Crypto-Affäre: Parlament entmachtet die Regierung
Die Geschäftsprüfungsdelegation spricht ein Machtwort und stoppt die Untersuchung der Affäre durch den Bundesrat.
In der Crypto-Affäre darf der Bundesrat ab sofort nur noch zuschauen. Die Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments (GPDel) hat die Landesregierung bei der Aufklärung der Geheimdienstaffäre auf die Zuschauertribüne verbannt. Die Untersuchung der Affäre, die der Bundesrat Mitte Januar in Auftrag gegeben hat, hat die GPDel per sofort gestoppt.
Den vom Bundesrat eingesetzten Untersuchungsbeauftragten, Alt-Bundesrichter Niklaus Oberholzer (SP), schickt sie allerdings nicht zurück in seinen Ruhestand, sondern sie nimmt ihn unter ihre eigenen Fittiche. Das bedeutet, dass Oberholzer neu nicht mehr für die Landesregierung arbeitet, sondern für die GPDel. Er wird vom Parlament bezahlt und ist nur noch der GPDel verantwortlich. Oberholzers Erkenntnisse würden «in die Arbeit der Delegation einfliessen», teilt die GPDel mit.
Oberholzer schweigt
Man muss bis ins Jahr 2003 zurückgehen, um einen ähnlichen Kompetenzstreit zwischen parlamentarischer Oberaufsicht und Landesregierung zu finden. Damals hatte SVP-Bundesrat Samuel Schmid den Rechtsprofessor Rainer J. Schweizer mit einer Administrativuntersuchung zu den Verflechtungen des Schweizer Nachrichtendiensts mit Apartheid-Südafrika beauftragt. Weil gleichzeitig auch die GPDel ermittelte, führte das zu einem üblen Kompetenzstreit mit gegenseitigen Anschuldigungen, ja sogar Klagedrohungen in aller Öffentlichkeit. Eine Wiederholung will die GPDel nun offensichtlich vermeiden.
Die Landesregierung kommentiert das Abwürgen ihrer eigenen Untersuchung nicht. «Der Bundesrat hat den Entscheid der GPDel zur Kenntnis genommen», sagt Bundesratssprecher André Simonazzi. Alt-Bundesrichter Oberholzer wollte selber zum Entscheid keine Stellung nehmen.
Materiell verfügt die GPDel eigentlich über keine Weisungsrechte gegenüber der Landesregierung. Bei ihrem Machtwort stützt sie sich nun aber auf den Artikel 154a des Parlamentsgesetzes. Darin heisst es, dass andere Untersuchungen des Bundes «nur mit Ermächtigung der Geschäftsprüfungsdelegation weitergeführt werden» dürfen.
Warnungen vor dem Chaos
Die GPDel selber wurde bereits im November 2019 vom Bundesrat über die Crypto-Affäre informiert. Eine eigene Untersuchung hat sie aber erst am 13. Februar eingeleitet – nach Erscheinen der ersten grossen Medienberichte über den Fall. Nun aber ist die Delegation offensichtlich bemüht, Tatendrang zu demonstrieren. Man habe inzwischen bereits vier Sitzungen mit Anhörungen durchgeführt, teilt die Delegation in ihrer Medienmitteilung mit. Dabei habe sich bereits gezeigt, «dass das Nebeneinander von mehreren Untersuchungen mit unterschiedlichen Auftraggebern nicht zielführend ist».
Beobachter im und um das Bundeshaus haben schon zuvor vor dem drohenden Chaos gewarnt, wenn mehrere Untersuchungsgremien dieselben Leute befragen, dieselben Akten anfordern, aber teilweise unterschiedliche Thesen verfolgen und Schlüsse ziehen.
Die Fusion der beiden Untersuchungen könnte aber auch gewisse Nachteile haben. Eine Folge ist, dass es nun statt zwei, nur einen Schlussbericht geben wird. Statt zwei Sichtweisen auf die Affäre, wird es nur noch eine amtliche Wahrheit geben.
Zudem nimmt die GPDel die Landesregierung auch aus der Verantwortung. Die sieben Bundesräte können sich ab sofort zurücklehnen: Wenn immer sie in den nächsten Wochen und Monaten mit Fragen zur Crypto-Affäre konfrontiert sind, können sie achselzuckend auf die Untersuchung der GPDel verweisen.
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