Chat-GPT in der SchuleKI gehört in den Deutschunterricht
Künstliche Intelligenz aus der Schule zu verbannen, wäre verkehrt: Mit klugen Konzepten lernen Jugendliche, KI zu meistern – statt von ihr gemeistert zu werden.

Gymnasiastinnen und Gymnasiasten schreiben heute bessere Aufsätze als alle Schülergenerationen zuvor – und ernten dafür Kritik: Manche Deutschlehrkraft hadert mit Superschreibhilfen wie Chat-GPT und will die künstliche Intelligenz aus der Schule verbannen. Mit der Folge, dass sich die Jugendlichen eben unbegleitet davon inspirieren lassen.
Tatsächlich kommen Deutschlehrkräfte um die Frage nicht herum: Wie bereite ich die Schülerschaft auf eine Welt vor, in der KI zum Alltag gehört? Dabei hat ihnen kein Geringerer als Goethe persönlich das denkbar dankbarste Material für eine erste Annäherung ans Thema KI im Unterricht bereitgestellt. Goethes Ballade «Der Zauberlehrling» handelt von einem jungen Mann, der in Abwesenheit seines Meisters dessen Zauberkräfte ausprobiert und damit Chaos stiftet. Die Parallelen zur KI und zu unserer Überforderung im Umgang mit mächtigen Technologien sind augenfällig.
Zugleich lässt sich mit diesem Text auch ganz praktisch arbeiten. So kann ein erster Auftrag an die Klasse lauten: «Versuchen Sie sich in den Zauberlehrling hineinzuversetzen, dem die Geister, die er rief, über den Kopf wachsen. Schreiben Sie über dieses Gefühl und geben Sie ein Beispiel dafür, wie Sie sich in einer ähnlichen Situation gefühlt haben.» Im Idealfall empfinden die Lernenden die Aufgabe als stimulierend; auf jeden Fall werden sie zum Nachdenken über sich selbst angeregt.
Die folgende Übung besteht darin, Chat-GPT den gleichen Schreibauftrag zu erteilen. Die KI wird dann zum Beispiel fabulieren, sie habe während ihres Studiums eine Party schmeissen wollen, es seien aber zu viele Gäste gekommen. Die Jugendlichen werden hier Zeuge davon, dass ihnen brühwarm Unwahrheiten aufgetischt werden. Und wenn der Sprachgenerator – bei einer anderen Formulierung des Prompts – erklärt, er verfüge über keine Emotionen, lässt sich daraus gleichfalls lernen: Die jungen Menschen können offensichtlich mehr als die ach so schlaue Maschine.
Vier zentrale Botschaften für die Klasse
Zum Abschluss lassen die Schülerinnen und Schüler ihre in der ersten Übung verfassten Texte mit Chat-GPT sowie dem KI-Schreibassistenten Deepl Write überarbeiten und vergleichen die Ergebnisse mit dem Original. Dabei dürften sie feststellen, dass manche Wendung gelungener erscheint – allerdings auch, dass der eine oder andere Gedanke nicht mehr so formuliert ist, wie er gedacht war.
Die zentralen Botschaften, die Deutschlehrkräfte ihren Klassen vermitteln, könnten also lauten:
Vertrauen Sie KI nicht blind.
Nutzen Sie KI als Schreibhilfe, wenn Sie das für richtig halten. Sie können aber ebenso Nein sagen, sprich: die KI gar nicht erst nutzen oder einen Vorschlag ablehnen. Denn die KI ist eine gewaltige Sprach- und Denknivellierungsmaschine. Wirklich Neues bekommen Sie von ihr nicht serviert.
Schreiben ohne KI kann Freude bereiten; ein solches Flow-Erlebnis lässt sich nicht synthetisch erzeugen.
Schreiben ist nicht selten aber auch anstrengend. Bloss werden Dinge durch das eigene Schreiben oft erst richtig verstanden.
Kurz: Die Lernenden sollen sich nicht von der KI bestimmen lassen, sondern selber die KI bestimmen. Doch dafür muss man diese zuerst ins Schulzimmer lassen.
Gieri Cavelty war 25 Jahre Journalist. Heute arbeitet er als Deutsch- und Geschichtslehrer am Gymnasium Lerbermatt Köniz.
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