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Pandemie fordert Labors
Corona verunsichert Blutspendewillige

Frisch ab Vene: Jedes Jahr verarbeiten die Schweizer Blutspendedienste 200’000 Blutspenden.

Nein, es handelt sich hier nicht um ein Küchengerät und auch nicht um Medienschelte, obwohl es danach klingt: Blutpresse – so nennt sich ein Gerät mit Pumpmechanismus, das in den Produktionslabors im zweiten Stock des Blutspendezentrums Zürich in Schlieren steht. Eine Mitarbeiterin ist gerade dabei, mit ein paar routinierten Handgriffen die verbundenen Schläuche eines Blutspendebeutels einzufädeln und den Pumpmechanismus in Gang zu setzen.

Was unspektakulär aussieht, ist ein wichtiger Schritt in der Aufbereitung des abgezapften Lebenssafts: die Auftrennung des zentrifugierten Blutes in seine Komponenten Blutplasma, rote Blutkörperchen (Erythrozyten) und Blutplättchen (Thrombozyten). Es sind die drei Blutprodukte, die gelagert werden können und später in den Spitälern zum Einsatz kommen. Fast alles lässt sich verwenden. Verworfen werden einzig die weissen Blutzellen (Leukozyten), die bei Transfusionen zu Nebenwirkungen führen, ohne einen Nutzen zu haben.

«Wir müssen jede Blutspende von Anfang bis Ende einzeln verarbeiten», sagt Bernhard Wegmüller, Direktor Blutspende SRK Schweiz, auf einem Laborrundgang. Man könne eben nicht alles zusammenschütten wie bei der Milch. Deshalb ist viel Handarbeit nötig, um die jährlich 200’000 Blutspenden der elf regionalen Blutspendedienste des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) aufzuarbeiten.

Wartefrist nach der Impfung

Die Corona-Pandemie prägt die Blutspende seit Beginn stark. Bis heute kommen vor Blutspendeaktionen aus der Bevölkerung oder von Medien besorgte Anfragen zum Coronavirus Sars-CoV-2. Doch insgesamt ist man unter dem Strich gut unterwegs. «Zu grosse Blutreserven sind auch nicht gut», sagt Direktor Wegmüller. Blutprodukte können ablaufen und müssen dann vernichtet werden. Im Durchschnitt betrifft dies rund ein Prozent der Konserven. Ein tiefer Wert, der nur mit einer guten Planung möglich ist.

In der Anfangsphase im Frühjahr 2020 sah es weniger gut aus. Damals war unklar, ob das Virus durch Blut übertragbar ist. «Das hat sich zum Glück nicht bestätigt», sagt Beat Frey, Direktor Blutspende SRK Zürich. Seither gilt als einzige Vorsichtsmassnahme, dass nach einer bestätigten Sars-CoV-2-Infektion vier Wochen gewartet werden soll. Sonst gibt es keine Einschränkungen, auch keine Zertifikatspflicht. Unproblematisch sind übrigens auch die Covid-Impfstoffe, die in der Schweiz derzeit zum Einsatz kommen. Für sie gilt nach der Impfung einzig eine Wartefrist von 48 Stunden. Nach dieser Zeit sind die Impfstoffe vollständig aus dem Körper verschwunden.

Wenn das Coronavirus durch Blut übertragbar wäre, hätten die Schweizer Blutspendedienste zwar mehr Aufwand. Umgehen könnten sie aber gut damit – so wie bei zahlreichen anderen übers Blut ansteckenden Erregern. Dazu gehören insbesondere verschiedene Hepatitis-Viren, HIV und tropische Krankheitserreger wie Zika oder Malaria. Bei der Blutspende wird das Übertragungsrisiko mittels Befragungen der Spendewilligen, Einschränkungen bei gewissen Personen (etwa nach Reisen) und Blutanalysen stark reduziert. Mit Erfolg: Seit 2009 wurde in der Schweiz bei Bluttransfusionen keine einzige Ansteckung mehr nachgewiesen.

Seit zwei Jahren wurde keine einzige HIV-positive Blutspende mehr gefunden.

Der Bereich Analytik in Schlieren ist fast menschenleer. Überall stehen mannshohe Schränke mit dunkel getönten Scheiben, durch die man auf das vollautomatisierte Innenleben blickt. Ein Teil dieser Maschinen weist in den Blutproben mittels PCR (Polymerase Chain Reaction) Erbgutspuren von Erregern nach. Es ist das gleiche Verfahren und es sind die gleichen Geräte, wie sie bei den Coronavirus-PCR-Tests seit bald zwei Jahren auf der ganzen Welt eingesetzt werden. Andere Schränke weisen Antikörper gegen die Erreger oder deren Antigene nach – ähnlich wie bei Sars-CoV-2-Antikörper-Tests für Genesene oder Covid-Schnelltests.

