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Brandanschläge auf Autos und Häuser
Mysteriöse Attacken gegen Dachdecker halten nieder­ländische Provinz auf Trab

Historical houses and roofs in Heusden, North Brabant, Netherlands, a fortified city located 19km far from Hertogenbosch
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Es begann diesen Hochsommer. An Häusern in der niederländischen Stadt ’s-Hertogenbosch gingen Sprengsätze hoch: Fahrzeuge – meist Lieferwagen, aber auch Privatautos – wurden in Brand gesteckt oder anderweitig demoliert.

Die Betroffenen: Dachdecker. Ausschliesslich Dachdecker.

Seither ist es fast jede Woche zu ähnlichen Vorfällen in der Stadt gekommen, um die 20-mal seit Juli. Solche Explosionen sind keine Seltenheit in den Niederlanden. Drogenbosse jagen Konkurrenten auf diese Weise häufig Angst ein, in Amsterdam oder Rotterdam hat man sich fast daran gewöhnt.

Aber warum Dachdecker? Warum in ’s-Hertogenbosch, 150’000 Einwohner, fernab in der Provinz Nordbrabant? An diesen Fragen kaut die niederländische Öffentlichkeit seit längerem herum, bisher ohne schlüssige Antwort. Und je näher man hinschaut, desto mysteriöser wird es.

Krieg der Konkurrenten – «Sie sind wie Hyänen»

In den Medien ist vom «Dachdeckerkrieg» die Rede: Es gebe zu viele Dachdecker in der Stadt, der Wettbewerb sei heftig und irgendwann ausser Kontrolle geraten. So wie in der Stadt Zaandam, in der seit gut zehn Jahren ein «Fensterputzerkrieg» tobt. Die These vom Krieg der Konkurrenten beruht offensichtlich auf Aussagen weniger Dachdecker in den Medien.

Die meisten drucksen herum, nur einer von ihnen, der 36 Jahre alte Ali Katkay, hat sich im Regionalsender Omroep Brabant ausführlicher geäussert. Die Dachdeckerei sei potenziell lukrativ, sagte er, es winkten bis zu 20’000 Euro im Monat, mehr als beim illegalen Hanfanbau. Im Herbst, Winter und Frühling, wenn es regnet, sei es ruhig. Das Problem entstehe jeweils in der trockenen Jahreszeit, wenn es zu wenig zu tun gebe. Dann kämpfe man um jeden Kunden. Es komme sogar zu Schlägereien auf Parkplätzen. «Um an Geld zu kommen, glauben manche, sie müssten die Konkurrenten kaputt machen. Sie sind wie Hyänen.» Vermutlich sei die wahre Zahl der Gewaltfälle höher, manche würden aus Scham nicht gemeldet.

Die Polizei hält sich bedeckt, Betroffene schweigen

Die örtliche Polizei hält sich bedeckt. Noch immer behandelt sie jeden Anschlag einzeln, als hätte keiner mit dem anderen zu tun. Sie suche weiterhin Informationen über den Hintergrund der Fälle, erklärte sie kürzlich. Viele Betroffene wüssten offenbar mehr, als sie sagten, rückten aber nicht mit der Wahrheit heraus. Wer etwas mitzuteilen habe, möge sich dringend melden, so der Appell.

Zuvor war bekannt geworden, dass die Polizei neuerdings die Mobiltelefone aller Opfer beschlagnahmt, um möglichen kriminellen Verbindungen auf die Spur zu kommen. Und: Mehrere Geschädigte hatten selbst schon Ärger mit der Justiz, wegen Diebstahl, Erpressung und Ähnlichem. In der Regel sind sie eher jung und noch nicht sehr lange in der Branche. Inzwischen vermuten die Ermittler einen «Zusammenhang mit Konflikten im kriminellen Milieu».

Welche Konflikte? Und was hat das mit Dachdeckern zu tun?

In ’s-Hertogenbosch, meist Den Bosch genannt, reicht es den Leuten langsam. «Genug ist genug, das muss aufhören», sagte Bürgermeister Jack Mikkers Anfang Oktober. Auch im Parlament in Den Haag gibt es bereits besorgte Stimmen. Anruf bei der Stadt. «Wir warten ab, was die Polizei ermittelt», sagt eine Sprecherin, «dann überlegen wir, was wir tun können.»

«Totaler Unsinn», sagt der Dachdeckerverband

Anders als in den Medien dargestellt, ist das Phänomen gar nicht neu: Schon im Dezember 2017 kam es in Den Bosch zu einer Serie von Brandanschlägen auf Autos und Kleinlaster – überwiegend von Dachdeckern. Diese «Belästigungen», sagte damals ein gewisser René Bouwmans, dessen Auto am Vorabend vor seinen Augen in Flammen aufgegangen war, gebe es «schon seit fünf, vielleicht sechs Jahren».

Endlich meldet sich der Dachdeckerverband. Die Medienberichte seien «totaler Unsinn», sagt ein Sprecher, mit regulären Dachdeckern habe das nichts zu tun. Es handle sich um «ZZP’er», «Selbständige ohne Personal»: Einzelkämpfer, die für Privathaushalte alle möglichen Jobs erledigten, ohne spezielle Qualifikation. «Das ist eine völlig andere Welt.» Warum es dort ständig knallt? «Keine Ahnung.»