Google-Chefdesigner im Interview«Ich mache mir Gedanken zu Produkten, die in fünf Jahren auf den Markt kommen»
Wird es nicht langweilig, Smartphones zu entwerfen? Wie viel Geduld braucht es, wenn man schon weiss, was technisch die Zukunft ist? Der Schweizer Claude Zellweger antwortet.
Dass Googles Pixel-Smartphones heute mit zu den schönsten gehören, ist nicht zuletzt das Verdienst eines Schweizers. Claude Zellweger leitet bei Google als Director of Design ein Team von rund 50 Designern und Ingenieuren. Er und sein Team sind verantwortlich für das Aussehen der Pixel-Smartphones sowie anderer Google-Geräte. Vor 2017 war er für Firmen wie HTC, Amazon oder Microsoft tätig. Wir haben ihn anlässlich der Vorstellung der neuesten Pixel-Geräte zum Interview getroffen.
Herr Zellweger, Sie haben schon über 10 Jahre Erfahrung im Designen von Handys. Wird es nicht irgendwann langweilig, Rechtecke zu machen mit einem Bildschirm vorne drauf?
Nein. Im Gegenteil. Je eingeschränkter man ist, desto kreativer muss man sein. Darum bleibt es spannend. Kommt dazu, dass das Smartphone aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken ist. An so was zu arbeiten, wird nie langweilig.
Wie viele Freiheiten hat man denn als Designer? Sie können ja nicht sagen, das nächste Google-Handy soll rund oder dreieckig sein.
Alle drei Jahre machen wir eine grosse Studie, wo wir alles genau anschauen und alles hinterfragen. Da probieren wir ganz viel aus und schauen, was am besten funktioniert. Uns ist zum Beispiel auch sehr wichtig, dass man Geräte besser reparieren und damit länger nutzen kann. Darum passiert in Sachen Design vieles, was man von aussen gar nicht sieht.
Würde man lediglich Äusserlichkeiten optimieren, wären Smartphones ja superdünn, innen komplett verleimt und damit praktisch unreparierbar.
Genau. Da ist es unsere Aufgabe als Designer, nachhaltigere Lösungen zu finden und unsere Geräte so zu gestalten, dass sie dies auch sind.
Wie muss man sich das vorstellen? Kommen da zuerst die Techniker, die sagen, was alles ins neue Handy muss, dann die Nachhaltigkeitsexperten – und ihr müsst am Schluss alles verpacken? Seid ihr als Designer auch so eine Art Schiedsrichter?
Tatsächlich betrifft die Reparierbarkeit nicht nur einfach eine Abteilung. Sie ist unserem Designteam von Anfang an sehr wichtig. Darum pushen wir das auch so. Und wir haben einen guten Stellenwert innerhalb von Google, wenn es um solche Anliegen geht.
Sie waren zuvor schon für Amazon und bei HTC tätig. Was hat sich geändert, als Sie zu Google kamen?
Das war ausgesprochen faszinierend, weil einem plötzlich so viele Zukunftstechnologien zur Verfügung standen. Zum Beispiel Spracherkennung mit künstlicher Intelligenz, die heute selbstverständlich ist. Aber auch im Bereich Virtual Reality habe ich Technologien gesehen, die damals noch sehr futuristisch waren. Gerade was Forschung angeht, spielt Google eine massgebliche Rolle im Vergleich zu anderen Firmen, bei denen ich zuvor war.
Ich stelle mir vor, dass man sich da in etwa so fühlt wie ein Kind im Süsswarenladen. Man sieht all die zukünftigen Technologien und würde sie am liebsten jetzt schon haben. Aber dann muss man sich doch wieder auf das Hier und Jetzt konzentrieren und viel Geduld haben.
Oh ja. Geduld ist extrem wichtig. Ich mache mir aktuell schon Gedanken zu zukünftigen Produkten, die in 3 bis 5 Jahren auf den Markt kommen sollen. Da lebt man immer auch etwas in der Zukunft, mit dem Bewusstsein, was vielleicht dereinst möglich sein wird. Und klar, manchmal ist es auch frustrierend, wenn diese Vorstellungen nicht der Realität entsprechen, aber das gehört zum Beruf und macht die Arbeit ausgesprochen spannend.
Was sich auch wie Zukunft anfühlt, sind Falthandys. Als wir uns 2016 zuletzt unterhalten haben, waren die noch ein Zukunftsprodukt. Inzwischen hat Samsung schon ganz viele lanciert und Google ebenfalls bereits das zweite. Wie schwierig sind Falthandys denn für Sie als Designer?
Die sind wirklich eine grosse Herausforderung, denn nebst Form und Materialien kommen neue Aspekte wie etwa das Scharnier hinzu. Aus diesem Grund haben wir uns ganz viele andere Gegenstände angeschaut, die man gerne öffnet und schliesst. Etwa Bücher oder Autotüren. Wir haben eng mit unseren Ingenieuren zusammengearbeitet, damit sich so ein Scharnier auch richtig gut anfühlt.
Genau dieses Faltgefühl ist so wichtig. Bei den ersten Falthandys hat es sich einfach unangenehm angefühlt. Ich hatte ständig Angst um die teuren Geräte.
Ja, das hat sich deutlich verbessert. Und es ist auch unglaublich faszinierend, was in dem Mechanismus drin alles passiert. Ich liebe es, die Animationen davon anzuschauen. Beim Falten wird der Bildschirm auf engstem Raum gebogen, und beim Aufmachen rasten die miniaturisierten Gelenke ein, damit es sich offen so stabil anfühlt wie ein scharnierloses Gerät.
Es gibt ja zwei Arten von Falthandys. Solche, die ein normales Smartphone in der Hälfte falten und verkleinern, und solche, bei denen man ein normales Smartphone in ein Mini-Tablet verwandelt. Sie haben sich für Zweiteres entschieden. Warum?
Weil sich diese Art für unsere Produktivitätsapps besonders eignet. Wenn man mit Tools wie Google Docs arbeitet, ist der grössere Bildschirm unterwegs einfach ausgesprochen praktisch. Für uns war es daher der logische Schritt.
Das ist auch meine Erfahrung. Ich mag solche Falthandys als Arbeitsgerät für unterwegs.
Was auch noch eine Rolle gespielt hat: Bei der Grösse können wir bessere Kameras, Bildschirme und Akkus einbauen. Bei kleineren Geräten muss man mehr Kompromisse machen.
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