Schweizer Bank unter DruckDarum gehts bei den Ermittlungen gegen den UBS-Chef
Die niederländischen Behörden eröffnen ein Verfahren gegen den frischgebackenen Bankchef Ralph Hamers. Die zentrale Frage ist, ob er als Chef der Bank ING genug gegen Geldwäscherei unternommen hat.
Der neue UBS-Chef Ralph Hamers hat neuen juristischen Ärger wegen einer alten Affäre aus seiner Zeit bei seinem früheren Arbeitgeber, der niederländischen ING. Ein niederländisches Gericht hat die Staatsanwaltschaft angewiesen, ein Ermittlungsverfahren gegen Hamers zu eröffnen. Dabei geht es um seine persönliche Verantwortung dafür, dass ING in der Vergangenheit die Geldwäscherei-Regeln zu lasch angewandt hatte. Vor seinem Wechsel zur UBS war Hamers CEO der grösssten niederländischen Bank.
Die Sache schien eigentlich schon abgeschlossen. Denn die niederländischen Behörden hatten in dem Fall die ING bereits 2018 zu einer Busse von 775 Millionen Euro verdonnert. Die Behörden warfen der Bank mangelnde Kontrollen der Kundenaktivitäten vor. Konkret ging es um vier Fälle, bei denen ING-Konten für kriminelle Machenschaften missbraucht wurden. Der Bank hätte es laut den Behörden auffallen müssen, dass die Kunden Schwarzgeldwäsche betreiben.
Die Affäre ging damals glimpflich für Hamers aus: Nur sein damaliger Finanzchef Koos Timmermans musste gehen, Hamers selbst durfte bleiben.
Bei der UBS, wo Hamers seit dem 1. November der Chef ist, nimmt man den Entscheid des niederländischen Gerichts zur Kenntnis. «UBS hat volles Vertrauen in die Fähigkeit von Ralph Hamers, UBS zu führen», so ein Sprecher der Schweizer Grossbank. Die Bank hat die Vergangenheit von Hamers genau ausgeleuchtet und sieht keine neuen Fakten, die gegen ihn sprechen würden.
Vorwurf der Hochrisikostrategie
Das Urteil listet die Verfehlungen detailliert auf, die Hamers persönlich zur Last gelegt werden. Die ING-Bank habe unter seiner Führung die Anti-Geldwäscherei-Bestimmungen während Jahren systematisch verletzt – und zwar wissentlich. Trotz wiederholter Warnungen der Behörden seien zwischen 2010 und 2016 Hunderte Millionen Euro über ING-Konten gewaschen worden. «Einer der Gründe dafür war, dass die Sorgfalt oft weniger wichtig war als das Geschäft», heisst es im Urteil. Hamers sei über diese Praxis nicht nur im Bild gewesen, sondern habe auch «aktiv daran teilgenommen».
Gemäss dem Urteil schlug der Leiter der Rechtsabteilung 2014 direkt bei Bankchef Hamers Alarm wegen der Mängel. Und er beantragte, dass diese so rasch wie möglich behoben werden müssten, ansonsten drohe Strafverfolgung. Doch offenbar drang er damit bei Hamers nicht durch.
Das Gericht listet die konkreten Mängel innerhalb der ING-Bank auf. Die sieben Punkte zeugen entweder von Fahrlässigkeit oder von einer Hochrisikostrategie: Fehlende Informationen zu Kunden, sogar über die wirtschaftlich berechtigten von Konten, falsche Risiko-Einteilung von Kunden oder ungenügendes Monitoring-System der Transaktionen sind drei der Kritikpunkte.
«Würde ein Chef einer Bank nicht verfolgt, drohe eine gefährliche Störung des gesellschaftlichen Lebens, der öffentlichen Debatte und des Finanzsystems.»
Für ein Strafverfahren gegen Hamers spricht gemäss Gericht noch ein Grund: Würde der oberste Chef einer Geldwäsche-Bank nicht verfolgt, drohe «eine gefährliche Störung des gesellschaftlichen Lebens, der öffentlichen Debatte und des Finanzsystems».
Dem «Handelsblatt» hatte Hamers nach dem Abschluss des Verfahrens gegen ING vor zwei Jahren gesagt: «Die Untersuchung hat gezeigt, dass ING in den Niederlanden ernste Defizite bei der Umsetzung von Regeln zur Bekämpfung von Finanzkriminalität hatte.»
Für die Finma ist Hamers fit
Bei der UBS ging man wohl davon aus, dass Hamers aus dem Verfahren in den Niederlanden kein Schaden mehr entstehen dürfte. Das gilt auch für die Finanzmarktaufsicht (Finma), die Kandidaten für hochrangige Posten prüft. Ihr war die Vergangenheit von Hamers bekannt und gab für seine Anstellung grünes Licht. Ein Finma-Sprecher sagt: «Der angesprochene Fall war bekannt. Entsprechend hat die Finma diesen selbstverständlich im Zuge des Nominationsverfahrens untersucht und thematisiert.»
Nun gibt es eine neue Lage. Vollkommen unklar ist, wie gefährlich das neue Verfahren für Hamer noch werden könnte. Juristen zeigen sich vom Entscheid des niederländischen Gerichts überrascht. «Das ist für die Bank und die Finma eine heikle Situation», sagt ein Fachanwalt. Er zieht die USA zum Vergleich heran. Dort würde eine aussergerichtliche Einigung von der Justiz respektiert, aber es bestehe die Tendenz, dass bei den Verfahren auch immer die Manager zur Rechenschaft gezogen würden. Das war bei Hamers bisher nicht der Fall.
Dass nun aber zwei Jahre nach dem Vergleich mit ING das Verfahren gegen Hamers neu aufgerollt werde, sei eigenartig. Es könnte daher sein, dass die Staatsanwaltschaft die Sache aufgrund des öffentlichen Drucks noch einmal genau unter die Lupe nimmt und wieder einstellt - tut sie es nicht, hat die UBS ein Problem. Dann könnte sie sich gezwungen sehen, Hamers aus bestimmten Geschäftsbereichen abzuziehen, so der Experte.
Für die UBS ist der Fall in jedem Fall heikel. Denn droht der Grossbank neben dem Milliardenschweren Steuerstreit in Frankreich eine weitere juristische Hängepartie, die sich monatelang hinziehen und damit das Institut lähmen könnte.
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