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Cooler Dominic Stricker
Beim Sensationssieg in New York singt er ein Lied von Whitney Houston

Der Handshake nach über vier Stunden: Stefanos Tsitsipas zollt Dominic Stricker Respekt.
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Dominic Stricker gelang bei seinem Fünfsatzsieg über Stefanos Tsitsipas manch spektakulärer Schlag. Doch das Video von ihm, das viral ging, zeigte ihn beim letzten Seitenwechsel, wie er einen Energieriegel verdrückte und mitsang bei Whitney Houstons «I Wanna Dance with Somebody». Später sagte er schmunzelnd: «Ich sang, um locker zu bleiben. Ich weiss gar nicht mehr, welcher Song es war. Aber er gefiel mir.» Der Hit von Whitney Houston stammt übrigens von 1987 – viele Jahre, bevor Stricker 2002 geboren wurde.

Sein Sieg über die Weltnummer 7 war auch auf gewisse Weise eine Geburt. Die Geburt eines Spielers, der grosse Matches an Grand Slams gewinnen kann. «Dieser Match bestätigt ihm, dass er mit fast allen auf Augenhöhe spielen kann», sagt Heinz Günthardt. «Und dass er aus scheinbar hoffnungsloser Lage zurückkam, macht es noch spezieller. Das vergisst man nicht, daraus kann er in künftigen Matches schöpfen. Das war schon ein ganz wichtiger Sieg.»

Stricker überraschte nicht nur mit seinem bisher wertvollsten Erfolg und seiner couragierten Spielweise, sondern auch damit, wie er während vier Stunden physisch auf höchstem Niveau mithielt. «Es ist mega cool zu erfahren, dass ich das inzwischen kann», sagte er. Es war erst sein zweiter Match über fünf Sätze. «Bis zum letzten Ball spürte ich nichts, erst beim Jubeln bekam ich einen Krampf im Bein», sagte er. Als er sich im Überschwang nach hinten fallen liess.

Weniger Schokolade, mehr Erfolg

Stricker möge noch nicht so austrainiert aussehen wie andere, sagt Coach Dieter Kindlmann. «Aber wie er gegen Tsitsipas die Intensität über vier Stunden hoch hielt, ist schon bemerkenswert. Da muss man ziemlich parat sein. Er ist fitter, als viele glauben. Seit ich dabei bin, arbeitet er sehr, sehr fleissig.» Er esse auch nicht mehr so viel Schokolade, sagte Stricker schmunzelnd. «Ganz ohne Süsses wäre es etwas trist, aber ich achte in letzter Zeit mehr auf die Ernährung.»

Spannend war, wie sich die Zuschauer im Grandstand, dem drittgrössten Court, zusehends auf die Seite Strickers schlugen. Das entging diesem nicht. «Wie die Sympathien kehrten im Verlaufe des Spiels, dass mich die Leute am Schluss noch ein bisschen mehr unterstützten als ihn, war mega cool», sagte er. «Und das half mir auch, als ich zurücklag.»

Beim Siegesjubel spürte Dominic Stricker einen Krampf im Bein. Aber das war ihm dann auch egal.

Vor zwei Wochen hatte Stricker am Challenger-Turnier in Winnipeg noch gegen die Nummer 910 (Christian Harrison) verloren, nun schlug er erstmals einen Top-10-Spieler. Er hat sich in New York in der Qualifikation in Form gespielt, musste da ja gegen den Spanier Pablo Llamas Ruiz in Runde 2 sogar einen Matchball abwehren. Was er mit einem Aufschlagwinner tat. «Ich könnte gerade so gut schon lange zu Hause sein, und all das wäre nicht passiert», sagte er. «Es ist mega cool, dass es so gelaufen ist. Ich hoffe, dass es so weitergeht.» Der nächste Gegner, der Franzose Benjamin Bonzi (ATP 108), scheint jedenfalls nicht unschlagbar.

«Was für einen Willen er gezeigt hat, macht mich sehr stolz.»

Coach Dieter Kindlmann

War in Wimbledon Strickers ganze Entourage angereist, ist er nun in New York nur mit Coach Kindlmann, Physio Philipp Purkert und dem Statistiker Fabrice Sbarro hier. Sie wohnen im Hotel am Broadway, wo sie auch schon ein Musical über Michael Jackson besucht haben. «Die Familie ist zu Hause geblieben. Und so, wie ich gehört habe, bleibt sie auch zu Hause», sagt Stricker. «Sie schauen schön vom Sofa aus. Jetzt dürfen wir ja nichts ändern.»

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Kindlmann arbeitet seit fünf Monaten mit Stricker und entdeckt bei ihm immer wieder Neues. War er in der Startrunde gegen Alexei Popyrin (41) sehr angetan von dessen Leistung in den ersten zwei Sätzen, beeindruckte ihn nun gegen Tsitsipas etwas anderes: «Was für einen Willen er gezeigt hat. Dass er das nach einem 1:2-Satzrückstand gegen die Weltnummer 7 noch dreht, macht mich sehr stolz.» Wichtig sei nun aber, dass Stricker hungrig bleibe und die gute Ausgangslage im Turnier nutze.

«Von den Schlägen her, vom Timing und vom Händchen ist für ihn alles möglich.»

Heinz Günthardt

Günthardt sah Stricker erstmals spielen, als dieser 13 war. Hatten andere Bedenken punkto Athletik, stach dem Ex-Coach von Steffi Graf etwas anderes ins Auge: «Obschon er sich nicht gross bewegte, stand er immer am richtigen Ort. Und er traf den Ball praktisch immer in der Mitte des Schlägers. Diese Gabe haben nicht viele. Er hat ein sehr gutes Händchen und ein exzellentes Gespür fürs Spiel.»

Acht Jahre später ist Stricker auf der grössten Bühne angekommen. Und was ist für ihn möglich? Günthardt zuckt mit den Schultern. «Von den Schlägen her, vom Timing und vom Händchen ist für ihn alles möglich. Aber es gehört mehr dazu, wenn man ganz vorne mitspielen will. In den Top 10. Es braucht eine unglaubliche Konstanz, einen riesigen Willen, einen wahnsinnigen Ehrgeiz. Es gibt ganz viele, die Tennis spielen können. Was macht den Unterschied? Oft, wer es mehr will. Es muss sich erst zeigen: Wie sehr will er es?»

Gegen Tsitsipas wollte Stricker den Sieg unbedingt. Und auch der Grieche, der sich sonst selten lobend über seine Gegner äussert, zeigte sich beeindruckt von Stricker. «Auch als ich führte, fühlte ich ich mich nie wohl», sagte er gegenüber den griechischen Medien. «Eine grosse Qualität ist, wie er die Bälle beim Return zurückblockt. Er ist sehr talentiert, hat ein komplettes Spiel und ein gutes Ballgefühl. Er kann sehr viele Dinge anstellen mit dem Ball. Wenn er hart arbeitet, kann er es in die Top 10 schaffen.»

Derweil Stricker seinen Coup in den Katakomben des Arthur Ashe Stadium auskostete und den US-Medien erklärte, wer er ist, gab Tsitsipas die Trennung von Coach Mark Philippoussis bekannt. Er brauchte einen Schuldigen.