Rund 70 Krankheitserreger, die mit einer Blutspende übertragen werden könnten, habe man im Blick, sagt Christoph Niederhauser, Leiter Labordiagnostik. Alle Blutspenden werden auf die Erreger von Hepatitis A, B, C und E sowie das Aidsvirus und den Syphiliserreger getestet. Gezielte Untersuchungen zum Beispiel auf Malaria oder Chagas gibt es bei Spenderinnen und Spendern, die in Risikoländer gereist sind oder von dort stammen. Bei HIV wurde in den letzten zwei Jahren keine einzige positive Blutspende mehr gefunden. «Das ist auch eine Folge des Rückgangs der HIV-Infektionen in der Gesamtbevölkerung», sagt Niederhauser.

Spezialitäten im Kühlraum

Nach den Blutanalysen folgt eine weitere Sicherheitsstufe: die Pathogen-Inaktivierung. Seit 2011 nutzen Schweizer Blutspendedienste dieses Verfahren, bei dem Erreger unschädlich gemacht werden. Das Blut selber wird durch das Verfahren nicht beschädigt: «Die relevanten Blutbestandteile haben alle keine eigenen Erbgutmoleküle», erklärt Beat Frey. Also keine DNA oder RNA.

Die Inaktivierung geschieht durch eine Substanz namens Amotosalen, die dem Blut beigegeben wird. UV-A-Licht führt dazu, dass die Substanz mit DNA und RNA reagiert und diese so stilllegt. Am Ende wird das Amotosalen wieder aus dem Blutprodukt entfernt. In der Routine kommt das teure Verfahren bislang erst bei Plasma und Thrombozyten zum Einsatz. «Bei den Erythrozyten sind wir noch in der Erprobungsphase», sagt Frey.

Der Bedarf an Blutkonserven sinkt bereits seit Jahren: Blutspende in Thalheim ZH.

Dann führt der Labormediziner in den Kühlraum, eine weitere wichtige Station im Blutverarbeitungsprozess. Hier lagern die wertvollen Erythrozytenprodukte bei 4 Grad Celsius in Kunststoffkisten auf einfachen Metallgestellen, sortiert nach Blutgruppen und Rhesusfaktor. In einem Bereich sind auch die Spezialitäten aufbewahrt. Es sind die Blutprodukte von Spendenden, die neben Blutgruppe und Rhesusfaktor weitere genetische Eigenschaften haben, die sehr selten sind, bei gewissen Transfusionen aber eine wichtige Rolle spielen können. Blutplasma wird bei –25°C tiefgekühlt und Thrombozyten bei Raumtemperatur unter ständigem Schütteln gelagert.

Kritische Situation im März 2020

Der Lagerbestand schrumpfte gefährlich, als die Schweiz im März 2020 in den Lockdown ging. Die Situation war kritisch. «Wegen der Massnahmen, insbesondere des Versammlungsverbots, konnten wir unsere Blutspendeaktionen nicht mehr durchführen», erinnert sich Frey. «Wir waren in ernster Sorge wegen der Blutversorgung und sind deswegen die Behörden aktiv angegangen.» Allerdings ging in dieser Zeit auch der Bedarf der Spitäler vorübergehend stark zurück, weil Wahleingriffe verschoben werden mussten. «Das hat den Spendenrückgang sogar überkompensiert», so Frey.

Die Massnahmen wurden rasch gelockert und die Situation normalisierte sich. Allerdings nicht vollständig. Der Grund: Bereits davor war der Blutbedarf laufend zurückgegangen, um rund 30 Prozent in den letzten zehn Jahren. Und die Entwicklung hält an. Um das Risiko von Komplikationen zu minimieren, versuchen Ärztinnen und Ärzte, möglichst auf Bluttransfusionen zu verzichten. Im Operationssaal reduzieren sie mit verschiedenen Massnahmen den Blutverlust wenn immer möglich. Und vor einem Eingriff wird abgeklärt, ob beim Patienten oder bei der Patientin eine Blutarmut (Anämie) vorliegt, die dann behoben wird. Beat Frey: «Der Bedarf wird sicher nicht mehr das Niveau erreichen wie vor der Pandemie.»