Final der Darts-WMAls wäre er eine Maschine
Luke Littler besiegt Michael van Gerwen mit 7:3 – und ist damit der bisher jüngste Darts-Weltmeister der Geschichte. Der Final gerät zu einer unglaublichen Machtdemonstration.

Die Gefühlsexplosion im Londoner Alexandra Palace nach dem letzten Wurf der Darts-WM hörte sich wie ein Urknall für die Sportart an. Mit einem Volltreffer in die Doppel-16 krönte sich der bisherige Kronprinz des Pfeilewerfens am Freitagabend gewissermassen zum König – mit gerade einmal 17 Jahren. Der Engländer Luke Littler ist nach seinem 7:3-Sieg gegen den dreimaligen Champion Michael van Gerwen nun der jüngste Weltmeister im Darts. Er löst Van Gerwen ab, der 2014 als 24-Jähriger erstmals die WM gewann.
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Nach seinem Sieg hielt sich Littler immer wieder fassungslos die Hände an den Kopf, dann kamen ihm die Tränen. Bis dahin hatte er angesichts seiner imposanten Vorstellung eher wie eine Maschine gewirkt. Seine Durchschnittspunktzahl bei drei Darts lag bei 102,73 Punkten, dazu kam eine unfassbare Quote auf die Doppelfelder von 56 Prozent. Zu keinem Zeitpunkt liess seine Konzentration nach, sein Auftritt glich einer Machtdemonstration. Die Vorentscheidung fiel im sechsten Satz, als Littler beim Stand von 2:2 im letzten Leg dieses Durchgangs eine mögliche Aufholjagd seines Gegners brachial niederschmetterte und selbst auf 5:1 davonzog. Er könne das alles nicht glauben, stammelte Littler im Interview.
Er ist «The Nuke» – die Atombombe
Furchteinflössend an Littler ist neben seiner Spielweise auch sein Künstlername «The Nuke»: die Atombombe. Der passt insofern zu ihm, als dass er gewissermassen in seiner Sportart eingeschlagen ist wie eine Bombe, die alles erschüttert. Obwohl sich die Weltrangliste aus dem Preisgeld der vergangenen zwei Jahre zusammensetzt, ist Littler nach nur einer Profisaison jetzt der neue Weltranglistenzweite. Für den WM-Erfolg kassiert er eine halbe Million Pfund, er ist bereits als Teenager Millionär.

Die Fans passten sich in ihrer Lautstärke dem hohen Niveau Littlers an. Sie feuerten beide Spieler an und schrien nach gelungenen Wurfkombinationen auf. Schon beim Einlaufen der Spieler auf die Bühne kochte der Ally Pally. Auf dem Schwarzmarkt wurden Eintrittskarten zum fünffachen Preis (250 Pfund) feilgeboten. Auch das Medienaufgebot war so hoch wie nie. Das Finale glich einem Höhepunkt in der Entwicklung des Darts.
Das Duell zwischen Littler und Van Gerwen wurde aufgrund des Altersunterschieds als Generationsduell angesehen. Während Littler gerade mal seine erste Saison hinter sich hat, spielt Van Gerwen seit zwei Jahrzehnten auf der Profitour. Beide Seiten kennt der frühere Weltmeister und heutige Sky-Experte John Part, der einst sowohl als junger als auch etablierter Profi die WM gewann. Im Gespräch mit der SZ analysierte der Kanadier vor dem Endspiel, dass Littler den Vorteil besitze, nichts zu verlieren zu haben. In dessen Alter agiere man ohne Angst, man sei immer zuversichtlich und glaube stets daran, alles schaffen zu können. Im Vergleich dazu könne Van Gerwen durch seine Erfahrung bestimmte Spielsituationen antizipieren und wisse, was in solchen Momenten zu tun sei.
Als Schlüsselfaktor für den Ausgang des Matches machte Part den ersten Satz aus. In diesem müsse vor allem Van Gerwen zeigen, dass er mithalten könne, um seinen Gegner ins Nachdenken zu bringen. Das versuchte der Niederländer auch, er warf bereits bei seinem vierten Versuch die Höchstpunktzahl 180. Allerdings konnte er keinen der vier Würfe auf die Doppelfelder verwerten. Die Fehler nutzte Littler zum Break, und er sicherte sich den umkämpften ersten Satz. Littlers furioser Beginn hinterliess Wirkung bei Van Gerwen, er kratzte sich die Stirn und zupfte an seinem Trikot. Auch im zweiten, dritten und vierten Durchgang konnte er den Schwung seines Kontrahenten nicht aufhalten, er konnte in allen drei Sätzen zusammengerechnet nur zwei Legs für sich entscheiden.
Nur kurz durfte Van Gerwen hoffen, dass Littler so einbricht wie im Vorjahr. Doch der spielt ziemlich einzigartig
Vor einem solch deutlichen Rückstand hatte Part gewarnt, weil Van Gerwen dadurch Gefahr laufe, überrollt zu werden. So wirkte es nun beim Stand von 0:4. Am meisten Probleme bereitete ihm seine Quote auf die Doppelfelder, nach den ersten vier Sätzen hatte er nur drei von 17 Würfen versenkt. Bei Littler lag die Trefferbilanz stattdessen bei knapp unter 50 Prozent, immer wieder traf er seine geliebte Doppel-10. Er ballte die Faust und heizte die frenetische Stimmung an. Die Fans, die wegen des Heimvorteils überwiegend zu ihm hielten, feierten: «There is only one Luke Littler!» Und so wie er spielte, war das tatsächlich ziemlich einzigartig.

Trotz des maximal unbefriedigenden Spielverlaufs blieb Van Gerwen für seine Verhältnisse nach aussen hin erstaunlich gelassen. Seinen Frust drückte er nur aus, indem er immer wieder kopfschüttelnd auf den Boden blickte. Eventuell erinnerte sich Van Gerwen angesichts seiner Chancenlosigkeit an das Finale im Vorjahr. Damals spielte Littler vergleichbar furios auf, führte 4:2 – ehe sein Gegner Luke Humphries fünf Durchgänge nacheinander gewann und sich damit doch noch den Titel sicherte.
Wie Humphries gelang es Van Gerwen, sich zu steigern. Mit einem Kracher ins Bulls Eye brachte er seinen Anwurf im fünften Satz durch und verkürzte immerhin auf 1:4. Doch diesmal konterte Littler sofort und hielt den Vorsprung konstant. Van Gerwen gab trotzdem nie auf – aber den Durchbruch von Luke Littler auf den Darts-Thron konnte er nicht stoppen.
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