuhr dazu.
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