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Podestplatz zum Auftakt
Odermatt, Skifahrer ohne Grenzen

Schweizer Jubel im Zielraum von Sölden: Marco Odermatt (rechts) stürmt auf Gino Caviezel zu, zusammen feiern sie die Ränge 2 und 3 zum Auftakt in die Skisaison.
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Es sind Jubelszenen, wie sie ein Schweizer Riesenslalomteam lange nicht erlebte. Die Ski fliegen durch den Zielraum von Sölden, Marco Odermatt und Gino Caviezel liegen sich in den Armen. Zweiter und Dritter sind sie geworden zum Auftakt des Weltcupwinters hinter dem jungen Norweger Lucas Braathen. Zwei Schweizer auf dem Riesenslalompodest: Das gab es letztmals 2009 ebenfalls in Sölden, als Didier Cuche gewann und Carlo Janka Dritter wurde.

Odermatt, dieser Gefühlsfahrer, geniesst den Moment in vollen Zügen, auch wenn keine Zuschauer da sind, um ihm zuzujubeln. Er weiss, wie schnell es auch in die andere Richtung gehen kann: Dass er auch einmal am Boden liegen kann.

Es ist etwas, was Odermatt lange nicht kannte, dieser Senkrechtstarter im Schweizer Team, dem immer alles zuzufliegen schien. Die Erfolge. Die Herzen. Und dann liegt er da, im Schnee von Alta Badia, die Hand am rechten Knie. Den Meniskus hat es erwischt an diesem trüben Dezembertag in den Südtiroler Dolomiten. Ein Schlag, ein Schmerz während der Fahrt, der jugendliche Drang trägt ihn noch ins Ziel, dort folgt der Fall in den Schnee – und später der Besuch bei den Ärzten.

Die Verletzung ist einschneidend, aber nicht gravierend, nach der Operation vergeht ein Monat bis zu Odermatts Rückkehr: auf die Streif in Kitzbühel, Rumpel- und Spektakelpiste, er wird im Super-G Dreizehnter.

Es reicht diese Episode aus dem letzten Winter, um das aussergewöhnliche Talent dieses 23-jährigen Ausnahmeskifahrers zu begreifen, «um das uns die ganze Ski-Welt beneidet», wie es sein oberster Chef, Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann, einmal sagte.

Er trägt die Unbekümmertheit im Gesicht

Wobei es mit Talenten so eine Sache ist: Sie lassen es gerne schleifen, haben nicht gelernt, was es heisst, hart zu arbeiten für den Erfolg, sie verlassen sich auf ihr Können und den Instinkt. Und genau deshalb tut sich Helmut Krug schwer mit diesem Ausdruck, wenn es um Odermatt geht. Denn so ist er nicht, «der Marco», eines der Juwele im jungen Schweizer Riesenslalom- und Super-G-Team des Tirolers. Er ist ein akribischer Arbeiter. «Er hat einfach die Fähigkeit, neue Sachen schneller zu lernen als andere – nicht nur im Skisport. Natürlich hat er spezielle Begabungen, aber auch die muss er erst einmal nutzen», sagt sein Trainer. Das tut der Nidwaldner vorzüglich.

Regelmässig mischt er die Weltspitze auf, kurz vor der Verletzung triumphierte er erstmals auf der grossen Bühne. Er gewann den Super-G auf der Raubvogelpiste von Beaver Creek, noch so eine Strecke für die Verwegensten auf zwei Latten. Oder: Gemacht für den Blondschopf mit dem breiten Grinsen, der die Unbekümmertheit in seinem Gesicht trägt. Krug sagt: «Er kann sehr hohes Risiko nehmen, das macht ihn so stark. Und er hat viel Jugend in seinem Körper – Gott sei Dank! Deshalb ist er so schnell.»

«Scheitert einer wie er nicht irgendwann, kommt er auch nicht weiter»

Helmut Krug, Odermatts Trainer

Es ist ein explosives Gemisch. Geht es gut, landet Odermatt weit oben. Sonst auch einmal im Schnee oder zumindest fernab der Ideallinie. Ausrutscher gab es einige in seiner noch jungen Karriere, soll es auch geben, sie gehören zur Entwicklung, zu einem Alles-oder-nichts-Fahrer, der er oft ist. «Scheitert einer wie er nicht irgendwann, kommt er auch nicht weiter», sagt Krug dazu.

Gewachsen ist Odermatt auch in diesem Sommer. In die Breite, er legte an Muskelmasse zu. Vor allem aber hat er technisch Fortschritte gemacht, «noch exakter» sei er geworden, sagt Krug, «noch sicherer. Das ist der Faktor, den er braucht, um weit nach vorne zu kommen. Den schnellen Schwung hatte er ohnehin schon immer.» Odermatt selber sagt vor dem Auftakt in Sölden: «Ich konnte im Konditionsbereich zulegen, und wenn der Körper fit ist, bin ich auch auf den Ski stabiler, kann ich im Training ans Limit gehen und für mich die Grenze finden, wo es aufgeht und wo noch nicht.»

