Kachelmanns WetterDas Bergwetter im Eimer
Niederschlag und Temperatur in den Bergen zu messen, sei eine Herausforderung, sagt Jörg Kachelmann. Er will das ändern.
Wir wären gescheiter, wenn wir mehr wüssten. Übers Wetter und über den Klimawandel. Das betrifft vor allem uns in der Schweiz mit den Alpen und den Gletschern. Schon das Temperaturmessen in den Bergen ist eine Herausforderung, weil sich die typischen Berge, auf denen man schon immer mal wissen wollte, wie das Wetter ist, sehr verändert haben.
Nicht nur der Säntis sieht nicht mehr aus wie vor 100 Jahren. Und wenn man auf den Bergen immer hofft, dass es der Wind schon irgendwie richten wird, gibt es diese sonnigen und windschwachen Tage, an denen die Temperaturen ein wenig höher sind, als man gemeinhin erwarten würde.
Noch schwieriger ist es mit dem Niederschlag. Der Schneeanteil ist deutlich höher als im Flachland. Und in Gipfellagen findet man kaum einen geeigneten Standort, um vernünftig zu messen, wenn es schneit – es fällt auch bei tagelangem Schneesturm sehr wenig Niederschlag in den Eimer.
Regen und Schnee werden notorisch unterschätzt
Man kann zwar mit technischen Mitteln (googeln Sie mal «Niphertrichter») versuchen, eine Abwärtskomponente für die messunwillige Flocke zu erzeugen. Es bleibt zu wenig im Eimer, und Niederschlagsmengen im Hochgebirge werden notorisch unterschätzt. Deswegen sehen Sie für den stolzen Moléson in den Freiburger Alpen nur einen läppischen durchschnittlichen Niederschlagswert von 1186 mm, obwohl jeder Ort im Tal drumherum viel mehr misst.
Der wahre Wert liegt mehr als 50 Prozent höher. Aber eben, es luftet zu viel, und es schneit zu viel. Deswegen gibt es kaum hochalpine Niederschlagsmesser, ausser die sogenannten Totalisatoren, die man an geschützteren Orten aufstellen kann. Die geben je nach Standort realistischere Werte. Aber sie werden nur einmal jährlich mühsam ausgelesen und sind so für laufende Betrachtungen aus dem Spiel.
Warum lokal messen wichtig ist
Ich und meine Firma haben nun dennoch versucht, mit der Jungfraubahn einen geschützten Ort zu finden, um den Niederschlag mit einem herkömmlichen Eimer und mit einem radargestützten Niederschlagsmessgerät zu beobachten. Wir werden sehen, wie gut das funktioniert, wie viel wir durch den querwehenden Schnee verlieren.
Und wir wollen vor allem auch lernen, wie oft es inzwischen schon regnet in dieser Höhe. Wenn wir verstehen wollen, wie es den Gletschern geht, müssen wir generell mehr messen. Und das vor allem an Orten, an denen Gebäude entweder keine Rolle spielen oder sich im Laufe der Zeit nicht verändern.
Wir sehen schon aus den Daten der Mittellegi- und Hollandiahütte, dass es viele wertvolle Erkenntnisse gibt, die Bergsee- und Terrihütte kommen demnächst dazu. Vor 100 Jahren gab es viel mehr Wetterstationen als heute. Das war damals eine gute Idee. Wer lokal vorhersagen und den Klimawandel verstehen will, muss auch lokal messen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.