Odermatt, getragen von seinen Teamkollegen in seinem bislang grössten Moment: Vergangenen Winter gewinnt er den Super-G auf der Raubvogelpiste von Beaver Creek.

Stabilität gepaart mit der Bereitschaft zu hohem Risiko: Es ist die perfekte Symbiose des Skisports. Beherrscht Odermatt den Tanz auf diesem schmalen Grat, ist er gemacht für die ganz grossen Siege: im Riesenslalom, im Super-G. Sogar in der Abfahrt? Das erhoffen sie sich von ihm im Schweizer Team. Vielleicht erwarten sie es gar. Odermatt kennt das, diese Ansprüche an ihn. Spätestens, seit er 2018 an der Junioren-WM in Davos ganz gross abräumte, Gold gewann in gleich vier Einzeldisziplinen – und dann auch bald im Weltcup in die Punkte fuhr, in die Top 10, auf das Podest. Er kann damit umgehen. Sagt er. «Das ist überhaupt nichts Spezielles mehr für mich. Das ist einfach so, weil ich auch schon gute Leistungen zeigte.»

Odermatt nimmt es mit fast schon demonstrativer Gelassenheit hin, in einer stoischen Art, die so gar nicht passen will zu seinem tollkühnen Wesen auf der Piste. «Er ist so», sagt Krug, sein Trainer seit drei Jahren, «absolut cool, wahnsinnig bodenständig. Marco ist sehr reif für sein Alter, was das betrifft. Er fühlt sich schlicht nicht verpflichtet, Erwartungen anderer zu erfüllen. Er weiss selber, was er kann.» Und das ist einiges, viermal hat er es im Weltcup schon auf das Podest geschafft, elfmal in die Top 10, in Riesenslalom und Super-G ist er mittlerweile ein gefürchteter Gegner.

«Ich sehe bei ihm kein Limit, nichts, was er nicht erreichen könnte»

Helmut Krug

Dass er in mehreren Disziplinen vorne mitmischen kann, entspricht der Philosophie seines Trainers, mindestens zwei müssen es sein, geht es nach Krug. «Trainiert einer Tag und Nacht nur Riesenslalom, entwickelt er sich nicht, bleibt er stehen. Eine Disziplin befruchtet die andere», sagt der Österreicher. Technik, Speed, das Wechselspiel fruchtet bei Odermatt. So sehr, dass Krug oftmals staunend am Rand der Trainingspiste steht, den Kopf schüttelt und sagt: «Wow, unglaublich!» Odermatt, sagt er, «verblüfft mich jeden Tag aufs Neue».

Wie diese Woche auf der Diavolezza im Oberengadin, wo er seinen «letzten Schliff holte für den Auftakt», wie Odermatt sagt. «Es waren extrem schwierige Verhältnisse, die Kurssetzung brutal schwer», beschreibt Krug. Knüppelharte Piste, schlechte Sicht. Und Odermatt zischte wie auf Schienen vorbei an seinem Chef. Es war einer dieser Wow-Momente. Und die Bestätigung dafür, dass die Verletzung weit weg ist. Auch im Kopf.

Die Verletzung begleitete ihn bis in den Sommer

Dabei hatte sie Odermatt bis in den Sommer hinein begleitet, war das Knie immer wieder geschwollen, ging es nicht recht vorwärts. Acht Rennen hatte er nach der Operation noch bestritten, ehe das Coronavirus die Skisaison frühzeitig beendete. Keinen Moment zu früh für Odermatt. Das Knie war stark gereizt, es brauchte Zeit, sich zu erholen. Er musste seinen jugendlichen Drang zurückstellen nach seiner dritten Knieverletzung in drei Jahren. Klingt heftig. Krug sagt: «Vielleicht ist der Spruch blöd, aber: Wenn einer nie verletzt war, ist er keine Rennen gefahren.» Es gehört dazu zum Skisport, zum Reifeprozess auch. «Durch Verletzungen wächst ein Athlet. Er lernt, den Körper besser zu spüren und wahrzunehmen», sagt Krug.

So war das auch bei Odermatt in diesem Sommer. Entsprechend viel traute ihm sein Trainer zu. Für Sölden, diese Saison, ja überhaupt. In einem kurzen Anflug von Schwärmerei sagt der Tiroler: «Ich sehe bei ihm kein Limit, nichts, was er nicht erreichen könnte.» Rang 2 zum Start soll nur der Anfang sein.

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